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Bez«gS-Prei- otertrllährl v«< nnlernLUial», n. »a. »ahmeltellen ,d«eb»lt: 7» 4 «L» n«er»ei«t»kL Durch »t« *»>! »unertzuld Deuilchiand« und der dr»«ch«i Kolonien »irneliLhri. 0.4» ^l, uiouatl, lökO audlchl. PoNdeitellaeld. ferner m Belgien. DLnemurk. Len Donaullaate». Italien, Laremdurg, «iederlande, P»r- we^en, Oesterreich Ungarn, «niland, Schwede», Schwel» ». Spanten. Ja alle» übrigen Staaten nur direkt durch di» l8eichPl»stelle de« «laue« erdLitlich. La» Leipziger raaeblari ericheini d wat tügllch, Son».» Fet^ri^» aur morgen«. ktdonneinrnr-Onnadme Luguttnlplatz 8, bet unter«» irügern, Jtltalen, Spediteur«» u»L »Mt«bmeste!Ien. sowie Postämter» nnb Brtesträger». I»«,«l»«rr,»s«,r,i« »er Ist»««». »»«»ab» 10 H, iUdendon«g,d« 0 stiedaktto» »,b Metchäftästeste» J«Lannt»«aste 8. S»r»tvr«tz«ri l4tA2> >4«!». ldstv«. Mbend-Ausgabe. MpMtrTagMM Handelszeitung. Ämlsvkatl des Rates und des Notizeiamtes -er Stadt Leipzig. Autisten-Prel ¬ lst» Jcherate au« Letp,lg und Uwgrduug dt, tl^toalten« -l) mio breit» PetitMl, L ch, dl» 74 »u» breit, Reklame»»«« t ^U: do» »»«wärt« M «teUameu t.!L Inlrrat, v,a Behörden st» mnMche» Teil dt» 74 mm breit» Bettchetk» 40 »eichäittan,eigen mit BlatzoorlchrtM» »M t» der Sbendantaad» >m Preise erhöht. Nada» »ach Laril. Beilaaegebüdr b p. lautend egki. Postgebühr. Frstertetlt» «uttrüge künnen nicht zurück gezogen werden, hür da» strschetnea an b«ttlmmt»n lagen und Blühen wir» krta» ibarantt» übernommen. »nzetgen-Bnuahme, Sug»st»«pl»tz l^ bet lämrltchea Filiale» u. alle» Lnnoncr»- »«prdittoaea de« Ja» »nd «u«la»d»4. Vauvl-Stltnl» DerN»! T»rl »uacker. Herzogt. Bopr. Histastp haidlnng, bichEiast« ldz tlelephoo VÖ dir. 4M2). Haupt-illltale Orr«de« Seeftrape 4,4 (lelephoa 40M^ Nr. 283. 104. Jahrgang Vonnerstsy, üen l3. Oktober 1910. Der Dahlkampl in Leipzig V. Zn wenigen Tagen wird im Landtagswahlkreise Leipzig V die Entscheidung fallen. Es ist daher ganz erklärlich, daß die am Wahlkampf beteiligten politischen Parteien ihre Kräfte jetzt besonders an spornen, um für ihre Anschauungen zu werben. Wäh rend von nationalliberaler Seite schon seit Wochen Versammlungen abgehalten worden sind, ist die Sozialdemokratie erst seit kürzerer Frist in intensiver Weise in den Kampf eingetreten. Die Konservativen haben es unseres Erinnerns bis jetzt bei einer einzigen eigenen Wahlversamm lung bewenden lassen. Dafür erscheint aber ihr Kan didat, Sanitätsrat Dr. Brückner, mit Gewissen haftigkeit in den gegnerischen Versammlungen, hört eine Zeitlang den Ausführungen zu, schweigt sich aus und verläßt, ohne das Wort in der Debatte ergriffen zu haben, zumeist schon vor Schluß der Versammlung das jeweilige Versammlungslokal. Daß diese Taktik beharrlichen Schweigens auch in konservativen Kreisen, nicht zur Steigerung der ohnehin nicht allzu großen Zugkraft der Kandidatur Brückner beiträgt, ist zweifellos. Die Forderungen, die der national liberale Kandidat Dr. Zoephel in seinen verschiedenen Versammlungen aufgestellt und in gegnerischen Versammlungen in der Debatte ver treten hat, haben in weitesten Kreisen der Wahl berechtigten Zustimmung gefunden. Die Notwendig keit einer Verfassungsrevision, der Um gestaltung der Ersten Kammer, der Neuein teilung der Wahlkreise ist längst überall begriffen worden. Die Vertretung dieser Forde rungen durch den nationalliberalen Kandidaten hat daher auch mit Recht allenthalben lebhafte Zustim mung ausgelöst. Nicht minder hat er Anklang ge funden mit dem Verlangen einer Erweiterung der Selbständigkeit insbesondere der großen Gemeinden, einer Reform des Eemeindesteuergesetzes auf einheit licher Grundlage und endlich der schon seit geraumer Zeit von dem früheren Abgeordneten Dr. Schill ge forderten Abgrenzung zwischen Justiz und Verwal tung durch ein besonderes Gesetz. Daß Dr. Zoephel in bezug auf die Schulfrage einen durchaus fortschrittlichen Standpunkt vertritt, braucht nicht erst besonders hervorgehoben zu werden für den, der sich der Tätigkeit Zoephels in der Petitions- und Beschwerdedeputation des vorigen Landtags bei Be ratung der Anträge Hettner und Günther erinnert. Den Nationalliberalen wird von ihren Gegnern auf der rechten Seite gern eine nur platonische Liebe für den Mittelstand zum Vorwurf gemacht. Die absolute Irrigkeit dieser Auffassung wird der natio- nalliberale Kandidat am Freitag in einer besonderen Versammlung noch nachweisen, die speziell dem Ver hältnis der nationalliberalen Partei zum Mittel stand gewidmet ist. So viel kann auch hier schon gesagt werden, daß Dr. Zoephel unter denen, die u. a. die Schäden des Submissionswcsens bekämpfen, die Ee- fängnisarbeit verurteilen, die Verbesserung der ge werblichen Schul- und Fachausbildung fordern, in erster Linie steht. H Daß die Sozialdemokraten einem solchen Mann, der mit gründlicher Sachkunde große Schlagfertigkeit und unbedingte Festigkeit in der Vertretung seiner Anschauungen verbindet, besonders hart auf den Fersen sind, weil sie in ihm einen Gegner befürchten, der manche ihrer Mitläufer zum nationalen Libera lismus wieder herüberziehen kann, das bewies eine sozialdemokratische Versammlung, die am Mittwoch abend in Prob st heida stattfand. Der Reichstags abgeordnete Schöpflin referierte in dem über füllten Saale des dortigen Gasthofes über die bevor stehende Ersatzwahl und konstatiert« die Zunahme des allgemeinen Interesses an den Landtagswahlen. Er skizzierte die Bedeutung der Landtage, verbreitete sich über die Forderungen der Sozialdemokratie und kriti sierte die bürgerlichen Parteien und ihre Kandidaten. Seine Rede war auf einen sehr gemäßigten Ton gestimmt. Für den anwesenden, sich aber wieder ausschweigenden konservativen Kandidaten Dr. Brückner ergriff der Generalsekretär des Konservativen Landesvereins Kunze das Wort zu einer patteitheoretischen Erörterung über indirekte Steuern, Liebesgabe, Ein fuhrscheine und ähnliche Dinge. Er wurde allerdings dabei derart weitschweifig, daß er nach nahezu fünf viertelstündiger Rede noch nicht einmal bei den speziellen Landtagsfragen angelangt war, so daß sich eine begreifliche Unruhe der Anwesenden bemerkbar machte, um so mehr, als diese doch auch den anwesen den nationalliberalen Kandidaten Dr. Zoephel hören wollten. Herr Kunze hat durch sein- ausgedehnte Rede der Sozialdemokratie wieder, wie schon oft, willkommenes Material geboten. Er ist ja schon einmal als der „beste Agitator für die Sozialdemo kratie" bezeichnet worden, und seine gestrige Rede wird lediglich als Bestätigung dieser Ansicht gewettet werden. Wenn Sozialdemokraten in bürgerlichen Versammlungen die Redefreiheit in der Debatte aus-- nützen, so wird das mit Recht auf bürgerlicher Seite verurteilt. Um so mehr sollten sich vor allen Dingen konservative Leute hüten, in den Fehler zu verfallen, den sie an den Gegnern so scharf zu rügen verstehen. Trotz der Langatmigkeit und Weitschweifigkeit der Kunzeschen Expektorationen verstand es aber der nationalliberale Kandidat Dr. Zoephel, die Ver sammlungsteilnehmer sofort für seine Ausführungen zu interessieren. Mit steigendem Interesse hörte die Versammlung den Darlegungen Dr. Zoephels zu, der zunächst einige Stellen aus der graß einseitigen Dar stellung Kunzes berichtigte und dann auf speziell sächsische Fragen einging. Er griff besonders die Be handlung des Wahlrechtsproblems im letzten Landtag heraus und wies darauf hin, daß er grund sätzlich Anhänger des Proportionalverfah rens sei. Zn bezug auf die Volksschulgesetzgebung erklärte er sich für Unentgeltlichkeit der Lehr- und Lernmittel; weiter ging er auf das verbesserungsbedürftige Armenrecht, auf das Bergrecht und andere Dinge ein und fand mit seinen Darlegungen eine recht gute Resonanz. Für die Kon servativen legten sich dann noch die Herren Tischler obermeister Fischer und Grosch ins Zeug, ohne indes der Wirkung der Worte des nationalliberalen Kandidaten Eintrag tun zu können. Zm Schlußwort nahm sich der Reichstagsabgeord nete Schöpflin zunächst den konservativen General sekretär Kunze vor, den er der Ausführung „politischer Taschenspielerkunststücke" beschuldigte, der der Sozial demokratie durch sein Auftreten große Dienste leiste. Glimpflicher kam der nationalliberale Kandidat Dr. Zoephel weg, dessen politische Anschauung zwar auch nicht zu teilen sei, den die Sozialdemokraten aber als „eine der besten Intelligenzen in der nationallibe ralen Partei" aufs schärfste bekämpfen müßten. Mit einem Appell für die sozialdemokratische Kandidatur Bammes schloß Schöpflin seine Rede. Für uns ist diese Charakteristik Zoephels durch einen sozialdemokratischen Führer sehr wertvoll. Man fürchtet auf jener Seite in dem nationalliberalen Kandidaten eine äußerst tüchtige parlamentarische Kraft, die eben deshalb nicht zur Geltung kommen soll. Das liberale Bürgertum mag aus die ser Bemerkung Schöpflins jedenfalls erkennen, daß wir einen Wahlkampf ganz besonderer Art durchleben; es mag am Wahltage seine Pflicht nicht versäumen, es muß vielmehr alle Kräfte einsetzen, damit Dr. Zoephel gleich im ersten Wahlgange wenn nicht den Sieg, so doch einen erheblichen Vor sprung vor den beiden anderen Kandidaten gewinnt. Nicht der Reaktion, nicht dem Radikalismus, sondern dem ausgleichenden nationalen Liberalis mus muß der Sieg am 18. Oktober zuteil werden. Vie RelchsoerlichermtgslmmmiMlln beriet in ihrer Sitzung om Dienstag zunächst den Ab schnitt über das Erlöschen der Anwart schaft auf die Invaliden- und Hinter bliebenenrente. Sie erlischt, wenn während zweier Kalenderjahre weniger als zwanzig Wochen beiträge auf Grund der Versicherungspflichr oder der Weiteroersicherung entrichtet worden sind. Der K 1269 über das Wiederaufleben der Anwartschaft wurde durch Annahme mehrerer konservativer Anträge geändert und erhielt folgende Fassung: Die Anwartschaft lebt wieder auf, wenn der Versicherte wieder eine versicherungspslichtige Beschäftigung auf nimmt oder durch freiwillige Beitragsleistung das Versicherungsverhältnis erneuert und danach eine Wartezeit von zweihundert Beitragswochen zurück legt. Hat der Versicherte das sechzigste Lebensjahr vollendet, so lebt die Anwartschaft nur auf, wenn er Vökher mindestens tausend Beitragsmarken ver wendet hatte. Hat der Versicherte oas vierzigste Lebensjahr vollendet, so lebt die Anwartschaft durch freiwillige Beitraaslelstung nur auf. wenn er vor her mindestens fünfhundert Beitragsmarken ver wendet hatte und danach eine Wartezeit von fünf hundert Beitragswochen zurücklegt. Nach der Regie rungsvorlage sollte die Anwartschaft in jedem Falle wieder aufleben bei Wiederaufnahme einer versiche rungspflichtigen Beschäftigung und weiterer Zurück legung einer Wartezeit von zweihundert Beitrags- wochen. Mit tz 1270 beginnt die Berechnung der Versicherungsleistungen. Don der Wirt schaftlichen Vereinigung und vom Zenrrum liegen Anträge vor auf Erhöhung der Znvalidenrente bei Vorhandensein von Kindern unter 15 Zähren, und zwar soll die Erhöhung nach dem Zentrums antrag für jedes Kind ein Zehntel be tragen bis zum anderthalbfachen Betrage; nach dem Antrag der Wirtschaftlichen Vereinigung soll sich der Reichszuschuß für jedes Kind um 10 und der Anteil der Versicherungsanstalt um je 5 erhöhen. Geheimrat Beckmann berechnet den Mehrbedarf bei Annahme dieses letzteren Antrages auf sechs Millionen Mark für das Reich und 3 Millionen Mark für die Versicherungsträger; der Zentrumsantrag würde einen Mehrbedarf von annähernd dreizehn Millionen Mark erfordern. Ministerialdirek tor Caspar warnt davor, das Reich oder die Ver sicherungsanstalten über die Vorlage hinaus zu be lasten. Der Zentrumsantrag wird aber gegen die Stimmen der beiden konservativen Parteien und der Nationalliberalen angenommen. Zunahme ües Lilenbshner- ltreiks in Frankreich. Der Eisenbahnerstreik in Frankreich hat sich auch auf die Angestellten der Paris—Lyon—Mittelmeer bahn und der Ostbahngesellschaft ausgedehnt. Da durch werden die Verkehrsmöglichkeiten in Frankreich noch mehr als bisher gehemmt. Die Regierung hat das außerordentlich Gefährliche ihrer Lage erkannt und sucht rücksichtslos durchzugreifen. Das Ministe rium beschloß die Verhaftung von 22 Führern der Streikbewegung; diese sollen indes sofort durch 22 andere in der Bewegung der Eisenbahner bekannte Personen durch das Sondikat ersetzt werden. Ein Üebergreisen der Streikbewegung auf andere Arbei terkategorien ist stündlich Au erwarten, am frühesten werden den streikenden Eisenbahnern zweifellos die Elektriker folgen, die ja der Regierung bereits ein Ultimatum zugemutet haben. Vereinzelt liegen Nachrichten über Gewalttätigkeiten von Ausständigen vor. Frankreich geht sehr ernsten Tagen entgegen, und man kann der Regierung nur wünschen, daß sie der wachsenden Gefahr recht bald Herr wird und das Land vor weiteren inneren Erschütterungen bewahrt. Paris, 13. Oktober. (Tel.) Nach einer heute nacht von den Vertretern der Heizer und Maschinisten getroffenen Entscheidung soll der Streik auf der Ostbahn heute früh 8 Uhr beginnen. Paris, 13. Oktober. (Tel.) Die Direktion der Ost bahn erklärt in einer öffentlichen Be kanntmachung u. a.: Das Publikum wird nicht be greifen, warum es das Opfer der üblen Laune der Eisenbahner geworden ist; es wird noch viel strenger jede Ausstandsbewegung auf der Ostbahn verurteilen, da sie das Erenznetz ist, auf dessen Bediensteten die größte Verantwortung dem Lande gegenüber lastet. Zum Schluß wird erklärt, daß alle Eisenbahner, die den Dienst verweigern, unverzüglich entlassen werden sollen. Lyon, 13. Oktober. (Tel.) Der Exekutionsausschub der nationalen Syndikate der Paris —Lyon — Mittelmeerbahn, dessen Hauptsitz Lyon ist, beschloß gestern abend, auf dem gesamten Netz der Bahn um Mitternacht den Generalstreik zu beginnen. Die Maßnahmen der Regierung. Paris, 13. Oktober. (Tel.) Die Staats anwaltschaft leitete ein Verfahren gegen di« Führer der ausständigen Bahnangestellten ein. Dem Vernehmen nach sind 22 Haftbefehle für Paris und weitere für die Provinz erlassen worden. Das Ge richt verurteilte den Maschinisten, der gestern seinen Dienst verlassen hat, zu 2 Monaten Gefängnis. Paris, 13. Oktober. (Tel.) Die von der Ver haftung bedrohten Streikführer begaben sich um 2 Uhr nachts in Begleitung der sozialistischen De putierten und Advokaten nach dem Redaktion»- Die Frau im Spiegel. Von E. W. A p p l e t o n. (Autorisierte Uebersetzung.) Als wir gemütlich zur Nacht gespeist hatten, sagte : leise zu mir; „Könnte ich Sie nun auf ein paar Worte sprechen, Herr Lart? Wir gehen am besten in den Garten dazu!" Als wir uns im Freien befanden, fuhr er fort: „Herr Le Noir hat Ihnen gesagt, daß Sie uns möglicherweise unterstützen könnten, nicht?" „Gewiß", bestätigte ich. „Und Sie haben sich bereit erklärt, uns diese Unterstützung zukommen zu lassen." „Versteht sich." „Gut Ich brauche nicht auf Einzelheiten einzu gehen, sondern will Ihnen nur verraten, daß das Haus, in dem Sie sich gegenwärtig aufhalten, unter einem gewissen Verdachte steht. Es wäre am besten, wenn Sie es verlassen würden. Nehmen Sie das als einen freundschaftlichen Wink. Wir würden es indes lieber sehen, wenn Sie noch nicht sofort wegzögen. Verstehen Sie?" „Gewiß." Zu meiner Ueberraschung zog er nun eine Pfeife aus der Tasche und ließ darauf einen scharfen Pfiff hören. Er klang sehr eigentümlich. „Würden Sie diesen Pfiff wieder erkennen?" fragte er. „Unbedingt." „Gut. Wenn Sie ihn eines Abends hören sollten — Sie sehen, ich dringe Ihnen ein großes Vertrauen entgegen —, wollen Sie dann so freundlich sein, un verweilt die Treppe hinabzueilen und die großen Riegel von der Haustüre zurückzuschieben?" Ich starrte ihn einen Augenblick an, bevor ich antwortet«. Dann sagte ich: „Zch werde es tun. Verlassen Sie sich auf mich!" „Besten Dank. Es wird Ihnen kein Haar ge krümmt werden. Dafür wollen wir schon sorgen. Und nun muß ich mich von Ihnen verabschieden. Nochmals besten Dank und leben Sie wohl! Auf Wiedersehen!" Damit verließ er mich. Ich ging noch ein wenig in der berühmten Umgegend spazieren, aber ich hatte kein Auge für ihre Schönheiten, und um halb zehn Uhr lenkte ich meine Schritte wieder St. Johns Wood zu. Als ich in der Villa Rabenhorst anlangte, lag das Haus in völliger Dunkelheit da. Selbst in der Halle war kein Licht zu sehen. Und als ich das seltsam verlassen aussehcnde Haus betrat, verursachte mir seine Stille und Dunkelheit ein Unbehagen, das vom Gruseln nicht mehr sehr verschieden war. Ich tastete mich zu meinem Zimmer hinauf und zündete dort das Gas an, das indes nur mit schwacher, bläulicher Flamme brannte. Ein Schauder üb«rlief mich. Was war vorgefallen? War es möglich, daß Goliby auf Reisen gegangen, ohne ein Wort zu hinterlassen, um mich davon zu benachrichtigen? Dieser Gedanke er schien mir lächerlich, unglaublich, doch was sollte ich anderes Lenken? Das Haus schien von jeglichem lebenden Wesen verlassen zu sein. Und doch hatte mir Marie versprochen, daß wenigstens sie dableiben wollte. War sie schon schlafen gegangen? Ich hätte es gerne gewußt. Es war ja noch gar nicht spät. Sollte ich läuten und eine Erfrischung bestellen? Warum denn auch nicht? Und sa ließ ich dem Ge danken die Tat folgen. Ich wartete fünf Minuten, dann läutete ich zum zweiten Male. Weitere fünf Minuten verflossen, ohne daß jemand kam. Die Sache begann ungemüt lich zu werden. Nunmehr zündete ich alle Flammen am Leuchter an. Aber trotzdem blieb die Beleuchtung immer noch bläulich und etwas schaurig. Meine Nerven wurden allmählich unruhig, und ich wünschte von ganzem Herzen, ich wäre in ein Theater oder, wenn es sein mutzte, in ein« Musikhalle gegangen. Dazu war es leider zu spät, wie es zu früh war, um schon zu Bett zu gehen. Dann fiel mir wieder der Roman ein, den ich auf der ereignisoollen Diepper Reise zu lesen anacfangen hatte. Er lag aus dem Tische neben mir. Zch griff danach, zog mir einen Lehnstuhl zum Gasleuchter, machte es mir darin bequem und nahm mir entschlossen vor, mir alle schlimmen Vorahnungen aus dem Kopfe zu schlagen. Ich hatte eben ein Kapitel ohne große Aufmerk samkeit durchgelesen und begann nun, warm zu werden, als mir plötzlich auf eine subtile und un erklärliche Weise die Anwesenheit einer anderen Person in meinem Zimmer zum Bewußtsein kam. Mit einem Male rann mir das Blut kalt durch die Adern. Ich ließ mein Buch fallen und schaute auf. Aus meinem Schlafzimmer kam eine wilde Gestalt in unordentlichem Aufzuge, mit entsetzten Augen und Blutflecken auf dem lieblichen Antlitze, auf mich zu gestürzt. Es war kein Geist, sondern ein zitterndes, lebendes Wesen. „Um des Himmels Willen, Herr Lart", rief sie, „beschützen Sie mich, verbergen Sie mich irgendwo!" Ich war schon aufgesprungen. „Sagen Sie mir, Madame", rief ich meinerseits, „was das zu bedeuten hat!" „Zch habe keine Zeit zu Erklärungen. Verbergen Sie mich irgendwo — wo Sie wollen — sofort, oder ich bin verloren." Zn einem Augenblicke hatte ich meine fünf Sinne wieder gesammelt, wie cs einem in gefährlichen Lagen bisweilen gelingt, und warf rasch einen Blick rings in dem Zimmer herum. Hier konnte ich sie un möglich verstecken. Dann sagte ich: „Hier herein!", packte sie beim Arme und zog sie in mein Schlaf zimmer, wo ich sie in den Kleiderschrank drängte und ihn von außen zuschloft. In diesem Augenblick hörte ich an der äußeren Tür ein scharfes Pochen. Rasch schlich ich zu meinem Lehnstuhl zurück und hob das Buch, das auf den Boden gefallen war, wieder auf. „Herein", rief ich sodann. Die Türe ging auf, ich blickte in die Höhe und erkannte, daß auf der Schwelle Herr Goliby stand. Fünfundzwanzig st es Kapitel. „Ei, Sie sind cs, Herr Goliby", sagte ich und er hob mich. „Ich hatte geklingelt, um eine Kleinigkeit zu bestellen, und dachte daher, Marie habe geklopft." Sein Gesicht hatte viel von seiner gewöhnlichen Färbung cingsbüßt. Auch schien er von einer außer ordentlichen Aufregung erfaßt zu sein. Er sah sich rasch und. wie mir vorkam, argwöhnisch im Zimmer um. „Ich glaubte, als ich heraufkam, in Ihrem Zimmer Stimmen zu hören", bemerkte er. Ich lachte, und ich werde nie müde werden, die Geistesgegenwart zu bewundern, mit der ich in diesem Augenblick meine Gemütsbewegungen verbarg. „Stimmen, Herr Goliby?" fragte ich. „Sie meinen wohl eine Stimme. Ich habe laut in meinem Buche da gelesen. Ich wußte eben nicht, daß mir jemand zuhörte." Er beobachtete mich für einen Moment scharf durch seine Brille. „So, das war es", sagte er. „Ich dachte mir, vielleicht sei Sawkins bei Ihnen. Haben Sie ihn irgendwo gesehen?" „Nein, Herr Goliby", erwiderte ich. „Zch bin schon lange da und habe niemand gesehen, trotzdem ich bereits zweimal geklingelt habe." „Sehr merkwürdig", bemerkte er. „Zch bin eben nach Hause gekommen und kann ihn nirgends finden. Das ist außerordentlich seltsam. Er sollte um acht Uhr zurück sein. Sie sind ganz sicher, ihn nirgends gesehen zu haben?" „Nein." — Das war wörtlich die Wahrheit, aber er schien die Verdrehung nicht zu bemerken. „Ich kann mir das gar nicht erklären", fuhr er fort, wobei er seinen scharfen Blick noch einmal durch das Zimmer wandern ließ. „Ich auch nickt", versetzte ich. „Als ich nach Hause zurückkehrte, fand ich die Hall in völliger Finster nis, und auch das Gas brennt heute, wie Sie be merkt haben werden, sehr schlecht." „Zawohl, es ist mir schon aufgefallen, es brennt miserabel. Woher das kommt, kann ich mir nicht denken. Entschuldigen Sie, Herr Lart, daß ich Sie in Ihrer Lektüre gestört habe." „Bitte sehr, Herr Goliby", erwiderte ich lachend. „Es war mir ein Vergnügen, zu sehen, daß jemand im Hause ist. Da Sie gerade hier sind, wäre es mir angenehm, wenn Sie mir sagen wollten, ob es morgen etwas für mich zu tun gibt?" „Nein, ich habe gegenwärtig keine Beschäftigung ür Sie", entgegnete er. „Zch bin zurzeit «m wenig m Gedränge. Die Versicherungsgesellschaften handeln n einer sehr unangenehmen und für mich unerklär- ichen Weise. Außerdem habe ich einige kleinere Schwierigkeiten zu beseitigen, und so ist es wohl möglich, daß ich auk acht oder vierzehn Tage verreisen mutz. Ich habe Ihrem Freunde schon heute morgen geschrieben, daß ich das kleine Diner, von dem neu lich die Rede war, verschieben muß." „So?" warf ich ein. „Ich werde Sie meine Abreise noch rechtzeitig wissen lassen, und wenn ich wirklich verreisen muß, können Sie ja auch eine kleine Erholungsreise unter nehmen, sagen wir an die See." Das erinnerte mich an Richards Vorschlag. Da seltsame Zusammentreffen nötigte mir ein Lächeln ab. Ich dankte ihm für seinen Rat. „Und nun", sagte er, indem er sich wieder der Türe näherte, „will ich noch einmal im Hause nach-