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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 10.01.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189301100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18930110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18930110
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-10
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Monat
1893-01
-
Jahr
1893
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der Last des Kriegsdienstes so viel als nur möglich auf die jüngeren ein an Bevölkerung schwächerer Nachbar jährlich 42000 Sob Erste Preise für Hühner und größeres Geflügel erhielten K. i den Feind gebracht werden müssen. Dieser Zustand ist eben so ungerecht als unzweckmäßig. Das muß aufhören. Deshalb sollen alljährlich 60000 Mann mehr ausgehoben werden. Sie sollen aber bei den Fußtruppen nur zwei Jahre lang dienen und dann ein Recht auf Beurlaubung zur Disposition haben, zur der an Steuervorlagen zu betrauen. Die streikenden Bergleute im Saargebiet, deren Anzahl Zeit etwa 22 000 beträgt, haben in mehreren Versammlungen letzten Tage beschlossen, den Streikfortzusetzen, obwohl doch die Führer die Streikenden schwerlich immer wieder zum Aus harren anfeuern. Indessen scheint es doch, als ob der Aus stand allmählich seinen Höhepunkt überschritten zu haben, auch wird versichert, daß viele Bergleute nur aus Furcht vor Be drohungen und Mißhandlungen zu den Streikenden halten. Ueber den Stand des schweizerisch-französischen Zollkrieges liegen seit ein paar Tagen weder von der einen noch von der andern Seite Meldungen von Belang vor. Einstweilen regaliren sich beide Parteien gegenseitig nach Kräften mit Zollplackereien und Zollerhöhungen und eine versöhnliche Stimmung ist weder hüben noch drüben zu verspüren. baten mehr erzieht, und daß die Zahl seiner astsgebildeten Mannschaft unter unseren Augen fortdauernd wächst, ohne daß wir etwas Ausgleichendes thun. Wir dürfen uns keiner Täuschung über die Bedeutung eines Übergewichts hingeben, welches so groß der größer sein wird, als die gesamte französische Streitmacht länger dulden, daß jährlich 60000 wehrpflichtige Deutsche, welche auch thatsächlich wehrfähig sind, nicht zum Dienste eingestellt und ausgebildet werden, so daß wir, wenn es sich eines Tages um unsere Existenz handeln sollte, durch eigene Verschuldung nicht in der Lage sind, alle Kräfte einsetzen zu können oder Hunderttausende ohne jede militärische Vorbereitung auf das Schlachtfeld führen müssen. Kein Zweifel, daß die durch den erforderten Mehraufwand erzeugte Last drückend ist. Aber eine Ausgabe von jährlich 65 Millionen Mark ist nicht entscheidend für den Wohlstand Deutschlands. Glückliche oder unglückliche Gestaltung der Handelsbezieh ungen, des Absatzes für unsere Industrie, der Steuerverhält nisse fallen mit ganz anderen Summen in die Wagschale unserer finanziellen Lage. Längerer Aufschub der Reform ist ohne Nachteil nicht möglich. Die Regierung hat mit der Militärvorlage eine sehr ernste patriotische Pflicht erfüllt. Deutschland steht am Scheide wege und muß sich entschließen. Erfolgt die Ablehnung so überlassen wir Frankreich den einmal gewonnenen Vorsprung mit vollem Bewußtsein. Ihn später einzuholen, wird von Jahr zu Jahr schwieriger, endlich fast unmöglich werden. Eine An zahl von Altersklassen geht immer verloren. Hat man sich einmal mit einem Uebelstande abgefunden, so gewöhnt man sich auch gar leicht daran, für die Gefahr, die er birgt, die Augen zu Wichen. Unsere Hoffnung auf Erfolg im zu künftigen Kampfe könnte sich nach der Verwerfung nicht mehr auf fachliche Gründe stützen. Das Gefühl aber, daß dem so ist und daß man im Frieden Wichtiges versäumt hat, bildet an sich schon ein Moment der Schwäche für den Krieg. Wird die Vorlage Gesetz, so thut Deutschland nach kurzer Versäumnis einen Schritt vorwärts, den Frankreich ihm nicht mehr nachthun kann, da dieses thatsächlich an den Grenzen seiner natürlichen Kräfte angekommen ist. Die Überlegenheit, die Deutschland allein in seiner Volkszahl besitzt, ist dann nutz bar gemacht. Die Hoffnung, im Notfälle eines Doppelkrieges durch glückliche und schnelle Operationen zwischen den feind lichen Heeren den endlichen Triumph auf unserer Seite zu sehen, tritt wieder in ihre Rechte und das Genie unserer Feld herren erhält, wenn auch nicht in so reichem Maße wie 1870, so doch immer hinlänglich, die Mittel, sich zu bethätigen. Das Bewußtsein aber, daß im Frieden alles geschehen ist, was füg lich geschehen konnte, um Deutschland stark zu machen, wird auch in den schwierigsten Lagen eines großen Krieges Generäle, Offiziere und Mannschaften mit festem Vertrauen auf den end lichen Sieg erfüllen. Fragt man sich, ob es überhaupt noch möglich ist, der Forderung aus dem Wege zu gehen, so muß man mit einem entschiedenen „Nein" antworten. Deutschland ist zu jung und lebenskräftig, um endgiltig auf eine große Rolle im Rate der europäischen Völker verzichten zu können. Das wird nimmer mehr geschehen, und daraus folgt, daß, wenn in unserer Zeit die Vermehrung unseres Heeres verworfen würde, sie in einer künftigen, — nach trüben Erfahrungen — doch vorgenommen werden müßte. Wir hoffen, daß es dazu nicht kommt, und daß der un- abweisliche Schritt jetzt geschieht. Zum Schluß eine persönliche Bemerkung. Mein Stand punkt zur Frage ist nicht neu, sondern seit langem bekannt. Vor fünfzehn Jahren wies ich darauf Pin, daß Deuschland mit seiner Wehrverfassung den Lagen, welche die Zukunft berge, nicht gewachsen sei. Es war weder schwer, das damals zu er kennen, noch ein besonderes Verdienst, es auszusprcchen. Doch sei es hier erwähnt zum Beweise, daß die der Militärvorlage zu Grunde liegende Ansicht schon in jener Zeit verbreitet war, und es sich heute um keine dem Volke willkürlich bereitete Über raschung handelt. Zugleich wird mich diese Vergangenheit vor dem Verdachte schützen, nur einer augenblicklichen Regung zu folgen oder gar zum höheren Ruhme der herrschenden Richtung zu schreiben; sie wird, hoffe ich, dazu beitragen, daß diese Zeilen hingenommen werden als das, was sie sind, nämlich das Ergebnis innerster Überzeugung, welche aus reiflicher Über legung entsprungen ist; denn auch in der Fremde, durch ganz fern abliegende Dinge in Anspruch genommen, habe ich die militärische Bewegung im Vaterlande warmen Herzens verfolgt, immer gewiß, daß ein Ereignis, wie das jetzt eingetretene, über kurz oder lang kommen müsse. Vaterländisches. — Wilsdruff. Von dem Rentier Herrn Herrn s- dorf in Kötzschenbroda, früherer Gutsbesitzer inSachsdorf, ist vor einigen Tagen der Gemeindebehörde letztgenannten Ortes im Namen dessen Gattin die Summe von 3000 Mk. (für die Armenkasse 2000 Mk und 1000 Mk. sür die Kapelle) schen kungsweise übergeben worden. — Die äußerst günstige Schlittenbahn führte in den letzten 3 Tagen zahlreiches Publikum von Nah und Fern in unsere Stadt, um die Geflügel-Ausstellung des Wilsdruffer Geflügelzüchtervereins in Augenschein zu nehmen. Das zahlreich ausgestellte und wirklich schöne Geflügel fand deshalb auch die vollste Anerkennung der Geflügelfreunde. Die Prämiirung fand, wie bereits in letzter Nummer kurz erwähnt, durch oie Herren Mahler-Malitzsch, Borricß-Gorbitz und Kessel-Freiberg statt und ergab die Prämiirung folgendes: Es erhielten den Stadtehrenpreis für Hühner Julius Hillig-Wilsdruff auf braune Maiayen, für Tauben Karl Pflugbeil-Wilsdruff auf weiße Jdianer; den Vereinsehrenpreis für Hühner K. O. Rei chert-Niederbobritzsch auf Touluser Riesengänse, für Tauben, F. W. Herrmann-Niederlößnitz auf schwarze englische Kröpser. Tagesgeschichte. Eines der angesehensten und einflußreichsten Mitglieder der deutschkonservativen Fraktion des Reichstages, Herr Ober staatsanwalt Dr. Hartmann, hat sich kürzlich im konservativen Verein zu Plauen in eingehender Weise über die Militär vorlage und die damit in Zusammenhang stehenden Steuer fragen ausgesprochen. Redner gab zunächst in knapper, gemein verständlicher Form den Inhalt der Vorlage wieder und führte dann ungefähr folgendes aus: Der Schwerpunkt liegt in der bedeutenden Vermehrung der Infanterie und der Aufstellung von 173 neuen Jnfanteriebataillonen. Das dies nöthig ist, läßt sich schon jetzt mit voller Klarheit erkennen. Frankreich, obschon an Zahl der Bevölkerung um 11 Millionen hinter Deutschland zurück, stellt seit 1889 alljährlich eine beträchtlich größere Zahl von Rekruten ein, als wir; nach Durchführung des jetzigen Systems wird es annähernd eine halbe Million ausgebildeter Soldaten mehr haben als Deutschland. Mit seinen Vorbereitungen zur Mobilisirung hat es uns überholt, unsere Einrichtungen stehen nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Frankreich hebt alles aus, was diensttauglich ist. Wir thun das nicht. Künftig aber soll es geschehen. Damit ist uns für absehbare Zeiten das Gleichgewicht mit Frankreich, schließlich sogar etwas mehr gesichert. Um die Zahl allein handelt es sich hier nicht, sondern auch um die Qualität. Durch seine großen Aushebungen macht Frankreich die jungen Jahrgänge stärker. Auch wir müssen unsere Armee verjüngen, müssen die mehr als Frankreich ist uns Rußland an Truppenzahl über legen. Dem können wir nicht nachkommen. Es ist aber auch nicht zu erwarten, daß wir jemals in den Fall kommen, mit Mußland allein den Degen zu kreuzen. Wenn dieses uns be kriegt, so geschieht das im Bunde mit Frankreich, und dann stehen unsere Bundesgenossen, Oesterreich-Ungarn und Italien auf unserer Seite. Aber bei der Fortdauer der jetzigen Ver hältnisse ist der Dreibund mit seiner gesamm^en Truppenmacht den vereinten Heeren Frankreichs und Rußland nicht gewachsen. An uns ist es zunächst, zu schaffen, was noch fehlt. Wir sind am leistungsfähigsten an Menschenzahl und sonst, wir sind am meisten gefährdet, für uns steht das Größte auf dem Spiel, nicht nur einige Provinzen in Ost und West und so und so viel Milliarden an Kriegskostenentschädigung, sondern auch unsere niühsam und mit schweren Opfern errungene Einheit, das Reich selbst und seine Existenz. — Die Beschaffung des nöthigen Geldes verursacht gerade in der jetzigen Lage von Handel und Wandel große Schwierigkeiten. Die Regierungen wollen Erhöhung der Brausteuer um etwa 32 Millionen Mark, der Branntweinsteuer um etwa 12 ^Millionen und der Börsen steuer um etwa 13 Millionen. Die Berathung dieser Vor lagen im Reichstage hat noch nicht begonnen. Hoffentlich findet man dabei Mittel und Wege, um das Geld zu schaffen ohne die Erhöhungen der Brausteuer und der Branntweinsteuer mit der unvermeidlichen Beschwerung zunächst wichtiger Zweige der nationalen Arbeit und schließlich der breiten Masse der Konsumenten. Vor allem wird die Börsensteuer ins Auge ge faßt werden müssen. Als die Konservativen das Gesetz über die Börsensteuer einbrachten und nach vielen Mühen und Kämpfen durchdrückten, haben sie die überaus bescheidenen An sätze nur als den Anfang betrachtet und die Erwartung aus gesprochen, daß später im Falle des Bedürfnisses die Börse noch weit stärker herangezogen werde. Jetzt bringt die Börscnsteuer den lächerlich geringen Betrag von 13 Millionen jährlich. Leicht wird sich das Aufkommen daraus um erheblich mehr als auf das Doppelte steigern lassen. Darüber wird kein Mensch Schmerzen empfinden, als die Herren von der Börse, und auch diese nur vielleicht vier Wochen lang. Die an diese Dar legungen sich anschließende Aussprache legte Zeugniß ab von dem hohen Interesse, mit welchem allseitig dem Vortrage ge folgt woroen war. Bei allen Zuhörern machte sich die Meinung geltend, daß der erstattete Bericht die Militärvorlage gerecht und richtig gewürdigt und neben klaren! Verständniß über ihre Bedeutung und ihren Umfang die Ueberzeugung wachgerufen habe, daß eine Erhöhung der Wehrkraft in der geplanten Weise ein Gebot der Nothwendigkeit sei. Der erste Wochenabschnitt des neuen Jahres ist zu rückgelegt — er stand unter dem freundlichen Stern der ver schiedenen politischen Neujahrskundgebungen, welche so überein stimmend die Zuversicht auf die fernere Erhaltung des Welt friedens aussprachen. Von den Völkern Europas sind diese friedenszuversichtlichen Auslassungen maßgebender Persönlichkeiten mit um so rückhaltloserer Genugthuung ausgenommen worden, als die allgemeine politische Lage im neuen Jahr sich nach allen Seiten hin in der That ungetrübt darstellt, und hoffentlich wird die politische Physiognomie unseres Welttheiles sich diesen ihren beruhigenden Charakter bewahren. Der Reichstag wird seine Sitzung n am 10. Januar mit der ersten Berathung der Brausteuervorlage wieder be ginnen, und es werden sich daran die andern Steuervorlagen anschließen. Nach Lage der Sache wird es sich zunächst um eine vorzugsweise akademische Erörterung handeln können, da vor jedem näheren Eingehen auf neue Steuervorlagen die Frage des Bedürfnisses nach solchen und des Umfangs desselben sich einigermaßen übersehen lassen muß, was nur im Zusammen hang mit der Militärvorlage geschehen kann. Der Verlauf der letzteren Angelegenheit muß erkennbar hervortreten, ehe irgend jemand Verpflichtungen für die Beschaffenheit neuer Einnahmen übernehmen kann. Nach der ersten Berathung im Plenum wird denn auch voraussichtlich die weitere Verhandlung über die Steuervorlagen hinausgeschvben werden. Bei dem engen Zu sammenhang der beiden Angelegenheiten wird vielfach empfohlen, die Militärkommission, in der alsdann wohl einzelne Mitglieder durch andere ersetzt werden würden, zugleich mit der Vorberathung einen Erfolg für die Bergleute sich unter den obwaltenden Verhältnissen nicht zu denken ist. Fast scheint es, als ob die Führer der Bergleute des Saarreviers gesonnen seien, bei dem gegenwärtigen Streik eine Probe darauf zu machen, wieweit eigenilich ihr Einfluß unter den Bergarbeitern reicht, sonst könnten greift die Hand nach der Denkschrift von 1868, in welcher er die bedeutungsschweren Worte niederschrieb: „Frankreich ist dem norddeutschen Bunde nicht gewachsen." Worauf war diese Überzeugung gegründet? Etwa auf die Meinung, daß unsere Truppen tapferer und geschickter, die Führung besser sein werde, als die des Feindes? Keineswegs! Die Abhandlungen be ginnen mir einer Berechnung der Truppenzahl, welche Frank reich zunächst aufbieten könnte und derjenigen, welche wir ihm gegenüberzustellen vermöchten. Diese Berechnung schließt mit dem Fazit ab, daß Frankreich zum Beginn des Krieges 250000 Mann, wir aber 330000 haben würden. Dann folgen die Worte: „Es leuchtet ein, wie wichtig es ist, die Überlegenheit auszunützen, welche wir gleich anfangs allein schon in den nord deutschen Kräften besitzen." Darauf baut sich der Entwurf auf. — Eine Überlegen heit von 80000 Mann erschien dem Feldmarschall also wichtig genug, um sie zum Ausgangspunkte seines Planes zu machen und heute soll ein Übergewicht Frankreichs um mehr als eine halbe Million nichts, oder nicht viel zu bedeuten haben! Wie nun aber, wenn wir einmal gezwungen sein sollten, einen Krieg an zwei Grenzen auszufechten? Wir trauen unserer Diplomatie zwar die Geschicklichkeit zu, daß sie das Eintreten eines solchen Falles zu verhüten wissen wird. Aber mit sorgloser Sicherheit darauf bestimmt zu rechnen, wäre schon eine große Versündig ung. Der Fall eines Entscheidungskampfes mit zwei großen Mächten muß ins Auge gefaßt werden. Er wird nun vielfach mit dem Hinweis darauf abgethan, daß sich Deutschland zwischen jenen, d. h. militärisch ausge drückt, auf der inneren Linie befände und seine Schläge nut der schnell versammelten Kraft bald rechts, bald links austeilen könne. Es liegt dem ein richtiger Gedanke zu Grunde. Der jenige, welcher zwischen zwei Feinden steht, die gemeinsam stärker sind, als er, findet oft noch darin seine Rettung, daß er von seinen Streitkräften einen doppelten Gebrauch macht und sich erst auf den einen Feind wirft, um ihn abzuthun, und sich dann dem andern zuwenden. Aber dies Gesetz er leidet die einschränkende Bedingung, daß man dabei jedem ein zelnen der beiden Feinde entschieden überlegen sein muß. — Wenn aber der erste Gegner schon, auf den wir stoßen, uns, an Truppenzahl überlegen ist, so wird die Entscheidung selbst,^ wenn wir uns größere Tüchtigkeit unserer Truppen und bessere Führung vindizieren, nimmermehr schnell genug fallen, um dem anderen Gegner die Zeit zu bedenklichem Fortschritte zu rauben. Es ist begreiflich, daß es in den ersten Jahren nach dem großen Kriege nicht zu einer allgemeinen Umgestaltung des Heeres kam. Der Entschluß, das Werkzeug zu ändern, das sich eben noch bewährte, wäre kaum zu fassen gewesen. Die Nothwen- ' digkeit der Reform sprang nicht so in die Augen wie nun heute. ! Das liegt jetzt anders. Wir haben uns überholen lassens und zwar um ein Bedeutendes. Geht das so fort, so werden die verhänguißvollen Folgcui nicht ausbleiben, auch wenn die Gefahr im Augenblicke noch' keine brennende ist. Gerade das sieht man aus der Ferne deutlicher als daheim, wo der Blick sich leichter in die näher- stehcnden Einzelheiten verliert. In Frankreich hat man voller Bewußtsein von der materiellen Überlegenheit, die allmählig aus der Wirkung des neuen Wehrgesetzes herauswachsen muß. Das steigert nicht nur die Kriegslust, sondern naturgemäß auch das Vertrauen auf den Erfolg, und dieses setzt sich im Kriege in Kraft um. Warum sollte nicht, wenn die französische Armee dereinst um eine halbe Million oder gar noch mehr gedienter Soldaten stärker als Deutschland ist, ein Moltke an der Seine das Urteil fällen: „Deutschland ist uns nicht mehr gewachsen" und damit dieselbe Zuversicht im Heere erzeugen, wie sie 1870 in unfern Reihen herrschte. Im Vaterlande macht man sich sehr unvollkommene Vor stellungen über einen möglichen Krieg der Zukunft, gerade wie, in Frankreich vor 1870, wo man auf einige „ZalantsZ batLillöZ" rechnete und einen darauf folgenden glänzenden Frieden. Man legt bei uns die Erinnerungen aus jener glücklichen Zeit un willkürlich dem zu Grunde, was man künftig erwartet. Man übersieht, daß bereits zu Ende des Jahres 1889 derGesammt- bestand der französischen Armee nicht weniger als das Fünf fache dessen betrug, was Frankreich bei Ausbruch des Krieges von 1870 zur Verfügung stand, — ein Verhältnis;, das nach vollständiger Wirkung des neuen Wehrgesetzes sich bis zum Siebenfachen steigern wird. Wer dem Federkriege über die neue Militärvorlage mit Aufmerksamkeit folgt, kann sich leider der Überzeugung nicht verschließen, daß deren wahre Bedeutung im allgemeinen auch nicht annähernd richtig gewürdigt wird. Man thut vielfach, als handle es sich um eine akademische Studie über den Wert von zwei- und dreijähriger Dienstzeit. Die Frage, ob zwei oder drei Jahre gedient werden soll, darf gar nicht als Ausgangspunkt für die Üeberlegung gewählt werden. Ist die Notwendigkeit, alle Diensttauglichen auszu bilden, klar und kann das aus finanziellen Gründen bei drei jähriger oder gemischt zwei- und dreijähriger Dienstzeit, wie sie bisher bestand, nicht geschehen, so folgt daraus, daß mit schlichter Notwendigkeit für den größten Teil der Armee die zweijährige Dienstzeit angenommen werden muß. Davor zurückschrecken könnte man nur, wenn jemand überzeugend nachwiese, daß eine zweijährige Dienstzeit absolut ungenügend für die soldatische Ausbildung sei. Dieser Beweis wird schwerlich erbracht werden, da ja heute schon mehr als die Hälfte aller Mannschaften der Infanterie nur zwei Jahre dient. Darüber, ob die Anwesen heit einer Anzahl von Leuten, die wider ihren Wunsch und Willen ein drittes Dienstjahr in einer Kompagnie festgehalten werden, für deren Tüchtigkeit wichtig ist oder nicht, ist schwer zu streiten. Es kommt dabei viel auf persönliche Ansicht und besondere Erfahrung an. — Nimmt man aber auch an, daß die Truppe durch Fehlen der Dreijährigen etwas verlöre, so!W. wird dies Minder doch niemals das Mehr an Zahl aufwiegen, Jahrgänge legen und die Landwehr entlasten und schonen, das wir dafür eingeheimst haben. Von einem allgemeinen Ge-! Nach der Reichsverfassung ist jeder wehrfähige Deutsche militär- sichtspunkt aus muß man also unbedingt für Herabsetzung der pflichtig. Jetzt aber müssen wir alljährlich mindestens 60000 Dienstzeit und Vermehrung der Zahl stimmen. Dieser allge- diensttaugliche junge Männer als überzählig freilassen, und im meine Gesichtspunkt aber ist dadurch gegeben, daß es sich jetzt Kriegsfall bleiben diese zu Hunderttausenden daheim, während um unsere gesamte Machtstellung uns die Zukunft Deutsch-! die Landwehrmänner, die Familienväter und Steuerzahler, das lands überhaupt handelt. Wir dürfen es nicht dulden, daß! Werthvollste was wir an Menschenmaterial besitzen, sofort an ohne darum bitten und sich die unvermeidlichen Ungleichheiten E.,.. — oei Ausbruch des Krieges von 1870, Wir dürfen es nicht der j-tzigen Einrichtung gefallen lassen zu müssen. Noch weil O. Reichert-Niederbobritzsch, Bruno Ohmann-Grumbach und o
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