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Zweites Blatt. UchmM für MMff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne 10 Pf. ThmM, NOn. Äkbmlchn md die Umgegtndtn. * Imtsölatl Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionsvreiS 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. ' -«»III MW« n» WWI I III»i m für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 47. Dienstag, den 13. Juni 18S3. Chevalier Clement. Roman von Theodor Mügge. "achocuck o -b ieli (Fortsetzung.) Jetzt, als er wieder herein trat, war diese Unterthänigkeit aus seinen Mienen verschwunden, dagegen lagerte sich eine un verkennbare Genugthuung darin. Der König hatte ihn mit einem besondern Auftrag beehrt, er sollte ein wichtiges, heim liches Geschäft ausrichten, einen Chevalier und Diplomaten, der beim Utrechter Friedenscongreß thätig gewesen, in sein Haus aufnehmen und verbergen. Welcher Reiz für seine Eitelkeit. Ehe er aber etwas Anderes that, wendew er sich an mich und schleuderte mir einen seiner imperatorischen Blicke zu. Wenn er vertraulich und gut gelaunt war, nannte er mich „Du," sobald ich jhm aber irgend welche Ursache gegeben hatte unzufrieden zu sein, oder auch wenn er überhaupt mißgestimmt seine würdevolle Miene annahm, wurde ich in der dritten und unbestimmten Person mit „man" angeredet. Ich wußte somit sofort, wie es stand, als er begann: Warum hat man mir nicht gesagt, daß mein Mützchen unter der Perrücke hervorsah, daß Se. Majestät es draußen bemerken und mich reprimandiren mußten? fragte er mich. Es gab keine Gelegenheit dazu, versetzte ich. Es sah aller dings merkwürdig lustig aus. Man lache noch obenein! rief er empört, da er mich lachen sah, obwohl er das Mützchen schon beseitigt und in die Tasche gesteckt hatte. Weiß man nicht, daß es im Sprüchwort heißt, am vielen Lachen erkennt man den Narren? Aber man hat überhaupt keine Conduite, sonst würde man sich in diesem Ne gotium sicherlich anders benommen haben. Ich werde es künftig besser machen, erwiderte ich bescheiden. Man thue eS und zögere nicht damit, fuhr er fort. Was Se. Majestät befohlen haben, führe man mit Sorgfalt aus. Es darf nichts verabsäumt werden, das merke man sich; auch benehme man sich nie mehr so, daß Se. Majestät darüber ein Aergerniß empfinden könnten. Er soll nicht wieder zu mir sagen: Packe Sie sich hinaus! denn ich werde ihm so weit aus dem Wege gehen, wie ich immer kann, versetzte ich. Gustav-Adolf-Stiftung. Während der Monate Juni und Juli feiern die meisten Gustav-Adolf-Vereine ihre Jahresversammlungen und Jahres feste. Deshalb sei auch an dieser Stelle das außerordentliche Ereignis mitgeteilt, worüber der neueste Jahresbericht des Dresdner Hauptvereins mitberichtet: Die am 29. Mai 1892 in Dresden Heimgegangene Frau verwittwete Assessor Amanda Schuster geb. Hempel hat testamentarisch den Dresdner Haupt verein der Gustav-Adolf-Stiftung in der Art zu ihrem Uni versalerben eingesetzt, daß derselbe ihr nack Auszahlung der be stimmten Legate verbleibendes Vermögen als „Amanda-Schuster- Hempel-Stiftung" verwalte und für Zwecke des Gustav-Adolf- Werkes verwende. Diese Stiftung beläuft sich nach Abzug aller Legate, Spesen rc. nach dem Nominalwerth auf 267 938 Mark. Wir rufen der Vollendeten, die schon während ihres Lebens seit langen Jahren unsre Vereinsbestrebungen mit dem regsten Eifer und der größten Treue verfolgte und insbesondere manchem Pflegekind unseres Vereins schon lange eine bewährte Wohlthäterin war, für diesen neuen großartigen Liebesbeweis den wärmsten, innigsten Dank in die Ewigkeit nach. Segen der Gustav-Adslf-Vereins. Ein Senfkorn, klein nur im Beginne, Wuchs eö zum lebensfrischen Baum, Viel Tausend suchten, eins im Sinne, Bald unter seinen Zweigen Naum. Schon reiche Frucht hat er getragen Der glaubenstreuen Christenheit, Und tausend ferne Brüder sagen Gott Dank, durch Bruderhilf' erfreut. Allen, die seit manchen Jahren Treue Kampfgenossen waren Ruf ich heut „zur Fahnenwacht." Allen, die in Gottesfrieden Sind von uns dahingeschieden Eine herzlich „gute Nacht." Aber Allen, die noch leben, Tapfer kämpfen, mutig sterben Sei ein „Dankesgruß" gebracht. Er schüttelte den Kopf so stark, daß sämmtliche Locken an der großen Perrücke darüber in Bewegung geriethen, sagte jedoch nichts weiter, sondern wandte sich an den Major. Wußtet Ihr denn etwas davon, mein lieber Herr von Dumoulin, fragte er, daß der König von Potsdam gekommen sei? Ich hatte nichts davon gehört, obwohl ich zur Parole bei j dem Fürsten von Dessau war. Wie es scheint, ist der König! herüber gekommen der Sache wegen, welche ihr» so stark zu be- schäftigen scheint, daß er selbst Ihnen den Paß für diesen Clement oder wie er sonst heißt, brachte. Eine remarkable Geschichte, eine Art Miraculum! rief mein Onkel, wohlgefällig lächelnd. Wie verhält es sich damit? fragte der Major. Mein Onkel zuckte mir geheimnißvoller Miene die Schultern. Ich weiß nichts, sagte er, als daß ich vor drei Tagen einen Brief aus Dresden erhielt, unterzeichnet Chevalier Johann von Clement, in welchem, wie Ihr gehört habt, ich dringend ge beten wurde, dem Könige die Einlage zu übergeben, welche sich darin befand. Der Schreiber wendete sich an mich des vielen Guten wegen, was er in seinem Vaterlande Ungarn von mir ver nommen, daher er die Gewißheit habe, daß ich auch seine Bitte erfüllen werde. . , . Und nun läßt ihn der König kommen, sagte der Maior nachdenkend. Wahrscheinlich handelt es sich um politische Geschichten. Es muß wichtig sein, was in dem Briefe gestanden hat, und dieser Herr Baron oder Chevalier muß ein sehr estimabler Herr sein, versetzte mein Onkel. . Was geht'ö mich an, rief der Maior, den diese vorgefaßte Meinung zu verdrießen schien. Mein Auftrag ist, ihn hierher zu geleiten, weiter nichts. Er nahm nun Abrede mit meinem Onkel, ihn zu benach richtigen, sobald er Nachricht aus Dresden über die Abreise des Fremden empfangen habe, und nach einiger Zeit empfahl er sich, ohne die Aufforderung länger zu verweilen, anzunehmen. Seine gewöhnliche gute Laune hatte ihn verlassen, und meine spitzigen Worte waren nicht im Stande jene zurückzubringen und ihn anderen Sinnes zu machen. Förmlicher und ernst hafter, als es sonst der Fall, ging er fort, und mir blieb nichts übrig, als mich ebenso zu benehmen, während ich mich heimlich über etwas freute, was ich mir doch nicht laut zu sagen wagte. Mein Onkel setzte nun seine Strafpredigt fort, und diese verlängerte sich durch meine Antworten, welche er für unpassend und vernunftslos erklärte. Nachdem er mir alle Devotionen vor Sr. Majestät Winken eingeschärft hatte, welche er selbst empfand, und mir aufs Strengste geboten hatte, gegen Jedermann zu schweigen, wenn ich nicht Zeit meines Lebens unglücklich sein wolle, gab er an, wie die Aufnahme und Unterbringung des Gasteserfolgen sollte. Er war von diesem sichtlich eingenommen, sowobl weil der König io viel Antheil an ihm nahm, wie durch die Schmeicheleien, welche der Chevalier an ihn geschrieben hatte. Mein eigenes Zimmer, das nach dem kleinen Garten hinausging, auch zwei Ausgangsthüren hatte und eine Art Ver steck in einer Nische hinter der Tapete, aus welcher man auf den Corridor gelangen konnte, sollte ich abtreten, das Mittag essen sollte um ein Gericht vermehrt, ein prächtiges Himmelbett ausgestellt werden und der vornehme Gast die besten Möbel im Hause erhalten. Mein Onkel war sparsam und liebte das Geld ebenso sehr wie sein verehrter König, aber er aß auch gern gut. Die Aus sicht auf eine besser besetzte Tafel, zu welcher er jetzt Grund hatte, machte ihm daher Vergnügen. Wie sein allergnädigster Herr, besaß er aber auch die löbliche Eigenschaft, am liebsten fein zu speisen, wenn es ihm nichts kostete, und niemals war er bei besserer Laune, als wenn der hochangesehene Minister und General von Grumbkow ihn zu Essen einlud, der als erster Feinschmecker im Lande galt und einen berühmten französischen Koch hielt, der mehr Gehalt von ihm bekam, als mein Onkel vom Könige. Wer aber, herzallerliebster Herr Ohm, wird Ihnen dann die vielen Kosten für alle die Ausgaben ersetzen? fragte ich, als er inne hielt mit seinen Befehlen. Er sah nachdenklich aus, denn daß vom Könige Alles eher zu bekommen war als Geld, wußte er aus eigener Er fahrung zu gut. > Also würde ich mich hüten, fuhr ich fort, um eine Person, die !mich gar nichts angeht, so viele Umstände zu machen. Hier schoß mein Onkel auf mich los, ergriff mich beim Arm und stierte mich mit wahrem Entsetzen an. Bist du vom Satan besessen, Mädchen, rief er mit hohler unterdrückter Stimme, willst Du an den Pranger gebracht werden für dein.r vermessenen lästerlichen Reden? — Dann richtete er sich omf, nahm seine Jmperatormiene wieder an und fuhr fort: Man schweige und gehorche! Ich will kein unvernünftiges Benehmen länger in meinem Hause dulden. Ich gehe, den Brief zu schreiben, man unterstehe sich nicht noch einen Muck zu thun! 2. Niemals vergeht die Zeit langsamer, als wenn sie uns etwas bringen soll) das wir voller Neugier erwarten; so ging es mir mit diesem Herrn Clement, der uns in solche Erregung versetzte. Ich hätte kein Mädchen sein müssen, um theilnahm- loö zu bleiben, besonders als am folgenden Tage der Geheime- rath von Bieberstein zu uns kam und die vortheilhastesten Schilderungen von ihm entwarf, nach denen er ein wahres Wunder von Geist und Liebenswürdigkeit sein mußte. Dazu kam neue heimliche Lust an den Leiden des Majors, welche ich gehörig zu vermehren dachte. Major Dumoulin war mit meinem Onkel befreundet, noch ehe mich dieser zu sich nahm, und besuchte ihn zuweilen. Seit ich in dem Hause, kam er jedoch öfter, und es hatte sich zwischen uns eine Bekanntschaft entspannen, welche die eigenthümliche Grundlage besaß, daß wir nicht fünf Minuten ohne Streik beisammen sein konnten. Der Major war ein übermüthiger junger Herr, zu lustigen Worten wie zu lustigen Streichen immer bereit; allein er war nicht so roh und un wissend wie die der meisten damaligen Offiziere, sondern hatte durch seine Mutter, eine Dame der geistreichen Königin Sophie Charlotte, Erziehung und Bildung erhalten. Da er tapfer trinken, rauchen und spielen konnte und unter den Wölfen prächtig zu heulen verstand, bewahrte er sich vor dem Spott, der die gelehrten Offiziere traf, allein seine Kenntnisse brachten ihn in den Stab des Königs, und der Fürst von Dessau hielt besonders große Stücke auf ihn. Seine Tapferkeit beim Sturm auf die Stralsunder Schanzen und bei der Eroberung der Insel Rügen bewirkten vor zwei Jahren schon seine Ernennung zum Major. Wahrscheinlich glaubte er zu Anfang unserer Be kanntschaft, mit mir seinen Spaß treiben zu können, als mit einem einfältigen Landmädchen, allein ich ließ mir nichts ge fallen, gab ihm seine losen Worte, ohne Umstände zu machen, zurück, und daher führten wir einen Krieg, bei dem wir uns beide wohl befanden und unter der Hand immer bessere Freunde wurden. Ich merkte es gut genug, daß seine Zuneigung sich vermehrte, und wenn ein paar Tage vergingen, ohne daß er sich blicken ließ, war ich voller Unruhe, wenn ich es auch nie mals eingestand, sobald er kam, vielmehr so that, als hätte ich gar nicht bemerkt, daß er fortgeblieben sei. Jetzt aber verging beinahe eine volle Woche, in welcher Dumoulin sich nicht fehen ließ, und dies war die Ursache, weshalb meine Sehnsucht nach dem liebenswürdigen Chevalier Clement sich noch weit höher steigerte. Mein Onkel hatte so gleich nach des Königs Befehl geschrieben und den Paß fort geschickt, allein ein Brief nach Dresden brauchte damals mehr als vier volle Tage; sobald die Antwort einlief, mußte Dumoulin benachrichtigt werden. Endlich am sechsten langte ein Schreiben an, ich brachte es selbst meinem Oheim in sein Studirzimmer und bewunderte die Zierlichkeit der Aufschrift, die sauberen gleich mäßigen, wie gemalten Buchstaben. Der Brief war mit einem großen behelmten Wappen geschlossen, und als mein Onkel ihn öffnete, blieb ich bei ihm stehen, und meine Augen hingen an seinen Lippen. Da haben wir es! rief er. Also Alles in Richtigkeit. Was schreibt er? fragte ich. Er legte den Brief verkehrt auf seinen Tisch und maß mich würdevoll. Man ist unziemlich neugierig, sagte er, und kümmert sich um ungelegte Eier, statt sich mit den gelegten zu beschäftigen. Man gehe jetzt und sage dem Gvtttfried, er solle sich bereit machen, sogleich ein Billet an den Major Dumoulin zu tragen. Mein Aergerniß verwandelte sich in Freudigkeit, denn ich wußte jetzt Alles, der Major sollte kommen, alles Uebrige war mir weit mehr gleichgültig; auch dauerte es keine halbe Stunde, so setzte der alte Diener sich in Bewegung, und ich paßte so gut auf, daß ich ihn richtig abfing, als er zurückkehrte. Was hat der Major gesagt? frM- ich ihn mit voller Sicherheit. Eö steht Alles hier antwortete Gottfried in ¬ dem er ein Schreiben ausDDnem Rocke hervorzog. Gebe er nur her, sagte ich, er hat doch den Herrn Major selbst gesprochen? Ja wohl, verletzte er, ich war in seiner Stube. X Also - er ist doch nicht krank? Gesund wie ein Fisch, lachte Gottfried. Und — nun weiter hat der Major nichts gesagt? Nicht ein Wort hat er gesagt. Ich war sehr gekränkt. Nicht einmal gefragt hatte er nach mir, nicht einmal einen Gruß bestellen lassen. So wenig also