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Der Pfarrer dankte erfreut, we'l der arme Mensch nun ruhig sterben und die Qual nicht mit hinübernehmen werde, den Namen seines Vaters mit einer solchen Schmach be laden zu haben. In der That erlebte Theobald Krause noch diese Genug- thuung, da die Bewohner schon am nächsten Morgen schwarz auf weiß die amtliche Bescheinung erhielten, daß, wenn auch der wirkliche Mörder der Geschwister Kitt noch nicht entdeckt worden sei, das Gericht doch die unumstößlichen Beweise von der Unschuld des verhafteten Krause besitze und er demnach so fort auf freien Fuß gesetzt würde, falls seine schwere Erkrankung solches gestatte. Es wurde dann noch hinzugefügt, daß durch sie Entschlossenheit des unschuldig Verhafteten ein wichtiges Dokument gerettet worden, welches vor sieben oder acht Jahren auf unerklärliche Weise verloren gegangen sei. Als Justizrath Horn dem sterbenden Krause dieses gerichtliche Ehrenzeugniß vorlas, da leuchteten seine Augen in einem verklärten Glanze und leise betete er: „Herr, mein Gott, bas ist das Zeichen Deiner Gnade, — nun sterbe ich getröstet." „Na, alter Freund", sagte der Notar mit bewegter Stimme, dann will ich für dieses Leben Abschied von Ihnen nehmen. Wenns Ihnen Freude macht, sollen Sie auch noch wissen, daß ich für Ihre letzte anständige Fahrt sorgen und Ihnen bas Ge leite bis zur Ruhestätte geben werde." Krause drückte ihm krampfhaft die Hand uyd seine Augen sprachen innigen Dank. „Herr Justizrath", sagte er mühsam, „Gott vergelt es Ihnen. Einen Menschen glaubte ich übers Grab hinaus hassen zu müssen, — Sie kennen ihn —" „Ich kenne Ihre Geschichte, weiß, wen Sie meinen, lieber Krause!" „Bringen Sie ihm meine Vergebung, vielleicht kann er Sie für die letzte Stunde brauchen, — dann kommen alle Ankläger, — dann bedarf man viel Vergebung." Der Justizath versprach es ihm und ging dann schleunigst fort, weil er sich nicht gern von weichen Gefühlen überraschen ließ. In der folgenden Nacht ging Theobald Krause zur ewigen Ruhe ein. Sechsundzwanzigstes Kapitel. Der neue Schwager. Mit der Herrlichkeit unseres alten Bekannten Alois Büttner, der sich so pfiffig in die Familie des Rechtsanwalts Rehfeldt eingeschmuggelt hatte, schien es, als er von seiner Reise mit dem Freiherrn von Gräfenreuth von Schloß Reuth zurückge kehrt war, ein rasches Ende genommen zu haben, da sein Freund ihn sehr kühl und zurückhaltend empfing. Herr Alois witterte Morgenluft, ließ jedoch Nichts merken, sondern plauderte recht behaglich über einen Ausfluz, den er mittlerweile mit einem Bekannten, welchen er zufällig auf dem Bahnhof getroffen, unternommen hatte. „Wir dehnten ihn bis Falkenhagen aus und trafen dort den Freiherrn von Gräfenreuth, welcher sich meiner sofort er innerte und so liebenswürdig war, uns zu einem kleinen Imbiß und zu einer Cigarre einzuladen." „Wann war das?" fragte Rehfeldt rasch. „Vorgestern, — dies Falkenhagen ist eine prachtvolle Be sitzung, der Freiherr — oder gehörts seinem Sohne?" „Lieber Himmel, beiden, — in wenigen Tagen ist der Sohn mündig, er wird aber wohl an Schloß Reuth sich genügen lassen." Dr. Rehfeldt lächelte diabolisch bei diesen Worten. „Möglich, daß er Falkenhagen abtreten muß", bemerkte Büttner langsam. „Freilich, der Freiherr wirthschaftet schlecht," erwiderte der Doktor aufhorchend, „hat et sich Ihnen gegenüber darüber ausgelassen?" „Nein, es soll aber noch ein Testament des verstorbenen Grafen Odenstein existiren." „Ach, das ist ein altes Märchen, mein Lieber", rief Reh feldt spöttisch lachend. „Und wenn auch, das hätte jetzt doch keinen Sinn mehr. Seitdem der junge Graf todt ist, existiren nur die beiden Gräfenreuths als echte Erben." „Sie irren sich, Doktor!" sagte Büttner gelassen, die beiden Gräfenreuths sind in dem Odensteinschen Testament voll ständig bei Seite geschoben. „Bei einem frühen Tode des jungen Grafen ist eine andere Erbin eingesetzt." Rehfeldt sah ihn verwundert an und lachte dann belustigt. „Sie sind ein rechter Komiker, Freund Büttner!" sprach er mit einer so wegwerfenden Betonung, daß des Schauspielers feines Ohr sofort die schlimme Thatsache seiner Demas- kirung heraushörte. „Warte", dachte er lächelnd, „ich will Dir einen Floh ins Ohr setzen, der Dir die Antwartschaft auf Falkenhagen ein wenig verbittern soll." „Allerdings mag meine Behauptung komisch klingen", sagte er, „Sie werden jedoch ernster darüber denken, wenn ich Ihnen eine Abschrift dieses Testaments, welche der Zufall mir in die Hand gespielt hat, vorlege." „Darauf wäre ich in der That neugierig," erwiderte Reh feldt etwas betroffen. Büttner zog seine elegante Brieftasche hervor, blätterte darin umher, bei welcher Gelegenheit die Banknoten von dem Verwalter Asmus sehr passend sich präsentirten, und nahm ein zerknülltes Papier heraus, das er, die Brieftasche neben sich auf einen Tisch legend, auseinander breitete. „Ich sagte, daß den Zufall es mir in die Hand gespielt habe, und das kam so," begann er mit einer humoristischen Miene. „Der Freiherr von Gräfenreuth wollte nämlich noch am selben Abend, als wir, mein Freund und ich seine Gäste in Falkenhagen waren, verreisen, ich glaube nach Heidelberg, vielleicht auch nach Monte Carlo, wer kanns wissen. Wir fuhren mit ihm nach dem Bahnhof. Unterwegs suchte er in allen Taschen nach einem Papier, das er bereits im Schlosse vermißt haben wollte. Er war sehr unruhig und fragte die Beamten auf dem Bahnhof, ob man nicht in einem Kupee erster Klasse ein zerknülltes Papier entdeckt habe, weil er es auf der Herfahrt verloren zu haben glaubte. Die Züge müßten auf diesem Knotenpunkte öfters warten, erklärte er uns, und di^ Kupees würden deßhalb nachgesehen. Doch keiner wollte etwas gefunden haben. Als der Zug mit ihm abfuhr, lag dieses Papier zu meinen Füßen." Als Dr. Rehfeldt die Hand darnach ausstreckte, zog Büttner es zurück. „Sie erlauben wohl, daß ich es Ihnen vorlese,Z lieber Freund!" sagte er mit! einem liebenswürdigen Lächeln, „daS Papier hat einigen Werth für mich." Er las mit halblauter Stimme die uns bekannte Abschrift des Odensteinschen Testaments. „Werth besitzt dieser Wisch' durchaus nicht," bemerkte Reh feldt, als Büttner geendet hatte. Im Innern aber war er sehr unruhig geworden, der Gedanke, wie der Freiherr zu dieser Abschrift gekommen sei, hatte etwas Erschreckendes für ihn. Weßhalb hatte er ihm nichts davon mitgetheilt? Wo war das echte Testament? „Gleichviel, ich werde es dem Gerichte einliefern, damit nach dem wirklichen Testamente geforscht werde. Halte es so gar für meine Pflicht." Mit diesen Worten wollte Büttner die Abschrift wieder in seine Brieftasche legen. „Lassen Sie das Ding doch mal sehen, lieber Büttner!" sagte Rehfeld, seinen Arm festhaltend, „ich stehle es Ihnen ja nicht. Hm," fuhr er fort, die Schrift, welche Büttner in der Hand behielt, überfliegend, „das hat wohl ein Frauenzimmer geschrieben, die Schrift kommt mir bekannt vor. Warten Sie einmal." Er trat von seinem Aktenschrank, nahm ein Bündel Papiere heraus und zog einen Brief hervor. Mit der Adresse desselben verglich er die Handschrift des Testaments. „Hm, allerdings ähnlich, habe mich aber doch geirrt," sagte er, die Akten sammt dem Briefe wieder verschließend. „Soll ich Ihnen etwas sagen Freund Büttner? Lassen Sie mir das Papier. Ich bin Ihnen wieder gefällig. Es wäre ein Schwabenstreich, das Gericht zu alarmiren und könnte Ihnen später leid thun. Das Papier gehört dem Freiherrn von Gräfenreuth —" „Dem es sicherlich von dritter Hand zum Kauf angeboten worden ist," fiel Büttner mit scharfer Logik ein, „vielleicht be findet er sich schon im Besitz des Testaments und hat nun leichtsinniger Weise die Abschrift verloren." Machen Sie doch keinen Roman daraus," rief Rehfeldt, gezwungen lachend. „Der Wisch ist in der That nichts werth, Gott weiß, was Sie für Scherereien davon hätten. Es würde mir Spaß machen, den geizigen Sohn des Frciherrn damit in Aufruhr zu bringen." „Recht edelmüthig von Ihnen, Doktor! — Doch, Scherz bei Seite, Sie sollen dieses Papier gegen eine Bedingung haben." „Nun?" fragte Rehfeldt gespannt. „Legen Sie ein gutes Wort für mich ein bei Ihrer Schwester, meiner einstigen Flamme." (Fortsetzung folgt.) Ein junger, kräftiger Mensch, welcher Lust hat, das Zimmerer - Handwerk zu erlernen und die Fortbildungsschule nicht mehr besucht kann eintreten bei kür! igv , Löbtau, Jnnungsmeister.