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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Ämt 8 ütatt für das Königl. Verichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den 5. Nlai l865. 18. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vierteljahrgang betrügt IV Ngr. und ist jedesmal vorauszubczahlen. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in Ler Redaktion), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bi« längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, elwatg« Beiträge, welche ter Tendenz des Blatte« entsprechen, mir großem Dankt angenommen, nach Befinden honorirt. Redaktion. Umschau. Das größte Aufsehen macht noch immer die Ermordung des amerikanischen Präsidenten Lincoln. Die nichtswürdige That geschah im Theater zu Washington. Der Mörder erhielt Zugang zu der Loge des Präsidenten, da er vorgab, eine Depesche vom General Grant zu überbringen. Kaum in die Loge eingetreten, feuerte er seinen Revolver ab und schoß durch den Hinterkopf des Präsidenten, daß dieser sogleich niedersank. Der Mörder sprang auf die Bühne, schwang einen Dolch und rief: Lio semper txrsnnis, d. h. so muß es immer den Ty rannen ergehen und verschwand. Niemand wagte Hand anzulegen. Bor dem Theater stand ein Pferd bereit, auf dem er entfloh. Die Gebrüder Booth, welche man als Mörder bezeichnet, sollen Schau spieler sein und aus England stammen. Wilkes Booth spielte zuletzt in Mobile, wo er der Liebling des Publikums war. Mit dem Befinden des Mi nisters Seward geht es besser, man glaubt, daß er mit dem Leben davon kommen werde. Dagegen liegt der Sohn desselben hoffnungslos darnieder. Der jetzige Präsident Andreas Johnson soll sein Amt würdig angetreten haben. Für den Minister Seward ist ein anderer geeigneter Staatsmann ein getreten. Sonst soll das Cabinet keine Aenderung erfahren. Auf die Entdeckung der Mörder sind 10,000 Dollars gesetzt. — Fast sämmtliche europäische Regierungen haben sich beeilt, den Gesandtschaften der Union ihre Theilnahme und ihren Abscheu über das Verbrechen in möglichst warmen Ausdrücken auszusprechen und auch die Volksvertretungen, welche gerade versam melt sind, und das Publicum im Allgemeinen haben an mehreren Orten an diesen Bezeigungen einer schmerzlichen Sympathie Antheil genommen. In Berlin sind jedoch, als die Mehrzahl des Abge, ordnetenbauseS sich zum Zeichen der Theilnahme erhob, die Conservatwen sitzen geblieben, und in einigen anderen Staaten, wie in England, hat an der Beflissenheit jener Kundgebungen wohl auch der Respecr, um nicht zu sagen, die Furcht vor der neuverjüngten Macht Amerikas, so wie das Be wußtsein, von den Amerikanern mehr Haß als Freundschaft verdient zu haben, einigen Antheil gehabt. — Der neue Präsident, Johnson, von Profession ein Schneider, der erst als Geselle lesen und noch später von seiner Frau schreibe» gelernt hat, wird höchst wahrscheinlich schärfer gegen die Südlichen austreten, als Lincoln. Wenigstens kann man das aus seinen frühern Reden schließen. So sprach er, als die Nachricht von der Einnahme Richmonds nach Washington gelangte: Meiner Meinung nach mutz der Verratb abschreckend gemacht werben, die Verräther müssen die Folgen ihrer Thaten ernten; sie sollen verarmen, ihre sociale Macht muß gebro chen werden. Jene Männer im Felde sind nicht die größten Verräther. Diejenigen find es von denen fie ermuntert wurden, ihr Leben zu wagen, während fie selbst zu Hause blieben, bas Geld ver schwendeten und alle ihre Kräsle anstrengten, unsere Regierung zu stürzen. Darum sage ich: „Den Strick den intelligenten einflußreichen Verrätbern." Aber den ehrlichen Burschen, den verirrten Mann, der in die Reihen der Rebellen gelockt wurde, möchte ich milde behandeln. Ich würde ihm sagen: Kehre zu deiner Pflicht zurück, sei wieder eine Stütze der Regierung und werde ein guter Bürger. Ich halte aber dafür, daß die reichen Verrätber gezwungen werden sollten, diejenigen zu entschädigen, die in