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162 Gut und Blut opfern soll? Mit diesen Regierungs- grundsätzen will er auch jetzt noch die Begeisterung de» preußischen Volk« erwecken! Das Volk soll auch jetzt noch glauben, daß er mit diesen Regie- rungSsätzen den weltgeschichtlichen Berus Preußens ausführen werde! Eher konnte er die Sonne vom Himmel holen und sie aus der berliner Schloßka- pelle befestigen. Ueber die Vertheilung der preußischen Truppen wird Folgendes berichtet: Es sollen 4 Armeen ge bildet werden, und zwar wird die erste Armee, be stehend aus dem 7. und 8. Armeccorps nebst west- pbalischer und rheinischer Landwehr, bei Wetzlar ein Lager beziehen, wie es heißt, zum Schutz der Rheinlande gegen die süddeutschen Contingente, welche sich bei Bamberg versammeln. Die zweite Armee, formirt aus dem 4, Cvrps und Landwehrinsantcrie und Eavalerie des 1., 2. und 4. CorpS, wird bei Erfurt Stellung nehmen, um sowohl die Provinz Sachsen zu schützen, als eventuell mit der ersten Armee zu cooperircn, wobei die Eisenbahn über Kassel für besonders wichtig erachtet wird. Die dritte Armee, Garde und drei Armeecorps, soll vor läufig bei Berlin und Frankfurt verbleiben, um die Hauptstadt zu decken, resp. zur Hauptarmee in Schlesien zu rücken. Die Hauptarmee, 5., 6., 1. und 2. Armeccorps, wird zwischen Neisse und Glei- witz versammelt; sie soll Schlesien schützen, welches durch die österreichischen Truppenanhäufungcn bei Olmütz zunächst bedroht ist. Im Nothfalle würde das 3. und Gardecorpö per Eisenbahn ebcndorthin befördert werden können. Die Armeen sollen ge führt werden von dem Kronprinzen, dem Prinzen Friedrich Karl, dem Herzog von Koburg und dem Großherzog von Mecklenburg. Die Truppen haben ihre Märsche und Eisenbahnfahrten bereits angetre ten, bis zum 16. Juni <?) sollen sich die Corps in ihren Stellungen befinden." Dagegen wird be hauptet, daß der König, von den Prinzen, Bis marck, dem Kriegöminister und einer großen An zahl hoher Persönlichkeiten begleitet, bereit sei, zum Hauptquartier abzureisen. Demnach würden die Rüstungen und Aufstellungen nahezu vollendet sein. — Die Donaufürstenthümer, Moldau und Wal» lachei, haben den Prinzen Karl von Hohenzollern zum Fürsten erwählt. Derselbe ist am 22. Mai in Bukarest eingetroffen; an der Stadtgrenze wurde ihm Brod und Salz zum Willkommen entgegenge bracht. Rußland und die Türkei wollen aber die Einsetzung eines Fremden nicht leiden. Beide Reiche haben Armeen in die Moldau einrücken lassen. — In Dresden hat sich unter dem Protectorate der Kronprinzessin ein Damencomits gebildet zur Unterstützung hilfsbedürftiger Familien von cinge- zogenen Kriegsreservisten. In Chemnitz haben die Sammlungen zu gleichem Zweck bereits begonnen. ES wäre zu wünschen, daß sich überall Leute fän den, die die Sache in die Hand nehmen. Bei längerer Abwesenheit der Ernährer kann es nicht ausbletben, daß die Familien der Reservisten in die bitterste Noth gerathen. — Der Schneidergeselle Künschner in Leipzig ist des Mordes an Kaufmann Markert schuldig befun den und zum Tode verurtheilt worben. Bei Ver kündigung des Urtheils veränderte sich der starre Ausdruck seine» Gesichts dann doch gewaltig. — Die Kälte der letzten Tage, besonders in der Nacht vom 18. znm 19., hat in ganz Deutschland ungeheuren Schaden angerichtet, im Süden noch mehr, als bei uns, weil die Vegetation viel weiter vorgerückt war. Gurken, Bohnen, Erbsen, Wein, Kirschen, Aepsel, Pflaumen, Kartoffeln haben alle mehr oder weniger gelitten, das Laub der Eichen, Eschen» Nußbäume und sogar der Linden ist ver nichtet. Die ersten Kleeköpfchen hängen verwelkt herab. — Locales. Der 39 Jahr alte Schmiedemeister und Schank- wirthschastSbefitzer Friedrich August Schumann zu Steinbach bei Neukirchen, verheirathet und Vater von 7 Kindern, ist am vorigen Freitage aus seiner Wohnung gegangen, jedenfalls um im Triebisch- bache zu fischen, eS muß ihm irgend ein Unfall zu gestoßen sein, denn am 1. Pfingstseiertage ist er leblos im Wasser aufgefunden worden. — Maria Lilm. Eine einfache Geschichte von Karl Neumaun-Strcla. (Fortsetzung.) Was hatte denn Maria, daß sie so mit einem Male die Genossen über die Achseln ansah, sich fern hielt von Tanz und Spiel, nur mit den Försters- leuten von da drüben gut that und selbst für die Bewerbungen des schmucken und reichen Wilhelm kein Auge hatte? Was mit ihr war? Was vorge gangen? Sonderbar genug, wie ein böser Zauber war's plötzlich über sie gekommen, ein Besserdünken hatte sich ihrer Sinne, all' ihrer Gedanken bemäch tigt, ihr war, als sei sie aus edlerem Stoffe und wie ein Besonderes unter Denen anzusehen, welche der Vocurtheile voll an der Scholle klebten. Woher das gekommen, ob's die Jagersleute verschuldet mit ihrem Geplauder von dem Leben in Saus und Braus da drüben, ob die listige Nixe des Meeres der wie umgewandelten Tochter das angethan? Vater Lilm dachte hin und her und trachtete nach Klarheit für sich und sein Kind. Es müsse anders werden und der Wilhelm, der ja oft mit dem Alten darüber geredet, die Maria in sein Haus führen, und Vernunft müsse sie annehmen und ihrer Zu kunft eingedenk sein. So wäre sie versorgt und geborgen. Er wolle mit ihr reden, eindringlich und ausführlich, und der Wilhelm solle es auch und dann: „Nun, nun, im Grunde ist sie ein gutes, braves Mädchen", tröstete sich Lilm, „das Einsicht haben wird zu rechter Zeit,"