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146 hat zu Ende der Woche die ganze Armee von Me mel bis Aachen mobil, von Oestreich heißt es, daß allein 400000 Mann Infanterie aus Marschbefehl warteten. In Sachsen wird auch die ganze Armee auf Kriegsfuß gebracht, und täglich trifft eine An zahl Reservisten in Dresden ein, — Als am 7. Graf v. Bismarck von einem Vortrag beim König zurückkehrte, wurden unter den Linden aus unmittelbarer Nahe 2 Schöffe aus ei nem Revolver auf ibn abgefeuert. Der Minister ergriff sofort den Thater, wobei dieser aber Zeit behicll, noch zwei Mal zu feuern. Doch soll nur eine Kugel durch die Kleider gedrungen sein und auch diese so schwach, daß sie nur eine Contusion hervorbrachte. Der Mörder wurde einigen Sol daten übergeben, gebunden und zum Verhör ge führt. Er nannte sich Karl Blind, ist 22 Jahr alt, Student der Lanvwirthschast aus der Academie Hohenheim in Würlemberg und soll ein Sohn des badischen Flüchtlings Blind sein, der in London lebt. Vor dem Untersuchungsrichter zog er sein Taschentuch hervor, um, wie es schien, sich den Schweiß abzutrocknen; aber blitzschnell ergriff er ein im Luche verborgen gehaltenes Messer und schnitt sich in den Hals. Obwohl die Lerzte die Verwundung nicht für tödtlich erklärten und der junge Mann in die Zwangsjacke gesteckt wurde, so starb er doch am andern Morgen. Die Lheil- nahme für Herrn ». Bismarck in Len hühern Krei sen war außerordentlich; der König stattete ihn so fort einen Besuch ab. — Sachsen steht in großer Gefahr, der Haupt schauplatz des Krieges zu werben. Die Preußen beschuldigen den Minister v. Beust, ihr rührigster Gegner zu sein und mit Oesterreich heimliche Ver abredungen getroffen zu haben, (Ein Wiener Ge rücht befördert ihn zum Minister Oesterreichs.) Aus Bismarcks Drohungen hat Beust geantwortet, Sach sen habe rüsten müssen 1) um dem ersten Ruse des Bundes folgen zu können und 2) um seiner eigenen Sicherheit willen; denn trotz aller Bemü hung habe es von keiner Seite (d, h. weder von Preußen, noch Oesterreich), die Zusicherung erhalten können, im Falle des Krieges respectirt zu werden. Auf eine Verabredung und Verbindung mit Oesterreich weisen, wie preußische Blätter behaupten, die Aufstellung der Sachsen im Erzgebirge und die Befehle an die Eisenbahnen hin. Cs sei Vorsorge getroffen, daß die österreichischen Truppen in Böh men schnellstens nach Dresden gebracht werden können. — Preußische und österreichische Stimmen erklären öffentlich, es werde zwischen Oesterreich und Preußen einen Wettlauf um Sachsen geben beim Ausbruch des Krieges, der Besitz Sachsens nament lich Dresdens und des Erzgebirges, könne über das Schicksal des Krieges entscheiden. In Böh men, setzen Oesterreicher hinzu, lägen 30 Cavallerie- Regimenter und diese Ungarn und polnischen Lanzenreiter würden in Sachsens Ebenen ganz anders cinwirkcn, als es z, B, in Italien mög lich gewesen. —- Die österreichischen Blätter sind höchst gütig gegen uns. Sie schlagen uns vor, da Sachsen doch einmal nicht im Stande wäre, die Preußen abzuwehren, eine österreichische Armee in's Land zu rufen; dann würde die erste Schlacht höchst wahrscheinlich in der Nähe Dresdens und die ent scheidende aus Leipzigs Blachfeldcrn stattsinden. — Victor Emanuel hat Heer und Flotte auf Kriegsfuß gesetzt und gedenkt Krone und Leben an Lie Eroberung Venedigs zu setzen. Die Dic- tatur hat er abgelehnt und wünscht, daß der Land, tag immer beisammen bleibe. Mit Garibaldi steht er aus dem besten Fuße. Die Bank leiht dem Staatsschatz 250 Millionen Franks und die großen Druckereien drucken — Papiergeld. — Oesterreich macht die gewaltigsten Anstren gungen, um nöthigenfalls zwei Feinden zugleich, den Italienern und Preußen, die Spitze zu bieten. Es ist der Ankauf von 60,000 Pferden beschlossen und zum Theil schon ausgeführi. Die größere Gefahr steht Oesterreich in dem Kampf mit Preußen; da her stellt es in Lombardo-Venetien 2 Armeekorps und als Reserve in Laibach ein viertes auf, in Böhmen dagegen 7 Armeecorps. Benedek ist de finitiv zum Oberbefehlshaber der Armee gegen Preußen ernannt. — Bon der Aufregung in Deutschland geben allerlei Gerücht« Zeugniß. Unglaublich erscheint, was Ba dische, Württemberger und Eoburger Blätter über einstimmend melden: „Bismarck hat dem König einen Vertrag vorgelegt, Frankreich bekommt für seine Unterstützung die hessische und bayrische Pfalz nebst dem preußischen Kohlen-Laarbecken bis Kreuz nach. Bayern wird durch Salzburg und Tyröl (bas Oesterreich gehört) entschädigt. Der König hatte am 30. April noch nicht unterschrieben." König Wilhelm wird auch niemals etwas Aehnliche« un terschreiben, sondern sich feines Wortes in Baden erinnern: Mit meinem Willen wirb kein Dorf vom deutschen Boden abgetreten werden! — Aus Paris wird dem Kölner Allgem. Anz. (einem vorfichtigen und in der Regel gut bedienten Handelsblatte) telegraphirt: „In ganz Frankreich werden in aller Stille alle beurlaubten Soldaten einberusen, die Armee wird für alle Fälle kriegs bereit gemacht." — Auch ein anderes Gerücht erscheint unglaub würdig: Preußen werbe um die Lheilnahme Dä nemarks am Kriege und sichere ihm dafür die Abtretung Nordschleswigs und der Insel Alfen zu. Geh. Rath Wagener im Ministerium, der bekannte chZeitungS-Mann, leite die Unterhandlungen. — Die österreichischen Banknoten zu einem und fünf Gulden haben ZwangscurS erhalten. — Der alte, reiche Kaiser Ferdinand in Prag hat seine Schätze nach Wien bringen lassen; eben dahin sind die Kirchen-Paramente und die Loretto- Schatzkammer gewandert, — Auf der österreichischen Fregatte Novara, die bei Triest im Dock liegt, ist Feuer ausgebrochen — von Italienern angeschürtes. — Stadlrath und Stadtverordnete von Leipzig