Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.10.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101008014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910100801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910100801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-08
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 278. l04. Isliryrmg. um Kenig Manuel-u beyrühen. Man glaubt, raß die königliche Familie hier an Land gehen n.rd. Madrid. 7. Oktober. (Tel.) Die Telc- graphevlinle mit Lissabon ist wieder in Be trieb. Die Einschiffung König Manuels nach England wird amtlich bestätigt. Die revolutionäre Bewegung in der Provinz macht immer mehr Fortschritte. Es gewinnt den An schein, als ob die Widerstände, von denen bisher die Nede war, nunmehr doch gebrochen sind. Die Flucht des Königs hat zweifellos am meisten dazu bcige- tragen, daß die Provinz so rasch zu den Republikanern tibergegangen ist. Lissabon 7. Oktober. <Tel.) Die Partei der dissenticrenden Progressisten löste sich auf. 21 l p o i in erklärte sich für die Re publik Auch die Truppen in der Provinz gehen mehr und mehr zu den Republikanern über. Die Munizipulgardntcn sind, obwohl sie sich für die Re publik erklärten, entwaffnet worden. Die Polizei wurde im Augenblick des Nevoluttonsausbruches aufgelöst, die Polizeiwachen geplün dert. Es geht das Gerücht um, daß A d in i r a l R eis, einer der Förderer der Revolution. Selb st ur ord verübte. London, 7. Oktober. (Tel.) Wie das Rcutcrschc Bureau meldet, ist inFunchal auf Madeira die republikanische Fahne obne Zwischenfall geh itzt worben. Perpignan, 7. Oktober. (Tel.) Ein Telegramm aus Figucras besagt, die Proklamation der Re publik wurde in Portugal und Katalonien mit Begeisterung ausgenommen. Die republika nisch gesinnten Kreise flaggten und veranstalteten an verschiedenen Stellen Kundgebungen. Deutscher kolmiinlkongretz Ilx. Berlin. 7. Oktober. Nachdem wie schon telegraphisch gemeldet, Her zog Johann Albrecht zu Mecklenburg das Antworttelcgramm des Kaisers ver lesen halte, wurde in der Erledigung der Tages ordnung sortgefahren. Zuerst behandelte Professor Dr. Schilling (Berlin), Leiter der tropischen Ab teilung am Institut für Infektionskrankheiten, die Frage der B e d e u t u n g der neuen Fortschritte der Tropen Hygiene für unsere Kolo nien. Er betonte die hervorragende wirtschaftliche Bedeutung der Hygiene für unsere Kolonien. Der Europäer steht unter dem Einfluß des heißen Klimas und gewisser spezifischer Krankheiten. Der Eingeborene wird für immer unentbehrlich sein, da er allein imstande ist, in den Tropen schwere körperliche Arbeit zu verrichten. Bei der absoluten Hilflosigkeit der Farbigen Krankheiten gegenüber, ist die koloni sierende Ras'e verpflichtet und gezwungen, koloniale Hygiene zu treiben. Der Bortragende empfahl schließlich die Schaffung einer Zentrale in Berlin mit der Aufgabe, die Kolonialhygiene und gleich zeitig ihre praktische Durchführung in allen Kreisen der Kolonialinteressenten zu fördern. (Lebh. Beifall.) An den Bortrag schloß sich eine längere Debatte, in der allseitig die hohe Bedeutung der Hygiene für die Tätigkeit Weißer in den Kolonien hervor gehoben wurde. Dor allem wurde möglichste Ent haltsamkeit vom Alkohol empfohlen. Als nächster Redner behandelte Pfarrer I). Rich ter Schwanebeck das P r o b l e m der Reger, seele und die sich daraus für die Ent wickelung des Negers ergebenden Fol gerungen. Was wir bisher von dem inneren Gefüge und den Entwicklungsmöglichkciten oes Regers wissen, ist zwar noch nicht abschließend, aber es ermutigt und erweckt Hoffnungen. Da die ent scheidende Funktion im Leben des Negers die tewmer Trryevlsn. 2 Religion ist, so muß eine großzügige Neger politik religiös orientiert sein. Da der religionslose Staat eine solche nicht durchführen kann, ist er auf dre Bundesgenvssenschaft der Missionen angewiesen. Da da» Negervroblem das Zentralproblem unserer Kolonialentwicklung ist, ist von entscheidender Be deutung, daß alle an ihm beteiligten Machtfaktoren, vor alwm die Regierung und die Missionen, nicht gegeneinander, sondern in Bundesgenossenschaft mit einander handeln, und sich einig darüber sind, daß sie dasselbe Ziel aus verschiedenen Wegen er streben. (Lebhafter Beifall.) An den Bortrag schloß sich eine äußerst lebhafte Diskussion. Regierungsral Dr. Weichmann- Danzig: Die Behauptung, daß die Neger nichis weiter seien als große Kinder, zieht sich durch unsere ganze koloniale Literatur, und war auch angedemet in dem Bortrage des Referenten. — Pros. Sainasja- BerUn führt aus: Die Neger sind doch eine Rasse für sich, und wir kennen für die Entwickelung der Rassen bestimmte Gesetze. Mit der schwarzen Haut farbe des Regers hängt aufs engste eine Menge von Eigenschaften untrennbar zusammen. Dazu rechne ich die Defekte des Negers auf dem Gebiet des Ge müts und des Willens. Bis zvm Beweise des Gegenteils sage ich, daß diese Defekte nicht ausge glichen werden können. Wir müssen die Neger !ür unsere Wirtschastszwecke erziehen. Natürlich darf dabei die Humanität nicht zu kurz kommen. Die Missionare sollten sich damit zufrievengeben, wenn sic diese Unterordnung des Negers als eine gott gewollte Abhängigkeit betrachten. (Beifall.) — Da mit schloß die zweite Plenarsitzung. Deutsches Reich. Leipzig, 8. Oktober. Leipzig und Dresden kommen nach Klasse K des Wohiluiigsgrldzuschutziarisv. In der am 6. Oktober unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Delbrück ab gehaltenen Vollsitzung wurde u. a. die Verwei sung des Antrages Sachsens, betreffend die Einreihung der Städte Dresden und Leipzig in die Klasse des Wohnungsgeldzu schußtarifs an den zuständigen Ausschuß gut- ge heißen. Ferner wurden über die Festsetzung des Wohnungsgehalts der Reichsbeamten, über den Rekurs von Reichsbeamten gegen die zwangsweise Versetzung in den Ruhestand und anderes Beschlüsse gefaßt. — Der hocherfreuliche Beschluß der Plenar sitzung des Bundesrates bedeutet einen großen Er folg der nationalliberalen Reichstagsabgeordneten Dr. Iunck - Leipzig und Dr. Heinze- Dresden, die sich unablässig um die Verweisung von Leipzig und Dresden in die Klaffe des genannten Tarifes be müht haben. Es ist zweifellos, daß der zuständige Ausschuß des Bundesrates, dem die Angelegenheit überwiesen ist, der Erhebung der Städte Dresden und Leipzig in die höhere Klaffe des Wohnungs- peldzuschußtarifes nach dem Anträge Sachsens zu stimmen wird. * * Staatssekretär von Kiderlen-Wächter, der gegen wärtig noch in Bukarest weilt, frühstückte am Don nerstag beim rumänischen Ministerpräsidenten. Er wird Sonnabend ^uachllpien abreisen. * Fürst und Fürstin Bülow sind aus Norderney in Hamburg einaatrossttN, wo sie acht bis zehn Tage zu bleiben gedenket^"'-' * Das „fehlende" Vertrauensvotum. Die national liberale „Dorkm. Ztg." berichtet, daß auf dem Kasse ler Parteitag ein Vertrauensvotum für Baffermann beantragt gewesen sei, daß aber die Westfalen er klärten, sich angesichts der der Parteileitung zur Last i getegten (?) vielen Wahlmißerfolge bei oiesem An trag der Abstimmung enthalten zu müssen. Daraus > sei der Antrag zurückgezogen worden. Wer auf dem Parteitage anwesend war, dürfte im allgemeinen von dem Zusammenhänge der Dinge einen andern Ein druck erhalten haben, als das westfälische Blatt. Es ist allerdings kein Geheimnis, daß eine Resolution vorbereitet war, aber gerade auch hervorragende An hänger der spezifisch Bassermannschen Politik haben unter dem Eindruck der Rede Bassermanns und des Beifalls der Versammlung eine Resolution für ganz unnötig gehalten und in diesem Sinne gewirkt. Ob sich das später einmal so oder so als Fehler Heraus stellen wird, ist eine Frage für sich. Jedenfalls war die Zustimmung zum Bassermannschen Programm überwältigend, und auch die anwesenden Westfalen haben sich an den Beifallskundgebungen für Baffer mann beteiligt: das hat deren Sprecher, Geh. Justiz rat H a a r m a n n Dortmund, ausdrücklich bestätigt. * Liberale Einigung in Labiau-Wehlav. Im Reichstagswahlkreise Ladiau-Weblau werden gemäß dem für Ostpreußen getroffenen Kompromiß die N a - tionallideralcn keinen Gegenkandidaten auf stellen, sondern von vornherein für den frei sinnigen Kandidaten eintrelen. * Der 7. deutsche AbstinenLentag, der dieser Tage in Augsburg stattsund, wies eine stärkere Beteili gung denn je zuvor aus. Die Eröffnung sano durch den Vorsitzenden des Zentralvcrbandes Franziskus H ä h n e l - Bremen statt. Eine große Anzaht be deutsamer Borträge wurde von Aerzten und Juristen gehalten. Großes Interesse namentlich erregten die Ausführungen von Gustav T e m m e - Noldhaujen über: „Die Alkohol frage in ihren Be ziehungen zur Jugendfürsorge". Unter den Leitsätzen, die er aujslellte, verdienen folgende besondere Beachtung: „Der Alkohol ist die stärkste Ursache der Not der Jugendlichen; er schasst minder wertige Kinder, er nimmt den Säuglingen die Mut- terbrusl, er fördert oie Armut der Familien und die gewerbliche Arbeit der Mutter, der berufensten Er zieherinnen, er steigert die Ziffer der Zwanzszog- linge und der jugendlichen Verbrecher, er führt zur Berwahrlosung und Mißhandlung der Kinder und hindert die rechte Jugenderziehung, er verdirbt die Jugend, die Träger zukünftiger Kultur, körperlich, geistig und sittlich. Da neben dem Alkoholismus vor allem die soziale Not — die er freilich oft selbst her vorruft und steigert — das Jugendelend schafft, so genügt es nicht, wenn jeder Abstinent ein rechter Iugendhelfer wird. Er muß die treibende Kraft in den Jugendfürsorgeausschüssen werden. Nüchterne Bäter und wirtschaftliche Mütter schaffen, heißt ge sunde Familien bauen, heißt beste Jugendfürsorge üben." * Die Bildung eines Beterinürossizierkorps der Reserve. Im Anschluß an die Umwandlung der Veterinärbeamtcn in Beterinäroffiziere ist in kurzer Zeit die Bildung eines Veterinärof/izicrkorps der Reserve zu erwarten. Bei dieser ersten Gestaltung eines Veterinäroffizierkorps der Reserve ist eine Wahl durch das aktive Veterinärosfizierkorps voraus sichtlich noch nicht zu erwarten, wenn auch die Vetert- närordnung vom Mai dieses Jahres eine solche Wahl vorsieht. Die Bildung dieses Reserveofsizierkorps dürste auf andere Weise erfolgen, inoem die bisheri gen Veterinärbeamten des Veurlaubtenstandes zu Beterinäroffizieren der Reserve ernannt werden. Dre Ernennungen und Beförderungen der betreffenden Militäroeterinärbeamten des Deurlaubtemtandes werden naturgemäß unter bestimmten Voraus setzungen erfolgen, die für die zukünftige Stellung der Beamten als Offiziere unerläßlich sind. In erster Reih? gilt als Psdingyna, -aß die zur Offizwrswahl in Aussicht" Genommenen die Ernennung zu Offizieren selbst wünschen. Ferner werden einige Bedingungen an die Ernennung geknüpft werden, die auch für die Ernennung von Offizieren der Reserve maßgebend sind. Dazu gehört z. B., daß die betreffenden Dete- Sonnadenü, 8. Oktober l910. rinärbeamten sich in einer bürgerlichen Stellung be finden, die den Anforderungen entspricht, die bet der Wahl zum Offizier oer Reserve gestellt werden müssen. Späterhin erfolgt die Weiterbildung und Ergänzung des Beterinürolsizierkorps der Reserve durch Wahl der aktiven Beterinäroffiziere, wie sie in der Bete- rinärosfizierordnung vorgesehen ist. Rusts nü. Oelterreich-Ungarn.« * Die Konferenz der mitteleuropäischen Wirt- schasisvereine zur Beratung Les Arbeiteraus- 1 auschs zwischen den beteiligten Staaten ist Frei tag vormittag im Palais der Akademie der Wissen schaften in Pest eröffnet worden. Dr. Wekerle hob in seiner Eröffnungsrede die AbwanLerungder Saisonarbeiter in die Nachbarstaaten hervor. Sie verdiene vor der endgültigen Auswanderung ent schieden den Borzug. Hierin liege die Legitimation der mitteleuropäischen Wirtfchaftsvereine zur Be handlung dieses Gegenstandes. Der Vorsitzende der deutschen Vereine, Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, und der Vorsitzende der öster reichischen Vereine, Baron Plehn er, erwiderten in ähnlichem Sinne. Die Konferenz wurde von dem Handelsminister Hieronymi namens der unga rischen Regierung, von dem Geh. Oberregierungsrat Lufensfy namens der deutschen Regierung und von dem Hofrat v Schullern namens der öster reichischen Regierung begrüßt. /rrmkretül. * Rücktritt des Ackerbauminister». Der „Figaro" will wissen, daß der seit mehreren Monaten schwer er krankte Ackerbauminister Rusu sich nunmehr ent schlossen habe, zurückzutreten, und daß zu seinem Nachfolger der radikale Deputierte und Ob mann des Zollausschuffes Klotz ausersehen fei. Lnglanü. * In der Angel« genheit des indischen Revolutio närs Savarkar besagt ein CominuniquS des Aus wärtigen Amtes. Zwischen der englischen und oer französischen Regierung ist es zu einer Einigung gekommen. Dir di«. Flucht und die Wiederergreifung Savarkars betreffenden Tatsachen sowie die damit zusammenhängende internationale Frage sollen einem Schiedsgericht unterbreitet werden. Sollte Savarkar in dem gegenwärtigen gerichtlichen Verfahren für schuldig befunden werden, so soll, so lange der Schieokfpiuch nicht gefällt ist, irgend ein Urteil gegen Savarkar nicht vollstreckt werden und dieser nur in Haft gehalten werden. (Savarkar war bekanntlich in einem französischen Haien von dem englischen Schiffe, das ihn nach Indien oringen sollte, geflohen. Aus Unkenntnis der Sachlage und infolge der falschen Auslagen der ihn verfolgenden eng lischen Detektivs lieferten die französischen Beamten Savarkar den Engländern wieder aus.) vereinigte Stssten. * Aufdeckung einer Verschwörung gegen einen chi nesischen Prinzen. In San Francisco glaubt man, einem Anschlag gegen den Prinzen Tsaihsun durch die erfolgte Verhaftung meh rerer bis zu den Zähnen bewaffneter Ehinesen auf dem Paketdampfer „Ehiy" vorgebeugt zu haben, auf dem sich der Prinz mit Gefolge nach China eingeschifft hat. Einer der verhafteten Chinesen namens F o n K der einer revolutionären Gesellschaft angehört. htH eingestanden, daß er beabsichtigt habe, "W? Prinzen Tsaihsun zu töten. Bet seiner Verhaftung gab er Revoloerschüsse ab. * vom Panamakanal. Nach dem jetzt vorliegen den offiziellen Bericht über die Fortschritte im Bau Vsrtsuivnrts Kdonnvnisn Lunskms. Seüeuktsge rhürinFlliher Komponisten. (Nachdruck verboten.) Unsere Zeit ist reich an Jubiläen von mehr oder weniger hervorragender Bedeutung, aber cs dürfte doch selten Vorkommen, daß auf einen verhältnis mäßig kleinen Raum unseres großen deutschen Vater landes drei Gedenktage hintereinander fallen, die drei hervorragende Geister aus der Welt der Töne uns in lautbare Erinnerung bringen. In diesen Tagen oulsien wir die Geburtstage von drei hervorragenden thüringischen Komponisten begehen, von denen einer noch „atmet im rosigen Licht", Felix Draeieae sder gestern an dieser Stelle der. gcuürdiest worden ist), die beiden andern aber seit Jahrhunderten der Rasen deckt. Am 6. Oktober 1785 wurde in dem schwarzburg- rudolstädtischen Städtchen Stadt-Ilm Albert Gottlieb M et h fessel, einer unserer be kanntesten und populärsten Liederkomponisten seiner Zeit, geboren. Nach dem Besuche des Gymnasiums in Rudolstadt studierte der musikalisch hochbegabte Methfessel Theologie, wandte sich aber bald gleich wie sein älterer Bruder dem Studium der Musik zu. Schon während dieser Studienzeit in Leipzig gab er Kompositionen für Gesang, Klavier und u. a. auch ein Journal für Gitarre heraus. 1808 ging er nach Dresden und ward 1811 als Kammersänger und Muliklchrer der regierenden Fürstin in Rudolstadt angestellt. 1822—1832 lebte er als Gesang- und Musiklehrer in Hamburg, 1832 wurde er als Kapell meister nach Braunschweig berufen und als solcher 1843 in den Ruhestand versetzt. Leider erblindete der rührige und talentvolle Mann später fast ganz und starb am 23. März 1869 zu He.kenbeck bei Gandersheim im Braunschweigischen. Seine Lieder waren einst sehr beliebt und sind es im Studentenleben bis aus den heutigen Tag. Vorzüglich durch sein Kommersbuch hat er eine gewisse Spezialpopularität erhalten. In dankbarer Erinnerung an seine Verdienste um den deutschen Liederschatz wurde ihm im Jahre 1885 in seiner Gebiirtsstadt ein Denkmal gesetzt. Seine Gattin Emilie, geb. Lehmann, war eine beliebte Sängerin jener Zeit und «ine treffliche Frau. Auch sein Bruder Friedrich, der gleichfalls in Stadt»Jlm geboren wurde und auch dort starb, hat sich durch eine Anzahl Kompositionen einen Namen in der musikalischen Welt gemacht. Das andere der „Geburtstagskinder" aus Thüringen ist Heinrich Schütz. Er ist der be deutendste unter den sog. drei großen „8" des 17. Jahrhundert«: Scheidt, Schein und Schütz, nach dem damaligen Gebrauch, die Geschlechtsnamen zu latinisieren, auch Sagittarins genannt. Heinrich Schütz ist am 8. Oktober 1585 zu Köstritz bei Gera geboren. Seitdem find 325 Jahre verflossen, und die jubitvwcki" ist einwandfrei für di« jnbi- läumsfreudige Gegenwart erbracht. Seine Eltern l scheinen später ihren Wohnsitz in Weißenfels ae- I nommen zu haben, von wo aus der rcichbegaote Sohn 1599 nach Kassel in die Hofkapclle des Land grafen Moritz von Kassel, des gelehrtesten Fürsten seiner Zett, der auch in der Musik wohlerfahren war, als Kapellknabe kam. Er besuchte dabei auch die dortige gelehrte Schule, das „Collegium Mauri- tianum", da er, trotz seiner sich früh entwickelnden reichen Begabung für die Musik, nicht diese, sondern nach dem Willen seiner Eltern die Jurisprudenz zu seinem Lebensberuf erwählen wollte. Er studierte dann auch in Marburg die Rechtswissenschaft, wurde aber plötzlich dieser Karriere entrissen. 1609 kam nämlich der Landgraf Moritz von Hessen nach Mar burg und bot bei dieser Gelegenheit dem jungen Schütz, dessen reiche musikalische Begabung er wohl erkannt hatte, aus zwei Jahre ein jährliches Stipen dium von 200 Gulden, damit er nach Italien gehe und bei Giovanni Gabrielt sich zu einem tüchtigen Musiker ausüilde. Schütz nahm das fürstliche Aner bieten an und ging nach Venedig, um sich unter Gabrielis Leitung den ernstesten Musikstudien zu unterwerfen. Er genoß die Unterweisungen des italienischen Meisters der Musik bis zu dessen im Jahre 1612 erfolgtem Tode. Er kehrte nun in das Haus seiner Eltern zurück und wäre beinahe der Kunst wieder untreu ge worden und zu seinem ursprünglichen Peruse, der Rechtswissenschaft, zurückgekehrt, als er eine Ein ladung nach Dresden erhielt, bei der Taufe des Herzogs August die kurfürstliche Kapelle zu diri gieren. Dieses Ereignis wurde entscheidend für jein ganzes ferneres Leben. Er ging zwar als bestallter Organist des Landgrafen wieder nach Kassel zurück, aber schon im folgenden Jahre (1615) erbat ihn der Kurfürst für sich aus zwei Jahre „auf Urlaub". Diesen erhielt der junge Künstler auch vom Land grafen mit dem ausdrücklichen Bemerken, „er werde sich nach Ablauf desselben wieder nach Kassel ver fügen". Trotzdem nun der Landgraf nach seiner Uebcrsiedelung nach Dresden seinen Organisten wie derholt vom Kurfürsten reklamierte — erhielt er ihn nicht wieder. 1617 trat Schütz definitiv in das Amt eines kurfürstlich sächsischen Kapellmeisters, das er 55 Jahre lang mit seltener Ausdauer, unter den schwierigsten Verhältnissen und außergewöhnlichem Erfolg versah. Noch einmal machte der Landgraf Moritz einen Versuch, den Meister zurückzugewinnen: als sein Kapellmeister Georg Otto in Torgau ge storben war. erbat er fich Schütz vom Kurfürsten zu dieser Stelle, allein dieser entsprach dem Wunsche nicht. Schütz blieb in Dresden und erhob bald die kurfürstliche Kapelle zu einer der ersten seiner Zeit. Die Unterbrechung seiner Wirksamkeit, welche der 30jährige Krieg veranlaßte, benutzte er zu Reisen nach Italien, Kopenhagen und Braunschweig. Zu rückgekehrt, wurde ihm der Dienst bet der Kapelle, di« er. durch di« Rot der Zeit behindert, nicht »ehr auf der alten Höhe zu erhalten vermochte, beschwer lich und wiederholt bat er um Erleichterung in seinem Dienst. Seit 1645 hegte er den Wunsch, sich nach Weißen fels zurückziehen zu dürfen, „ohne daß er dabei seine Funktionen als Kapellmeister hintenansetzen möchte". Immer dringender wurde seine Sehnsucht nach Ruhe und im Jahre 1655 verlangte er entschieden, vom Kapclldienst befreit zu werden. Allein dies Gesuch blieb, wie alle seine späteren, ohne den gewünschten Erfolg, er mußte in seiner Stellung verharren, die ihm namentlich auch deshalb so unbehaglich geworden mar, weil die Kapellmitglieder schon lange keine Besoldung erhalten hatten und sich in groger Not befanden. Schütz war eifrig bemüht, ihnen zu helfen, allein es gelang ihm doch nur in sehr beschränktem Maße. Etwa um 1665 wurde er zum Oberkapell meister ernannt und starb am 6. November 1672 im Alter von 87 Jahren. Nach seinem Wunsch wurde Schütz in der Vorhalle der alten Frauenkirche zu Dresden an der Seite seiner ihm im Tode vorausgeqangenen Gattin bei gesetzt. Die hauptsächlichsten seiner Werke — sie hier aufzuzählen oder gar zu kommentieren, würde zu weit fllbrcn, zumal es sich ohnehin nur um den kurzen Abriß seiner Lebensgeschichte handelt sind die Symphoniae facrae und die vier Passionen. Die sämtlichen Personen der letzteren treten selbst redend auf. und die Hohenpriester und Schristgclehr- ten, die Jünger Jesu, die Knechte, die Aeltesten der Juden wie der ganze Haufe werden in kurzen, aber außerordentlich charakteristischen Chören zu dramatischer Wirkung eingeführt. Damit hatte Schütz für immer den Erundtypus der Passionen sestgcstellt, und auch Händel und Bach haben auf seinen Grundlagen aufgebaut. Direkt bedeutsam wurden seine Motetten und Konzerte für die Entwicklung der ganzen prote stantischen Kirchenmusik, namentlich der innerhalb derselben bald darauf mit größtem Eifer gepflegten Kantatenform. Die Motetten und Kon zerte dieses neben Vach bedeutendsten thüringischen Kirchenmusik-Komponisten beanspruchen, trotz der un geheuren seitdem angewachsenen Literatur auf diesem Gebiet, ein lebendiges und hohes Kunstinteresse bi« auf unsere Tage. Große Bedeutung schließlich für die gesamte Musik welt hat Schütz auch als Komponist der Oper „Daphne", deren Entstehung noch in seine Entwick- lungsjahre als Komponist fällt. Er komponierte sie zur Vermählung Georgs II. zu Hessen-Darmstadt mit Sophie Eleonore, Tochter Johann Georgs I-, welche 1627 zu Torgau stattfand. Leider ist von der Musik später nichts mehr aufgesunden worden. Wahrschein lich sind Partitur und Stimmen bei dem großen Brand von 1760 verloren gegangen. Gleichwohl bleibt Heinrich Schütz, gen. Sagittarius, das Ver dienst, der Komponist der er st en deutschen Oper zu sein. H. Xoe^lsr. Kunst unü Mllenlchast. Leipzigs Gaben zum Berliner Universitätojubiläuni. Das Berliner Universitätsjubiläum ist die Ver anlassung zu zwei interessanten Arbeiten buchgewerb licher Art gewesen, die zwei unserer bekanntesten Leipziger Graphiker gefertigt haben. Professor Hugo Steiner-Prag hat die kost bare Adresse ausgestattet, die die Leipziger Uni versität ihrem Berliner Schwesterinstitut überreichen wird. Klar und kräftig steht die Schrift auf dem Pergamentgrund, einige Buchstaben und Worte sind mit aufgelegtem Gold hervorgehoben, das Ganze umrahmt eine prächtige farbige Leiste, die die Or namentierkunst des Meisters sehr charakteristisch zeigt. In sehr feiner Miniaturmalerei unterbrechen sie vier kleine Bildchen mit den Emblemen der Fakultäten. Der Einband besteht aus dunkelblauem Kalbleder und ist sehr geschmackvoll mit einer schmalen Füllung in Handvergoldung und grünen Ledereinlagen verziert. Das zweite Stück ist eine Mappe, die bie Kgk. Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften der Berliner Universität stiftet. Der Text ist von Erich Gruner geschrieben und wirkt rein als ein Werk der Schreib kunst ohne irgendwelchen ornamentalen Schmuck. Wie die Innenausstattung, so ist auch der Einband sehr einfach gehalten: eine große Kartusche schmückt die Vorderseite mit Rokoko-Ornamenten in Handvergol dung und schwarzen Ledereinlagen, die vorzüglich auf dem roten Maroguin stehen. Die Buchbindearbeit beider Zldreffen, die ein so lautes Zeugnis von dem Hochstand unseres Leipziger graphischen Gewerbes geben, stammt aus der Werk statt von Carl Sonntag fr., die ja zu den moder nen Buchbindereien gehört, die mit dem größten Ge schmack arbeiten. * Zu Felix Draesekes 75. Geburtstag wird uns von unserm I)r. I>. - Mitarbeiter unterm 7. d. M. aus Dresden geschrieben: Felix Draeseke hatte sich heute, am Tage der Vollendung seines 75. Lebens, jahres, mannigfacher Ehrungen zu erfreuen. Die Wohnung des greisen Komponisten wurde von früh an nicht leer von Gratulanten und verwandelte sich im Laufe des Tages in einen wahren Blumen- garten. Schon zeitig nm Morgen erschienen Depu tationen zur Beglückwünschung und überbrachten wertvolle Geschenke und prächtige Arrangement». Mar Reger hatte einen besonderen Wunsch Draesekes erfüllt, indem er ihm den 100. Psalm sandte. Eine sinnige Ehrung brachte FrauMart« Wittich dem Gefeierten dar. indem sie ,m Kostüm der einst von ihr gesungenen Titelrolle au« Draesekes Oper „Herrat" erschien. Die Zahl der telegraphisch eingehenden Glückwünsche ward im Laufe des Tage« enorm. Es befanden sich darunter solch« von Gene ralmusikdirektor v. Schuch, I. L. NieodS, Arthur Nilisch und Hans Sitt-Leipzig,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)