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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.10.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101008014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910100801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910100801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-08
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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Bezugtz-Prei» L»uUchla»d« »nd d« dr»l1cho n«m» »nd v»«d,ir»r, t»gl ich tu» v«u» gedrachl: so muuatl., R.7U »irnuljthrt. «et unjer, itUiule» u. »«» »tMrfttürn »dgedolt: 7» »w»ati„ »I» vter«It»drl. «olonien »trnelitdrt. 8.0 »onatt. lot« autlchl. PostdeNellgeld ,ferner >n Betgiea, Itnrmark, de» Donaulioate». Italien, Luremburg, Niederlaude, di»r- »>«»«», Oesterreich Ungar», Rußland, Schwede», Schmerz ». Spant«, g» allen üvrrgea Staate» »»r direlt durch dt« «etchPttliell, da« Blatt»« rrtzaullch. Da« Leipgiger t<^,rdlatt erscheint timat tlgltch. Sann- ». Aet.riaa« aur morgen«. ild,nn«u>«nt-<lnnavme. U»,»a»4platz 8, bei unteren Drttger». sttltate», Spediteuren uud HUmaharettellen, lawl« PostLmrer» n»d «nette tiger». U«»>»l»rrl»»t«»r,t« »er «arge— autgad« ><i der Ädendaulgad« d Aedaktton »ud Seschättskellrr Johan»i«gas>e 8. ger»l»«ch«r, I4ÜVL l«Üt». I46V4. Morgen-Ausgabe. KiWMTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates und öcs Rokizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. Anzeigen. Drei» Mr Inserate «u« ttetvzig und Umgedu», di« qgetnalten« SO wio drett« Petttzetl« 2L tl. dt« 74 mm dreu, Reklame»etl, l »an autwän« 8t) RtUarre» DL) Inserate v»» «ebtrde» i« amkltche» Derl dt» 74 mm drrtte «etttzetl» M »etchtttrdnnzngen Mli « apdortcheM«» „o >» der ltl «ndautgad« rin vreite erhad! Staban »ach Lans. «eilngegedüdr ü d. Tausend exkl. Pollgebschr. .Seiteneilt« Nultrttg» kianeu mchi pircht- gezogen werden. ,Zür da» Erscheine» an deitimmtea Tagen und Pligen wir» kelae Garantie übernommen. «»zeigen, «nnadme, Lugus»»4»l«H bar limtltchen Atliale» a. allen Änaonm» ttMedrttonea de« I«. und «ullaube«. Pailpr Stltal, «rett»: T»rl Lun« er, Herrogt. vaqr. haadlunil, lüdoiolliah« IS, tTetephon VT. Rr. Hauvt.Ftltale Vrr«de« Seestrad- «. 1 rTelevdoa 4SM4 Ar. 278. lv-i. Jahrgang Sannavenü, üen 8. Oktober lS10. Vas kvichügste. * Die Aussichten einer Verweisung der Städte Leipzig und Dresden in die Klasse .V des Wohnungsgeldzuschußtarifs haben sich nach einem jüngst erfolgten Bundesratsbeschluß sehr verbessert. (S. Dischs. R.) Die Konferenz der Mitteleuropäischen Wirtschaftsvereine ist am Freitag in Pest zur Beratung des Arbeiteraustauschs zwischen den beteiligten Ländern zusammcngetreten. (S. Ausl.) * Die österreichische Regierung hat die Ein fuhr einer Probesendung von 2öst00 Kilogramm argentinischen Fleisches gestattet. * Die republikanische Regierung in Portugal gewinnt in der Provinz immer mehr Anhang. Die königliche Familie befindet sich in Gibraltar. (S. d. bcs. Art. und Letzte Dcp.) * In San Francisco ist eine Ver schwörung gegen den chinenschcn Prinzen Tsaihsun aufgedeckt worden. (2. Ausl.) * Danny Gürtler, der bekannte queru lierende „K ö n i g d e r Bohöm c". ist endgültig In eine Irrenanstalt eingeliefert. (2. Tageschron ) i Die Toüesstrsfe. Die Frage der Todesstrafe kommt wieder in Flug. Nicht ohne Veranlassung, da die par lamentarische Beratung des revidierten Strafgesetzbuchs in greifbare Nähe gerückt ist. Speziell in Leipzig wird ihr gerade jetzt an gesichts der beiden am Donnerstag gefüllten Todesurteile über die Brüder Koppius stärkeres Interesse begegnen. Vor vier Jahrzehnten fand der Reichstagsbcschlusi zweiter Lesung der die Abschaffung der Todesstrafe aus sprach, ein Echo bei der öffentlichen Meinung Ein Machtwort Bismarcks erzwang in der dritten Lesung die Umstogung des Beschlusses, aber die deutschen Regierungen, abgesehen von Hamburg und Braunschweig, setzten, der Volksstimmung entgegenkommend, volle zehn Jahre alle Urteilsvollstreckungen aus. Da wurden sie von derselben öffentlichen Meinung gedrängt, die Reihe der ausnahms losen Begnadigungen zu unterbrechen! Der nächsten Reichstagsberatung wird abermals eine lebhafte Bewegung der grundsätzlichen (stegner der Todesstrafe vorausgehen. Aber die Debatten der Volksvertretung selbst werden dieses Mal kurz und schmerzlos verlaufen. Die große Mehrheit ist heute für die Erhaltung der Strafe gesichert, voraussichtlich auch nach der nächsten Erneuerung des Hauses: und ein solches Votum wäre des Beifalls der Wähler schaft gewiß. Die Gründe für die Todesstrafe lassen sich zuletzt auf zwei verschiedene Zwecke zurück führen: den praktischen, Wiederholungen des Verbrechens zu verhindern, und die Befriedi gung der Vergeltungsidee. Letztere ist in ihren eigentlichen Wurzeln anfechtbar. Indem sie sich auf ein uraltes Empfinden aller Völker beruft, vergißt sie, daß der heutigen Kultur welt gar nichts mehr an einer gegen die Person des Mörders gerichteten Rache ge legen ist, seitdem Racherecht und Rachepflicht aus dem Familienrechte herausgenommen und verstaatlicht sind. Dagegen ist jetzt die Ueber- zeugung, daß der arge Mörder durch unbedingte Unschädlichmachung an einem zweiten Morde verhindert und zugleich den des Mordes fähigen Individuen die Betätigung ihres verbrecherischen Willens verleidet werden müsse, Gemeingut der meisten Gebildeten ge worden. Der Abschreckungstheorie kann indes nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen werden. Statistische Vergleiche der Länder mit und ohne Todesstrafe, die allerdings für Belgien und Italien sehr ungünstig ausfallen, sind nicht entscheidend. Die Vereinigten Staaten stehen als Mörderland bei weitem an der Spitze, obwohl sie an der gesetzlichen Todesstrafe fest halten; sie beweisen eben, daß geringe Wahr scheinlichkeit einer Bestrafung überhaupt als Folge schlechter Kriminalpolizei und Justiz viel mehr dazu beiträgt, das Abschreckungsmoment zu vermindern, als eine Abschaffung der äußer sten Strafe selbst. Der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches I hält nun auch, der Zeitstimmung entsprechend, I an der Todesstrafe fest. Er schlägt aber eine wesentliche Milderung des Mordparagraphen vor durch Einfügung der mildernden Umstände, die bislang dem mit Ueberlegung Tötenden im Deutschen Reiche grundsätzlich versagt waren. An diesen Abänderungsvorschlag dürften sich im Reichstage lebhaftere Debatten anknüpfen als an die prinzipielle Frage der Todesstrafe. Schon machen einige konservative Organe gegen ihn mobil. Wir können auch nicht verkennen, daß die Gedankenverbindung von „Mord" und „mildernden Umständen" für die sittliche Empfindung etwas Anstößiges darstellt. Das hindert aber nicht, dem Beweggründe bei zupflichten, der den Beschluß der Vorkommission zweifellos gezeitigt hat, dem Gefühle nämlich, daß die unterschiedslose Bewertung aller Mord taten dem Empfinden der öffentlichen Meinung doch nicht mehr Genüge tut, diese vielmehr eine Scheidung nach den Motiven verlangt. Der Mörder aus Eifersucht, aus beleidigtem Ehr gefühl usw. verdient gewiß nicht einen Frei spruch. wie er ihm vor französischen Schwur gerichten in der Regel zuteil wird; aber er verdient es auch nicht, dem Raubmörder gleich - gerichtet zu werden. Und, was das Wichtigste ist: seine sittliche Verirrung erscheint mit weit größerer Wahrscheinlichkeit heilbar, als die Tat dessen, der es einmal fertig gebracht hat, seinem Mitmenschen um schnöden Geldes willen das Leben zu nehmen. Wenn die Gefängnis erziehung geschickt einsetzt, dürfte bei den Mördern der ersten Kategorie eine ziemlich sichere Gewähr gewonnen sein, daß sie „es nicht wiedertun" werden. Dabei handelt es sich aber nicht um „mildernde Umstünde," sondern um eine grundverschiedene Motivbestimmung der verbrecherischen Handlung, die auch auf eine ebenso unterschiedene Eharakteranlage den Rückschluß erlaubt. Wir möchten annehmen, daß diese Sonde rung der Bluttaten nach den Beweggründen nicht allein vor einer Einfügung der mildern den Umstände in das Gesetz den Vorzug ver diene, sondern auch vor ihrer geltenden Unter scheidung durch das Merkmal der Ueber legung. In der Anwendung hat letztere sich von einem gewißen Formalismus nicht freizu halten gewußt. Es pflegt ein starkes Gewicht auf die Frage gelegt zu werden, ob der hilevol- ver, mit dem die Tat vollbracht ist, erst un mittelbar vor ihr angeschafft wurde oder schon länger sich im Besitze des Verbrechers befunden hat. Andere Fälle liefen auf den trügerischen Versuch der medizi nischen Sachverständigen hinaus, festzu stellen, wie lange die physiologischen Wir kungen eines Rausches anhalten, die doch das Ende seiner psychologi scheu Nachwallung sich der unmittelbaren Feststellung entzieht. Ja, es gibt auf der Gegenseite eine Gattung der Menschentötungen, die nach dem Volksempfinden durch das bisherige Gesetz zu Unrecht aus dem Mordparagraphen herausgenommen ist: wenn ein Verbrecher, bei seinem Werke gestört, den Zeugen niederschlägt oder seine Verfolger, wie wir jüngst in Leipzig schaudernd erlebten, er schießt, so wird er nicht mit dem Tode, sondern im Höchstfälle bloß mit lebenslänglichem Zucht hause bedroht. Die Karolina, die auf nicht qualifizierten Diebstahl erst beim zweiten Rück falle die Todesstrafe setzte, ließ sie doch bereits bei Nichtvorbestraften eintreten, sobald sie eine Waffe bei sich getragen hatten, auch wenn von ihr kein Gebrauch gemacht war! Man sollte meinen, daß der rücksichtslose Verbrecher, der mit Vorsatz Menschenleben der Erreichung seiner gesetzwidrigen Zwecke opfert, der schärfsten vom Gesetzbuchs zugelassenen Strafe auch dann ver fallen sein müßte, wenn ihm keine Minuten zu einer fragwürdigen „Ueberlegung" zu Gebote gestanden haben. Die Tötungen aus Eifersucht, verschmähter Liebe, um eine erlittene Kränkung zu rächen usw. entspringen doch im Grunde edlen Seelen regungen. Die Tötungen um Gelderwerbes willen hingegen und auch die sogenannten Lustmorde entstammen wurzelhafter Schlechtigkeit des sitt lichen Charakters oder krankhafter Perversität. Die Besserungsfähigkeit ist also das Unter scheidungsmerkmal bei der Bewertung des Täters. Der Vorschlag, die todeswürdigen Bluttaten von den milder zu beurteilenden durch das Merkmal der Bcstimmungsgründe zu sondern, besitzt auf alle Fälle den Vorzug der Klarheit. Der Umsturz in Portugal. Nachdem die telegraphische Verbindung mit Lissabon wieder funktioniert, laufen die Meldungen jetzt rascher und zahlreicher ein, so daß man sich ein genaues Bild von den Vorgängen in Lissabon machen kann. Ein Mitarbeiter des „Daily Ehre nicle", der am Mittwochabend Lissabon verlaßen und sich nach Vigo begeben hat, sandte seinem Blatte einen ausführlichen Bericht, der in folgender Fassung verbreitet wird. London, 7. Oktober. (Telegramm.) „Daily Lhronicle" wird aus Lissabon gemeldet: Die Revolution sei selbst dem Ausschuß der republika nischen Partei überraschend gekommen. Die große Masse der Bevölkerung war apathisch und nahm nur geringen Anteil an den Kämpfen, die hauptsächlich zwischen den treu gebliebenen und Len aufrührerischen Truppen stattgefunden haben. Die treu gebliebenen Truppen, besonders die M un i- zipalgarden hätten sich W Stunden lang mit bemerkenswerter Bravour geschlagen, obschon sie in der Minderzahl gewesen sind und ihnen die Zu versicht durch den Mangel an Enthusiasmus seitens der Offiziere genommen wurde. Viele von den Offizieren hätten im geheimen mit den Republi kanern sympathisiert. Schließlich schloß sich die große Masse der Truppen den Republikanern an. Die R e - gierung sei durch den Ausbruch vollständig überrascht worden. Der Aufstand am 3. sei zuerst unterdrückt worden. Die Aufrührer begaben sich dann in die Artilleriekasernen. Die Artille risten hätten infolgedessen gemeutert, ihre Offiziere gefangen gesetzt, an die Bevölkerung Gewehre ver teilt und sich mit vier Feldgeschützen in einer be herrschenden Stellung nach einem von den Revolutio nären im voraus entworfenen Plan festgesetzt. Auch die anderen Truppen seien sodann zu den Meuterern übergegangen, bevor die Regierung imstande war, die Ausstellung der Munizipalgarden zu vollenden. Der Kommandant von Lissabon und viele Offiziere befanden sich zur Zeit des Ausbruchs der Revolution außerhalb Lissabons, in Eascaes, und der König gab dem Marschall da Fonseca ein Bankett. Das vermehrte die Verwirrung und di« Unsicherheit in den royalistischen Truppenteilen, Inzwischen waren dj« Offiziere derFlottean Land gekommen, hatten sich mit Droschkenpferden beritten gemacht, waren durch die Royalisten gesprengt und hatten die Führung der aufständischen Truppen übernommen, die bis dahin von Rebellen befehligt waren. Das Feuergesecht dauerte die ganze Nacht vom Montag zum Dienstag hindurch. Mit Tagesanbruch rückte das Eros der Aus rührer auf Necessidades (das königliche Schloß), wurde aber dort von dem Feuer der Maschinengewehre und einer Infanteriebrigade empfangen und floh in Unordnung unter Zurücklassung vieler Gefangener. Mit Sonnenaufgang hißten Seeleute auf der Marine kaserne die republikanische Flagge. Verschiedene Ab teilungen rückten zum Kampfe gegen die Besatzung des Palastes aus. Gleichzeitig hißten drei Kriegs- schiffe die republikanische Flagge und feuerten Salut. An Bord des Artillerieschulskyisies „Dom Fernando" entspann sich ein heftiger Kampf, der damit endete, daß die Flagge der Aufrührer zeitweilig wieder niedergeholt wurde. Die in Händen der Aufrührer befindlichen Kreuzer „Sao Rafael" und „Adamastor" legten sich mit den Breitseiten vor das Flaggschiff „Dom Carlos", das noch die königliche Flagge führte, aber keinen Schuß auf diese bequemen Ziel scheiben abgab. Die Kreuzer fuhren dann nach Alcantara und eröffneten das Feuer gegen Len Palast auf eine Entfernung von tausend Parbs. Der zweite Schuß riß die königliche Standard« herunter. König Manuel beobachtete das Bom bardement mit größter Ruhe und weigerte sich zunächst trotz wiederholter Bitten seiner Umgebung, den Palast zu verlassen. Als er es schließlich doch tat, lächelte er und rauchte eine Zigarette. (?) Die Flucht des Königs wurde noch demütigender Lurch ein Ultimatum der Republikaner vom Dienstag früh, das dem König zur Abdankung eine Frist bis 1 Uhr nach mittags stellte. Die Republikaner suchten den König an Bord des brasilianischen Kreuzers „Sao Paolo", der Kommandant verweigerte ihnen aber den Zutritt an Bord. Die Kreuzer bombardierten dann die Ge bäude des Kriegs und Marineministeriums, wobei mehrere Beamte an den Schreibtischen, einige Munizipalgardisten und viele Zuschauer getötet wurden. Inzwischen brachten die königstrcuen Truppen Feldgeschütze aus den Dom-Pedro-Platz. Zwei Schüsse schlugen unter den Bedienungsmann schaften des Kreuzers „Sao Rafael" ein, der sich dar auf sofort zurückzog. Jetzt bombardierte das stärkere Schwesterschiff die Zitadelle Sao Jorge, und obgleich das Bombardement nur eine geringe Wirkung hatte, holte die starke Besatzung der Zitadelle die königliche Flagge nieder und hißte die republi kanische. Inzwischen hatte auf Len Straßen der Stadt ein heftiger Artilleriekamps zwischen den königstrcuen und den revolutionären Truppen stattgefundcn, wolui ein Hotel in der Avenida Liberdade ernstlich be schädigt wurde. Die königstreuen Truvven waren im ganzen erfolgreich und benutzten die Dunkelheit, um ihre Stellung noch zu verstärken. Der Artillerie kampf dauerte die ganze Nacht hindurch. Vom Dach eines Hotels aus sah der Korrespondent des „Daily Chronicle". wie der Kreuzer „Adamostor" und - ..Rafael" mit Scheinwerfern die Bucht absuchten. Weiter draußen lag der Kreuzer „Dom Tarlo der den ganzen Tag geschwiegen hatte. Plötzlich be leuchtete ein Scheinwerfer eine Gruppe von Offi zieren und Seeleuten auf dem Achterdeck des „Dom Carlos". Gleichzeitig ertönte eine Geschütz salve. Dieser Vorgang wiederholte sich noch zweimal. Al» der Scheinwerfer das Achterdeck zum dritten Male beleuchtete, war keine Salve mehr notwendig, denn die kleine Mannschaft lag tot am Boden. So starb der letzte Rest der königstreuen Offiziere und Mannschaften des „Dom Carlos", die ihre Anhäng lichkeit an den König mit ihrem Blute besiegelt hatten. (Das Wölfische Telegraphenbureau bemerkt zu diesem Bericht, daß der Korrespondent des „Daily Chronicle" Lissabon am Mittwoch verlassen und sich zu Schiff nach Vigo begeben hat, von wo sein Bericht datiert ist.) Der TVortlaut der 'Proklamation der Republik. Köln, 7. Oktober. (Eig. Drahimeld.) Wie der Lissabonner Korrespondent der „Kölnischen Zeitung" telegraphiert, lautet die Proklamation über die Ein setzung der Republik wörtlich: „Tas Volk, das Heer und die Marine haben soeben die Republik ausgerufen. Das Haus Braganza, das wissentlich den sozialen Frieden böswillig störte, ist für immer aus Portugal verbannt. Diese er staunlich großartige Tatsache, die den Stolz der unbezähmbaren Rasse bildet, sowie die Auf erstehung des Vaterlandes erfüllen mit enthu siastischer Freude die Herzen aller Patrioten. So endet endlich die Sklave rei unseres Vaterlandes, das sich be kränzt in jungfräulicher Stärke. In Erwartung des liberalen Regimes erhebt sich der Bürger, und der gegenwärtige Augenblick belohnt und entschädigt ihn für alle Kämpfe und für alle schmerzlichen Enttäuschungen. Es ist nur nötig, daß sich im Anfang eine Epoche strenger Moralität und unbefleckter Gerech tigkeit bildet, und daß alle Portugiesen sich in harmonischen Grundsätzen vereinen. Aus unseren Opfern für das Vaterland machen wir die Grundlage des politischen Programms und aus dem Edelmut gegen die Besiegten die Grundlage des moralischen Programms. Bürger, möge ein einziges Interesse, nämlich das für das Vaterland, Euch ermutigen, ein Wille, der nämlich, groß zu sein und alles zu vereinen! Die Republik erwartet von dem Volke die Auf rechterhaltung der sozialen Ord nung, Achtung vor der Gerechtigkeit, Hingebung für die gemeinsame Sache und 'opferwillige Liebe für das Zukunftswerk, aus dem die portugiesische Republik entsteht." Wenn die republikanische Regierung alles das hält, was sie in ihrer reichlich großspurigen Sprache den Portugiesen verspricht, dann müßte für Portugal eine Zeit der Blüte anbrechen. Wir glauben indes nicht, daß es Herrn Braga und seinen Anhängern io leicht gelingen wird, das hier geschilderte politische goldene Zeitalter für Lusitanien herauszuführcn. Nach den letzten Meldungen steht nunmehr die Tatsache fest, daß sich König Manuel in Gibraltar befindet. Folgende Depeschen geben Einzelheiten der Flucht der königlichen Familie wieder: Lissabon, 7. Oktober. (Tel.) Wie das repu blikanische Organ meldet, schisst« sich der Herzog von Oporto vorgestern zwischen 5 und 8 Uhr morgens ans der Jacht „Amelia" ein, die nach Ericeira in See ging. Zur selben Zeit begab sich die Königin Amelia im Automobil von Cintra nach Masra, die Königin Maria Pia folgte eine Stund« später. Während der Be schießung des Schlosses Necessidades am Dienstag verließ König Manuel den Palast durch ein« Hintertür, begab sich nach Cintra und von dort nach Masra. 1ü Uhr morgens machte sich die Jacht „Amelia" zur Flucht segelsertig und warf aus der Höhe von Ericeira Anker. Die königliche Familie begab sich mit 2V Schülern der Militärschule von Masra dorthin und traf um 3 Uhr nachmittags ein. Sie bestieg in Begleitung zweier Zivilisten und zweier Hofdamen mit Gepäck unverzüglich Fischer boote, um die auf hoher See liegende Jacht zu erreichen. Köln, 7. Oktober. (Tel.) Der Korrespondent der „Köln. Ztg." telegraphiert weiter: Augen zeugen schildern mir die Abreise der Königsfamilie Der Herzog von Oporto schiffte sich in Lascaes ein. Weinend sagte er, mit tiefem Schmerze verlasse er das geliebte Volk. Er schob di« Schuld an dem Verfall der Monarchie auf den ver hängnisvollen Einfluß seiner Schwä gerin und klagte, daß es ihm unmöglich gewesen sei, seinem Ressen liberale Ratschlag« zu geben. In Ericeira gingen König Manuel und die Königin Amelia an Bord. Der König verabschiedet« sich mit Handschlag von der Fischer bevölkerung, bewegt, doch augenscheinlich froh, mit dein Verlust der Krone davonzu kommen. Die Königin Amelia soll zähne knirschend mit Rache bei ihrer Rückkehr ge droht haben. Ich traf beim Minister des Auswärtige« den brasilianischen Präsidenten Fonseca, der von Bord des Kreuzer» „Sao Paulo" den Ausstand mit angesehen hatte. Sein Besuch hatte den Zweck, die Glückwünsche der brasilianischen Re publik oarzubringen. Die erst« Arbeit der Re» gierung wird di« Herstellung der allgemeine« Ordnung und daraus di« Ausschreibung der Kammerwahlen zur Genehmigung der neuen Verfassung sowie die Präsidentenwahl sei«. Als Präsidenten glaub« ich de« Führer der altrepubli- konischen Partei, den jetzigen Minister de« Aeußer« Dr. Bernardino Mach ado, bezeichnen zu kö««««. Gibraltar, 7. Oktober. (Tel.) Heute morgen flaggten die im Hafen liegenden englischen Kriegsschiffe sowie der amerikanische Kreuzer „Desmoines" und schossen den Königs salut zu Ehren der königlichen Familie von Portugal. Ein Offizier vom Stabe des Gou verneurs begab sich an Bord der portugiesischen Jacht,
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