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rv6 Der Fürst von Hohenzollern soll bei seiner Abreise von Bertin gesagt haben, der Krieg sei unvermeidlich, wenn Oesterreich keine Gelkentschä- diqung süO Millionen Thaler) annehme. Der Kö nig scheine die Annexion von Schleswig-Holstein um jeden Preis zu wollen. Preußen hat durch eine Depesche den deut schen Höfen die Erwartung ausgesprochen, daß sie zu ihm (Preußen) stehen und zur Aufrichtung eines neuen Bundes milwlrken würden. Es er wartet bestimmte Antwort, die ihm wohl schon von einigen Staaten gegeben ist durch die Hin- w.ilung auf dir Bund,sacke, wo der §11 be stimmt, daß jeder Streit zwischen Bunbesgliedern vor den Bundestag gehört. Diesem wollen weder Preußen noch Oesterreich das Wort gönnen; ein deutsches Parlament giebts nicht, der österreichische Reichstag ist suspendirt, der preußische Landtag heimgesckickt. Ist das deutsche Volk in seiner wichtigsten Angelegenheit mundlokt? Doch nicht ganz. In Köln und Solingen haben Volks versammlungen erklärt: wir wollen keinen deutschen Brüder, und Bürgerkrieg! Wird Berlin diesem Beispiele richt folgen? Werken nicht aus zahl losen Siadten und Städtchen Preußens und Oe sterreichs telegraphische Depeschen an König und Kaiser kommen mit dem Rufe: wir wollen kei nen Bürgerkrieg! Italiens scheint Bismarck sicher zu sein, wenn'S gegen Oesterreich gebt; am Po wird eine Armee zusammengezogen. Napoleon verspricht neutral zu bleiben; aber wie lange? Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß er nur die Gelegenheit abwartet, um sich in den Streit zu mischen und natürlich nicht odne Aussicht auf Entschädigung. Auch Rußland rüstet, nach Briefen aus Pe tersburg, gewaltig. — In Magdeburg sind seit einigen Monaten über I0U Menschen an den Pocken gestorben. Diese bökaetiqe Seuche bat ihre Opfer unter Men schen jeden Alters, Geschlechts und Standes gefor dert, nur unter der starken Garnison nicht, weil die Rekruten beim Eintritt in's Heer nm geimpft werden. Emige Mann der Handwerker-Compagnie waien nicht geimpft worden und liegen an den Pocken nieder. Da die Seucke sehr bösartig auf- trilt, so ermahnen der Polizeipräsident und der Kreisst ysikus in öffentlicher Ansprache daS Publi cum, sich impfen zu lassen. — Aus Mailand vom 25. März gehen der Neuen Frankfurter Zeitung folgende Miitheilungen über die durch klerikale Reaktion angestisteirn Greuelthaten gegen die dortigen Protestanten zu: „In Barletta befindet sich seit zwei Jahren eine protestantische Schule, die im allerbescheibensten Maßstabe wirkt und mit einer Kirche in Verbin dung steht, die wenige Anhänger zählt, welche sich vor noch nicht langer Zeit in Barletta angesiedelt haben. Als die protestantischen Kinder am Dienstag aus ihrer Schule he,au-kamen, stürzte sich plötzlich «in wilder, von einem Geistlichen Namens Ruggiero Postiglioni gefühlter Haufe von Gesindel auf die selben, hieb mit Stöcken auf die Unschuldigen ein, sodaß sofort drei Kinder todt blieben und acht andere schwer verletzt wurden. Unter dem Rufe: „E's lebe der Papst, nieder mit den Verfluchten", erstürmten sie die Schule, wo weiter 14 Personen getöktet wurden. Der elende Pfaffe, der die Rotte führte, hielt selbst in jeder Hand die abgeschnitlenen Aerme von Kindern! Der Prediger und gleichzeitig Lehrer der protestantischen Gemeinde, ein würdiger Geist licher von deutscher Abkunft, konnte sich mit knapper Notd und mit Lebensgefahr über die Dächer zweier Häuser vor sicherm Lode reiten und sich in die Unteipräfeciur flüchten. Aber auch kiese blieb alS- dann vor der Wuth des PöbelS nickt befreit, welcher das Piässclurgebäude stürmte. Der Unterp-äfect flüchtete sich ebenfalls über das Dach unk stürzte durch einen Schornstein, wobei er schwere Ver wundungen erlitt. Ebenso erging es einem Poli zeicommissar und drei Polizeigardisten, die sehr schwer v-rletzt sind. Ein anderer Polizeibeamter, der einige Aehnlichkrit mit dem protestantischen Geistlichen hat, wurde getödtet. Hierauf wälzte sich der Haufe in das HauS eines Proiestanlen, der auf die barbarischste Weis« ermordet wurde, worauf die Unholve, immer unter Führung der Geistlichen, denen sich minlerweile andere Pfarrer mit brm Erucisix in der Hand beigesellt batten, daS Haus in Brand steckten. Als der Hausverr sich her Plünderung, welche voranging, zu wiker- sctzen versuchte, erhielt auch er unter dem Rufe: „Es lebe der Papst", einen Stich in die Brust, der ibn tokt niedeistreckte. Als brr Präfect Fakci- otti aus Bairi ankam, bedeckten bereits viele Lei chen das Pflaster, und erst einen Tag darauf kam militärische Hilfe. Ungefähr 70 Individuen, wo runter vier Geistlich«, wurdrn verhaftet, und tag- darauf wär« eS fast zwischen der Bevölkerung und den Lruppen zum Kampf gekommen, ka erstere di« Befreiung der Verhafteten verlangte und neuer dings zu tumultuiren begann." Barletta ist übrigens ein ziemlich bedeuten der Hafenort in der Provinz Bari, am Adriati schen Meere; er hatte bei der Volkszählung vom Jahre 1862 26,474 Einwohner. — Leipzig, 30. März. Noch ist der an unserm Mitbürgrr Markert verübte Raubmord nicht abge« urtbeilt, noch find die Gemächer von de« letzten unseligen Branbunglück tief erschüttert, noch sucht man vergebens nach einem Schlüssel zu der be dauerlichen Tbatsacke deS seit Neujahr so bedenklich häufigen Vorkommen» von Selbstmorden und Selbst mordversuchen, und schon wieder läuft die Kunde von einem in unsern Mauern »orgekommenen schwe ren Verbrechen beunrubigend »nd beängstigend durch die Stakt, von einem verbrechen, da» einen um so entsetzlicher» Eindruck hervorzubring-n geeig net ist, al» der Verbrecher ein noch ganz jugendli cher Mensch ist und doch bereit» mit einer grauen haften Rube und Ueberlegung sich angesckickt hat, seiner Geldgier ein Menschenleben zum Opfer zu bringen. In den Victualienladen de» Hrn. Eydner in Nr. 2 der Querstraße trat gestern Abend wäh-