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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.11.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101101027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910110102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910110102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-01
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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Brzugö-Preis lür uad ««orte durch «H«, lrL-er uni Spedueur« 2»,l tt-lich »« Hau« gebracht: vv nanatl., 4.70^» »ieneliährl «et unter, Filiale, u. An» oatzsebellen adgeholir 72 luonatl., R.>2 viertetjthrl. Durch dt« Post: In«rha>d Deuitchlanb« und der deuttchen Kolonien »,ertelitl,rl. lt.tiU monall. nutichl. Poslbeftellftkld. ferner >« Belgien, Dtnemark, den Donauslaaten, Italien, vuremburg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich - Ungar», Nu bland, Schweden, Schwei, u. Spanien. In allen udrigrn Staaten nur direkt durch dw Geschüirillell« de« Blatte« erhältlich. La» Lechgiqer Tageblatt erlcheint H mal täglich, Cona- u. Ancriag» nur morgen«. Ado»»«.. ent»Lnuadine: Auguftu-platz 8, da unteren Trägern, Filialen, Spediteuren und AnnahmelteUen, towie Poktänuern uuo Briefträger». Ui»g«Iverk,ul«preir »er Morgen» »»«gab« lt) bei Abenbuu«gade 2 Abend Ausgabe. UciWgtr Tagtlilalt Handelszeitung. Ämtsvkatt des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. ^lnzcis.en-'prers chr Interare au- eio„g u>i» umgebmu, bi» llgelvalien« Sb mm brate Pent,eile L -!t, die 74 mm breit« Nella-uejeU« l nm, »u«wttt« uo ilteklLmea l.Lt ^t; Inlaute von Bedbrden m amtlichen Teil ble 74 mm drrite Petin^tl« 4n «elchä »«an,eigen mit P agoorichritte» »n» m der Abendauigabe in, Pre>ie erhobt. Nadal, nah aar>I. Bcilagegebüdr S «.Tauten» exU. Postgebühr. Ieftateilte Autträge können nicht ,urück- ge,ogen werden. Iür du» urlcheinea an beinmmren Tagen und Plagen wird laue Äarantre übernommen Ln,eigen-Annahme: Auguüu«plah 8, bei ttmrlichen iIilialen u. allen Annoncen- Expeditionen de» In- und Au»landet. lliebaktton unk Geschäfkbllell«! Iodannisgast« ». Ferulpre«er: >46it^ l4«!», »4ÜU4. Haupr.Ailiale Lre-de« Seeilras« 4, l (Telephon 4821). Nr. 30 l. Vlensisg, üen l. Novcmbrr isio. 104. Jahrgang. Sszzia üurch üen „Deüüing". I-v. Berlin, 31. Oktober. Die Krawalle im Wedding lösen die in Moabit ab, nur mit dem Unterschieds, daß der Wedding, der im höchsten Norde» Berlins gelegen ist, zum großen Teil ein licht- scheues Gesindel beherbergt, und dah die Zu hälter und Verbrecher Berlins hier ihre eigentlichen Wohnstätten haben. Hier spielen sich die nächtlichen Orgien ab, wo unheimliche Gesellen ihre unheim lichen Pläne schmieden, und wo das Leben in seinen Untiefen brodelt. Das Laster jeder Gestalt hat hier seine Stätte, die wir unter Führung bewährter Männer kennen lernen. Der Weg geht von Kaschemme zu Kaschemme. Der hühnenhafle Führer unserer Patrouille führt uns in stille Nebengassen, in denen das rote und grüne Lichr der Laternen mit „verheißungsvollem" Flackern den Passanten anlockt. Das erste Ziel ist eine Kneipe, rn der die „sexuellen Zwischenstufen" Unterschlupf finden. Die Kneipe ist leer und bald geht es weiter. Trübe und düjrer brennen die Gaslaternen, nur müh sam die Strohe erhellend. Wildes Klavierspiel, unterbrochen von Schreien, Toben und Ec»"«" grölt uns aus einer kleinen Kaschemme entgegen. Der Lärm wird ohrenbetäubend, als wir die Tür öffnen, den Fricsvoryang zurüctschieben und eintreten. Im Äugenblick ist eine fast unheimliche Stille einge- trelen. Unser Besuch ist der Aestgesellschaft — um eine solche handelt es sich anscheinend — etwas un erwartet gekommen. Aber die an ihnen sonst nickt übliche Befangenheit legt sich, als sie unsere nicht gerade bösartigen Absichten erkennen. Und ihr Freudenrausch ist auch nicht ganz unberechtigt. Einer ihrer Zunstgenossen ist am Nachmittag aus Moabit zurückgekehrt. Der „schöne Max" sitzt nun am >vlav,er und lobt seine Freude auf den Tasten aus und be gleitet sein flottes Spiel mit seinem Gesang, dessen Nefrain die — ich hätte beinahe gesagt — Insassen milgrölen. In eurem tlenien, niedrigen, fan qua dratischen Raum stehen, sitzen und lümmeln sich etwa zwanzig kräftige, gesunde, junge Burschen, die vor der Arbeit eine unheimliche Abneigung haben — wie mir einer stolz versicherte —, und dre von ihrem Sündengeld ein sorgenloses Dasein leben. Dir „Kavaliere", schick und modern angezogen, das Jackett auf Taille gearbeitet, gutsitzende Lackstiefel an den Fügen — aber keinen Kragen um den stolzen Hals — anscheinend das internationale Zeichen ihrer Gilde. Wie ihre von ihnen beschützten Damen sie an- jchnrachten und umschmeicheln, und mit welchem Paschastolz die Herren sich das Girren gefallen lassen! Hat eine von den übermenschlich angemalten Grazien sich gewärmt und auch ihrem Innern einen wärmenden Schluck einverleibt, dann befiehlt ein Blick ihres Gebieters, Las Obdach wieder zu ver lassen, das sie erst wieder aufsucken, wenn sie ihrem Herzenslönig ihren Tribut in klingender Münze zu leisten vermögen. Im Hintergrund des Lokals, das sich nischenartig erweitert, halten einige antiquierte Damen, mit Schmuck behängt, Cercle; ein Anblick, der selbst Wilde schaudern machen kann. Als wir auf die Straße treten, gellt ein durchdringender Pfiff durch die nächtliche Stille: Wanderinnen, seid gewarnt. In einem andern Lokal, zu dessen armseligem Ge mäuer ein paar Stufen hinaufführen, geben die ge - wohnheitsmäßigen Einbrecher sich ihr Stelldichein. Dicht aneinandergedrängt, stehen und sitzen wohl fünfzig Leute in einem kleinen, stickigen Raum, der nur selten die Segnung einer Ventilation erfahren mag, wo das längere Verweilen einen phasischen Ekel hervorruft. Mit verlegenem, ver schlagenem Lächeln werden wir verständnisinnig be grüßt, stechende, unheimliche Blicke schießen zu uns herüber. Zweien von ihnen scheint in unserer An wesenheit aber doch nicht ganz wohl zu sein, und mit kurzem, hastigem Gruß verlassen sie die ungastlich ge wordene Halle. Andere wieder sind mit der Hand sofort an der Brusttasche, bereit, ihre wohlpräpa- ricrlen „Flebben" auf Wunsch zu entfalten. Dann fallen wir in eine Kneipe ein, die meinem un erfahrenen Gemüt das Trostloseste und Grauenhafteste zu sein scheint, wo Menschen Hausen. Ein unendlich schmieriger und ungelüfteler Raum, in dem die „Hexe" aus „Hänsel und Gretel" die Wirtin zu sein scheint, schmutzige Tische, traurige Draperien und als Gäste eine zahnlose Alte, die mit widerlicher Stimme und üblen Gesten ihre obszönen Lieder singt und ihren „Freund", einen jungen, ganz nett aussehenden Burschen betreut. Ein dritter East, ein aller, verwahrloster Mann, der, völlig von Fusel durchtränkt, sich nur mühsam auf seinem Stuhl auf recht hält und die Sängerin „sinngemäß" mit seinem Takt begleitet. Wir wollen als letzter noch einer Wirtschaft einen Besuch abstatlen, in der Obdachlose, Penner und Pennschwcstern die Nacht zubringcn. Die Räume, die in den vorhergehenden Zeilen geschildert sind, sind elegant und komfortabel zu nennen im Vergleich zu dem, der sich hier ineinen entsetzten Augen bot. Aufrecht konnte man nicht stehen, es war kaum mög lich, sich umzuürehen, so eng und schmal ist der „Schenkraum", und doch saßen oder lagerten dort zwanzig Personen beiderlei Geschlechts, um für einige Stunden einen ruhelosen Schlaf zu finden, bis der grauende Morgen sie wieder hinausjagt in das Elend, die Not und Pein des Tages. Ein be jammernswerter Anblick, der aber in seiner er schütternden Armseligkeit noch durch das Folgende übertroffen werden sollte. Schlimmer als eine Szene aus Gorkis „Nachtasyl" mutete der An blick uns an: Zn einem fensterlosen, hinter dem Schenkraum gelegenen — man kann es nicht anders nennen — Loch war eine große, grobe Decke, an scheinend über Säcke, ausgebreitet. Und als wir eine Ecke lüpften, neugierig, um zu sehen, wer da drunter wäre, tauinelten wir bald zurück. Da lagen dicht an einander gedrängt unglückselige Wesen, Frauen, Männer, za sogar Kinder, die Allerärmsten der Armen, zu einem schrecklichen Schlummer gebettet und doch noch froh, daß sie ein schützendes Dach in der Winternacht gefunden. * Die Lage im Wedding scheint bedeutend ruhiger geworden zu sein. Die hin und wieder noch aus tauchenden Menschenansammlungen lösten sich auf die Aufforderung der Schutzmannschaften, ohne daß es zu Zwischenfällen kam, auf. Hoffentlich haben nunmehr die unerfreulichen Vorgänge ihr Ende erreicht. Berlin, 1. November. (Telegramm.) Der gestrige Abend ist am Wedding erheblich ruhiger ver laufen als an den Vortagen. Um 8 Uhr abends sam melten sich in der Schererstraße etwa fünf- Hunde rt Menschen, die sich vor dem Eeschäfts- lok.il von Morgenstern stauten. Der Aufforde rung, auseinanderzuqehen, wurde sofort entsprochen. In der zehnten Stunde verliefen sich die Menschen auf den Straßen. Etwa 300 Personen gingen noch auf und ab. Die Polizei zog die Hälfte der Schutzmann schaft zurück. polllilche Nachrichten. Reichstagskandidatur Martin? Im 2. sächsischen Reichstagswahlkreise Löbau- Ebersbach will nach den „Dr. Nachr." der als schriftsteller bekannte Regierungsrat a. D. Mar tin, ein geborener Herrnhuter, als Gemäßigt liberaler kandidieren. — Es wäre interessant, zu erfahren, welche politische Organisation den Rc- gierungsrat Martin aufstcllt; bei den National liberalen darf er jedenfalls auf keine Gegenliebe hoffen, denn sie werden auf jeden Fall die „nationale Gefahr" Dr. Weber auf den Schild heben. Doch noch eine französische Kabinettskrise? Paris, 1. November. (Telegramm.> Das „Echo de Paris" verzeichnet neuerdings das Gerücht, daß Vriand, gestützt auf die ihm durch das Vertrauens votum der Kammer verliehene Autorität, die Absicht habe, eine Umgestaltung des Ministeriums vorzunehmen. Außer Ruau und Viviani würde auch der Z u st i z m i n i st e r aus dem Kabinett ausscheiden und durch den radikalen Deputierten Rognand ersetzt werden, der in der Sonntags sitzung der Kammer in einer wirkungsvollen Rede fürdie Regierung eingetreten ist. Ferner werde von der Möglichkeit gesprochen, daß auch der Finanz minister und der Unterrichtsminister ihre Entlastung geben. Ein spanisch-französischer Zollzwischenfall. Madrid, 1. November. (Tel.) Ein Telegramm der „Epoca" aus Tetuan vom 28. Oktober besagt: Der Statthalter beschlagnahmte auf dem Zollamt zwei für den französischen Kon sul bestimmte Kisten. Als er diesen bat, sie zu öffnen, um sich zu überzeugen, daß sie keine un erlaubten Sachen enthielten, weigerte sich der Konsul. Der Statthalter erklärte, er werde die Kisten nicht abliefern, da er vermute, daß sie Munition enthielten. Politische Umgestaltungen in Serbien. Wien, 1. November. (Tel.) Wie dem „Neuen Wiener Tagblatt" aus Belgrad gemeldet wird, steht in Serbien eine große politische Umge staltung der beiden größten Regierungsparteien bevor. Die Altradikalen und Zungradi- kalen beabsichtigen, sich zu einer Partei zu- sammenschließen. Ebenso finden Verhandlungen Milchen oen Oppositionsparteien, den Nationalisten und den Fortschrittlern zwecks einer Verschmelzung dieser Parteien statt. Falls diese Verhandlungen zum Ziele führen, sollen Neuwahlen ausgeschrieben werden. Di« bulgarisch-türkischen Erenzunruhen. Sofia, 1. November. (Tel.) Nach einer Blätter meldung aus dem Grenzgebiet wird berichtet, daß fünf bulgarische Banoenchefs, darunter der bekannte Bandenführer Tschernopejeo, bei Eornia Dechumaja von türkischen Soldaten überrascht wurden. Drei Bandenführer wurden schwer verwundet und einer getötet; die Verwundeten sind entkommen. Gepäckträgerftreik in New York. New York, 1. November. (Telegramm.) Der Streik der Gepäckträger, der vor einigen Tagen aus gebrochen fit, nimmt zu. Gestern fanden an ver- schiedenen Stellen Ausschreitungen statt. Man befürchtet einen Ausstand der Gepäckträger im ganzen Lande. London, 1. November. (Telegramm.) „Daily Telegraph" meldet aus New York: Zn New York Späte Gerechtigkeit. 3) Roman von Wilhelm Schwedler. (Nachdruck -ervoteu.) Viertes Kapitel. Die nächste Zukunft brachte in der Papiervilla wie in der Fabrik nichts Neues, und auch James Bartlett selbst wurde nicht beunruhigt, ohne daß er jedoch seine Scrgen los wurde. Er versuchte nicht wieder, die Wohnung seiner ehemaligen Geliebten ausfindig zu machen, da er wußte, daß dies unmöglich sei, aber er hatte sich fest vorgenommen, wenn sie jemals wieder seinen Weg kreuzte, ihr sofort nachzugehen, und wenn es an seinem Hochzeitstag sein sollte. Er ging auch mit dem Gedanken um, sich an diesem Tage von Privatdetektiven bewachen zu lasten, aber als er von Jane wochenlang nichts sah und hörte, kam er von dem Gedanken wieder ab. Es wäre doch zu lächerlich gewesen, zum Schutze gegen eine verlaßene Geliebte womöglich die Polizei heranzuziehen. Inzwischen kam der Hochzeitstag näher, während James Bartlett sich seiner Sache immer sicherer fühlt«. Eine Wohnung, geräumig, freundlich und elegant, wurde für das junge Paar im Vorderhaus« eingerichtet, und es bereitete ihm selbst wie besonders seiner Braut ein kindliches Vergnüge^ in den Läden umherzugehen und dieses oder jenes Stück im Haus halte selbst einzukaufen. Alles ließ sich trefflich an und sämtliche Betei ligte schienen mit. den Arrangements äußerst zu frieden. Sogar Fred hatte sich wieder seiner Familie genähert, und in einem Anfall brüderlicher Zärt lichkeit sogar seiner Schwester versprochen, das Bild, an dem er den ganzen Winter gearbeitet hatte, ihr zum Hoch^sitsgeschemk zu machen, unter der Bedingung, dag es in einem Zimmer aufgestellt würde, wo kein profanes Auge darauf fiel, da er di« Absicht hatte, es auf der Ausstellung der König lichen Akademie der Künste zu schicken. Sein« Ab neigung gegen ihren Bräutigam konnte Fred jedoch immer noch nicht überwinden, und er gab seinem Vater gegenüber wiederholt der Ansicht Ausdruck, daß dies« Verbindung mit dem „Plebejer", wie er Zame» Bartlett verächtlich nannte, nimmermehr zu etwa« Gutem führen könnte. Di« Vorbereitungen waren aber schließlich alle beendet und die Zeit de« Hangens und Bangen» für James vorüber. Am Tage vor der Hochzeit fand wiederum in den Räumen der Papierfabrik eine Festlichkeit für das Personal statt, bei der sich auch das Brautpaar zeigen mußte. Es war ein Bild, besten Anblick James Bartlett, den ehemaligen Adressenschreiber in Ostende, wohl mit Stolz und Genugtuung erfüllen konnte. Zn dem geschmückten und hellerleuchteten Saale saßen an langen, reich besetzten Tafeln über 300 Arbeiter und Arbeiterin nen, die nun, wie er sich mit Stolz sagen durfte, alle seine Untergebenen waren. Die fröhlichste Stim mung herrschte, aber als das Brautpaar eintrat, erhoben sich alle ehrerbietig. Der älteste Arbeiter trat vor das Paar, stammelte im Namen seiner jüngeren Kollegen einen Glückwunsch und dankt« für die Festlichkeit. Dann gingen die beiden jungen Leute in Begleitung des alten Herrn zwischen den Reihen umher, um hier und da einige freundliche Worte mit den Arbeitern zu wechseln. Als sie an den Tisch kamen, wo die Falzerinnen und Sortiererinnen saßen, wandte sich plötzlich Lilly zu ihrem Bräutigam und sagte halblaut, so daß es nur die zunächst Sitzenden hören konnten: „Sieh doch, James, welch' prachtvolles goldenes Haar." Der junge Mann fuhr unwillkürlich zusammen. Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Ahnung von dem, was seiner harrte. Aber schon in der Sekunde, während deren er sich zu seiner Braut umdrehte, überlegte er sich in fieberhafter Eile, wie er sich zu verhalten habe, und noch ehe er dazu kam, sein« Augen auf Zane Dixon zu richten, war er fest entschlossen, im schlimmsten Falle alles abzuleugnen und den Erstaunten und Beleidigten zu spielen. Er war der festen Ileberzeuaung, daß jeden Augenblick der Sturm losbreckcn müßte, der ihn vielleicht seiner glänzenden Zukunft berauben werde, er verwünscht« im stillen sich selbst und seinen Leichtsinn, der ihn daran verhindert hatte, ihrem Verbleib nachzufor schen und noch einen Versuch zu ihrer Besänftigung zu machen, aber er kam ander«, al« er erwartet hatte, und seine Besorgnisse schienen wiederum umsonst: Zane Dixon sah ruhig zu dem Brautpaar auf, und nicht eine Muskel zuckte in ihrem Gesicht, als die kleine Gruppe an ihr vorüberschritt. „Ein schöne» Mädchen", sagte Lilly bewundernd, „aber so ernst." „Hat vielleicht ihre Ursachen." erwiderte James achselzuckend und anscheinend vollkommen gleich gültig. Er tat, als wäre sie ihm so fremd, oder wenigstens nicht mehr bekannt wie alle anderen im Saale, aber er fühlte, daß ihr Blick ihn verfolgte, und eine nervöse Unruhe überkam ihn. Während man sich auf die Abendgesellschaft vor bereitete, ging er auf das nächste Postamt und bat telegraphisch ein bekanntes Bureau in der City um den Besuch eines sehr geschickten Detektivs. Dann begab er sich nach seiner Wohnung, um diesen zu erwarten. Zn der Zwischenzeit überlegte er sich, was er dem Manne eigentlich für einen Auftrag geben, wieviel er ihm enthüllen sollte. Das einfachste und sicherste war wohl, wenn er ihm die volle Wahrheit sagte. Aber selbst dann, was konnte er für ihn tun? Es wäre zwar ein leichtes gewesen, Zane beim Ver losten des Fabrikgebäudes nach der Festlichkeit zu verhaften und unter irgend einem Vorwande über den Hochzeitstag hinaus in Gewahrsam halten zu lasten, aber das englische Gesetz bestimmt, daß ein Gefangener innerhalb 24 Stunden vor den Richter geführt wird. Er hätte dann als Zeuge erscheinen müssen und die Anklage wäre in sich selbst zusammen gefallen. Zane hatte sich bis jetzt nicht das mindeste zuschulden kommen lasten, und wenn er nicht vor sichtig war. so konnte er selbst noch mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Es blieb ihm sonach weiter nichts übrig, als abzuwarten, bis sie irgend einen Angriff wagte, — und dann war es vielleicht zu spät. Aber auch dann konnte er nicht einfach die Polizei einschreiten lasten, denn seine Absicht war es ja gerade, jeden offenen Konflikt zu vermeiden. Sicherlich befand er sich in keiner angenehmen Lage, — er wußte eigentlich nicht, was er mit dem De tektiv anfangen sollte, und doch fühlte er in seiner Unsicherheit das dringende Bedürfnis nach irgend welchem Schutz. Er sah nach der Uhr und bemerkte, daß er kaum noch eine Stunde Zett hatte bis zum Beginn der kleinen Festlichkeit, die die Hochzeit einleiten sollte. Unmöglich konnte er nach dem Zwischenfall bei der Verlobungsfeier die Gesellschaft heute warten lasten. Er begann schon ungeduldig zu werden, als der Portier des Hauses eintrat und ihm eine Karte überreichte: „Harry Marks für Slater L Co." Das war der Ersehnte und James ließ bitten. Zm ersten Augenblick war er etwas enttäuscht, denn der Eintretende zeigte in seinem Aeußeren durch allein sind 12 000 Gepäckträger aus ständig, gegen die 7000 Schutzleute aufgeboten wurden. Gestern wurden Arbeitswill ige von Streiken den angegriffen; dabei wurde geschossen. Die berittene Polizei ging gegen die Menge vor. Mehrere Bureauangestellte schlossen sich Len Ausständigen an. Kus Leimig und Umgegenü. Leipzig, 1. November. Wetterbericht der Künigl. Sachs. Landes-Wetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 2. November. Stürmische Westwinde, bedeckt, milde, zeitweise Regen. Pöhlberg: Matter Sonnenuntergang, Him- melssürbung gelb. Fichtelberg: Nachts schwacher Nebel, Sturm aus West bis Nord. * * Ordenswesen. Der Kaiser von Oesterreich hat dem Chef der Firma Breitkopf L Härtel, Geheimen Hofral Dr. Oskar von Hase, das Komtur kreuz des Franz - Josef - Ordens verliehen. Die Ordensauszeichnung wurde dem Genannten heule durch Oberbürgermeister Dr. Dittrich an Ratsstelle überreicht. * Jubiläen. Der Dortefeuiller Friedrich Gustav Michael in Großdalzig begeht heute Las Jubc- läum 25jähriger ununterbrochener Tätigkeit in der Fabrik feiner Lederwaren von C. E. Pilz in Leipzig, Klostergasie 5. — Heute, am 1. November, kann He:r Wilhelm Fiedler als Portier auf eine 2öjährlge Tätigkeit im Hotel Hentschel, Roßplatz 1, zurück blicken. * Der Verein der Fortschrittlichen Volkspattei in Leipzig hält heute Dienstagabend im Saale des Börsenrestaurants eine Versammlung ab, in der Kaufmann Richard Pudor-Kleinstorkwitz über „die Wahlparole des Reichskanzlers: Der Schutz oer nationalen Arbeit" sprechen wird. Gäste sind will kommen. Erster Bolksunterhaltungsabend. Wer am Sonn abend die Reihen der Zuhörer überblickte, die in froher Erwartung die werte Alberthalle bis auf den letzten Platz fällten, wer den stürmischen Beifall hörre, der alle Darbietungen lohnte, der fand aufs neue be stätigt, daß die Einrichtung der Volksunterhaltungs abende nicht genug zu loben ist, ja daß sie in einer Großstadt wie Leipzig unbedingt notwendig ist. Sehr anerkennenswert ist es dabei, daß stets nur die besten Kräfte für die Mitwirkung gewonnen werden, was auch am Sonnabend wieder der Fall war. Den den Mittelpunkt des Abends bildenden Vortrag hatte Herr Dr. med. Karl Bornstein übernommen, der über „Wohnung und Gesundheit" sprach. Er betonte zunächst, wie förderlich eine praktisch eingerichtete Wohnung für di? körperliche und geistige Gesundheit sei, und legte dann, indem er einen Tag in einer Familienwohnunq beschrieb, dar. wie man eine solche mit einfachen Mitteln zweckmäßig gestalten könne. Daß die fruchtbaren Anregungen, die Herr Dr. Born stein gab, volles Verständnis gefunden hatten, bewies die starke Zustimmung am Schluß des Vortrags. Vorher hatte Frau Monnard einen von Herrn Herbert Berthold verfaßten Prolog gesprochen, der in gewandter Form den schönen Zweck der Abende pries. Die beliebte Schauspielerin unseres Stadt theaters rezitierte nachher mit vollendeter Kunst eine Marie-Antoinette-Legende, und als sie vollends im aus nichts von dem Typus jener Männer, die man sich unter Kriminalpolizisten vorzustellen pflegt. Es war eine klein«, gedrungene Gestalt, mit einem völlig bartlosen, zwar intelligenten, aber durchaus uninteressanten Gesicht. Nur ein paar scharfe, durch dringende Augen ließen aus gewiße Fähigkeiten schließen. „Ich habe wohl kaum nötig," begann der Detektiv, die Ursache meines Besuches zu erwähnen, und er warte deshalb Ihre Anweisungen." James war sichtlich in Verlegenheit, er wußte nicht recht, wie er die Sache anfanaen sollte. „Es ist eine etwas eigentümliche Mission, derent wegen ich Sie rufen ließ," begann er schließlich. „Es handelt sich nämlich nicht um ein begangenes Berbrechen, sondern um die Verhütung eines solchen, oder vielmehr um die Verhütung — hm — einer Szene, die eventuell Schwierigkeiten für mich im Gefolge haben könnte. Ich habe morgen — wenn alles glatt geht, Hochzeit, und dafür, daß alles glatt geht, sollen Sie eben sorgen." Der Kriminalist nickte schweigend. Er wußte jetzt ungefähr, was kommen würde, aber er hütete sich, in irgendeiner Weise das Bekenntnis zu unter brechen. Nachdem James seine Geschichte bis zum letzten Zwischenfall in der Fabrik vorgetragcn hatte, fragte er trocken: Aus wielange soll demnach diese Person unschädlich gemacht werden?" Ton und Inhalt dieser Frage gaben James einen Stich ins Herz, und es war ihm noch immer nrcki angenehm, Jane als „diese Person" bezeichnet zu hören, aber es war jetzt nicht die Zeit, kleinliche Sentimentalitäten zu berücksichtigen in einem Augen, blicke, wo er so nahe vor der Erfüllung seiner Wünsche, der Erreichung seines großen Zieles stand, und er antwortete daher: „Für möglichst lange Zeit, — am besten für immer." Der Detektiv schüttelte den Kopf: „Das geht selbstverständlich nickt, wenigstens nickt, ohne daß wir selbst mit dem Strafgesetz tn Konflikt kommen " „Das ist meinerseits ausgeschlossen," entschied der junge Mann, worauf der Detektiv lächelnd erwiderte: „Es gehört auch bei uns nicht gerade zu den an genehmen Seiten des Berufes, aber man wendet be- kanntlich auch in der Medizin Gifte der Heilung wegen an." James Bartlett sah, daß er einen jener Menschen
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