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Umschau. Die Thronrede, womit unser König den Land tag eröffnete, hat nicht bloS in Sachsen, sondern überall einen höchst günstigen Eindruck gemacht. Keine Spur von der Verzweiflung, den Jammer, der in manchen Kreisen über den Friedensvertrag und den Anschluß an den norddeutschen Bund herrscht, sondern eine frische Zuversicht auf die Zu kunft SachsenS ist darin zu finden. „Sowie es mein fester Entschluß ist, dem Norddeutschen Bunde, der unter Preußens Leitung sich bildet, und allen eingegangenen Verpflichtungen dieselbe Treue zu bewahren, die ich dem alten Bunde gehalten habe, so wird cs auch nunmehr unsere gemeinsame Aufgabe sein, diesem neu sich bildenden Verhältnisse mit frischem Muth, mit Offenheit und aller Redlichkeit entgegcnzu- kommen und für seine günstige Gestaltung auch anderweite Opfer nicht zu scheuen." Das sind echt königliche Worte! — General v. Moltke, der Chef des preußischen Generalstabs, hat der sächsischen Armee ein glanzendes Zeugniß ausgestellt. „Die Sachsen, sagte er, haben sich überall und besonders bei Problus außerordentlich geschlagen, in der großen Entschei dungsschlacht bei Königgrätz waren sie die einzigen, welche nicht von dem panischen Schreck ergriffen wurden, der die Niederlage der Oesterreicher in völ lige Flucht verwandelte. Eine geschlagene Armee, die dem Unvermeidlichen sich fügend, ruhig und geordnet das Schlachtfeld verläßt, kann sich dem Sieger fast ebenbürtig zur Seite stellen, und wolle Gott, daß dies geschehe, und bald." Ein anderer preußischer General erklärte, daß die Sachsen, treff lich geschult, mit verzweifelter Tapferkeit sich wehrten. „Da lag Ordnung und Disciplin darin, das klappte ganz anders." — Die Offiziere der ehemaligen hannöverschen Armee find in einer höchst traurigen Lage. Preußen möchte die tapfern Männer, die es bei Langensalza kennen gelernt hat, gern für sich gewinnen; eine große Anzahl, besonders der jüngern Offiziere, würde auch bereit sein, in preußische Dienste zu treten, aber König Georg weigert sich beharrlich, sie ihres Fahneneides zu entbinden. Nun ist zwar Preußen verpflichtet, ihnen die gesetzliche Pension zu gewäh ren, was ist aber eine Lieutenants-Pension? Bis die ganze Sache geregelt ist, erhalten sämmtliche Offiziere ihre Gehalte fort, was für die höhern Grade wohl ganz angenehm, die niedern aber für die Länge der Zeit kaum erträglich erscheinen dürfte. — Nach dem Pariser Frieden 1814 belohnte der König von Preußen seine Heerführer dadurch, daß er ihnen bedeutende Domänen schenkte: Blücher im Werthe einer halben Million, Vork, Kleist und Bülow je von 230,000 Thlr. Der jetzige König hat zwar keine Domänen zu verschenken, die durch die Verfassung dem Staate angehören, die obersten Generale sollen aber dennoch belohnt werden, wie es scheint durch Geld. Die Minister verlangen zu diesem Zwecke Mill, von den Kammern; diese 370 wünschen aber vorher die Namen der Empfänger zu erfahren, waS bisjctzt verweigert wird. Die Sache kann ein neuer Zankapfel zwischen Regie rung und Volksvertretung werden. — Die preußischen Soldaten erhalten eine Sold zulage von täglich 6 Pf. — Kladderadatsch läßt den Füselier Knutschke fragen: Was ich mir davor koofe? — Am Harz hat man bemerkt, daß unter den Wandervögeln, die nach Süden ziehen, sich auch der Dompfaff oder Gimpel befindet. Die Vogel steller behaupten, dies sei selten und nur dann der Fall, wenn ein strenger Winter bevorstehc. In Wien, Prag, Regensburg rc. würden sie gern ihre Dompfaffen von der jesuitischen Species mitschicken und für einen strengen Winter in den Kauf nehmen. Eine sehr auffällige Beobachtung ist in Böh men und Mähren gemacht worden. Seit 1861 sind dort in den Monaten Juli und August jähr lich 24—62 größere Feuersbrünste ausgcdrochcn, in diesem Jahre, wo die beiden Provinzen von preu ßischen Truppen besetzt waren, nur 18, obwohl der Krieg die Sicherheit der Orte und Gebäude nicht zu erhöhen pflegt. Die Erklärung ist folgende: Die Versicherungsgesellschaften zahlen für Brände, welche infolge kriegerischer Ereignisse entstehen, nur ausnahmsweise Entschädigung, Speculationsbrände gehören daher zu den bedenklichsten Wagestücken. Nach dem Abmarsch der Preußen mehrten sich die Brandfälle wieder auffallend.— Ein altes Volkslied mit trauriger Melodie aus der Zeit des ersten Napoleon ist in Frankreich wieder aufgewacht und hat auch schon den Rhein überschritten. „Rekruten fanget man, so viel man haben kann. Soldat muß Alles werden, es sei Knecht oder Mann. Dem Kaiser muß ich dienen, so lang' ich leben mag, muß überall marschiren, bei Nacht als wie bei Tag. — Mit dem Kaiserreiche Mexiko scheint es zu Ende zu sein. Kaiser Maximilian ist nach dem Hafen orte Veracruz abgereist und hat die Regierung dem französischen Marschall übergeben. Höchst wahr scheinlich wird er nach Europa zurückkehren zu seiner Gemahlin, die unterdeß geisteskrank geworden ist. Die Franzosen haben aber auch keine Lust, in Mexiko zu bleiben, Kaiser Napoleon möchte sie je eher je lieber zurücknchmcn, und wird noch täglich daran erinnert durch die Nordamerikaner, die sich als Erben Maximilian's betrachten. Locales. In der Umgegend von Wilsdruff wüthet das Scharlachsieber unter den Kindern. Es tritt ziem lich bösartig auf. Zwei Kinder, die kaum M- singen, über Kopf« und Halsschmerzen zu klagen, waren binnen 24 Stunden todt. In unserer Stadt war in dieser Woche das Gerücht verbreitet, die 4. Schwadron des Garde reiterregiments würde uns wieder verlassen und entweder in ihre frühere Garnison Pirna oder nach Dresden verlegt werden. Dem ist jedoch nicht so.