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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.10.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101027029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910102702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910102702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-27
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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In bezug auf den 8 46, der die Schweigepflicht der Beamten regelt, hat die Subkommission angeregt, den Absatz 2 dahin zu ändern, daß nicht die Bereitung von Nachteil für das Wohl des Reiches oder eines Bundesstaates die Versagung der Genehmigung zur Aussage rechtfertigen soll, sondern daß die Geneh migung nur versagt werden dürfe, wenn die Ver nehmung die Sicherheit und Ordnung des Reiches oder eines Bundesstaats gefährden würde. Ferner schlägt die Subkommission einen neuen Ab satz 3 vor, wonach das Gericht im Falle der Ver sagung der Genehmigung durch die zunächst vorgesetzte Behörde das Recht haben soll, die Entscheidung der Zentralbehörde einzuholen, lieber diese Vor schläge entspann sich eine lange Debatte. Das Zen trum beantragte, daß die Genehmigung zur Aussage nur dann versagt werden kann, wenn die Vernehmung die Sicherheit des Reiches oder eines Bundesstaates oder die ordnungsmäßige Erfüllung der Aufgaben der Organe des Reiches oder eines Bundesstaates ge fährden würde. Mit dieser Aenderung wurden die Vorschläge der Subkommission genehmigt und der 8 46 angenommen. Der gleichfalls der Suokommission überwiesene 8 47 über die Schweigepflicht der Geistlichen wurde nach der Regierungs vorlage angenommen. Zn 8 55 wurde der in der ersten Lesung aufgenommene Satz, daß bei der Verfolgung politischer Verbrechen oder Vergehen Aussagen eines Zeugen über Mitteilungen anderer Personen nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn der Zeuge diese Personen zu bezeichnen verweigert, ge strichen und der 8 55 unter Ablehnung anderer Anträge angenommen. Bei 8 103 war in der ersten Lesung die Bestimmung ausgenommen, daß der Richter, der bei Durchsicht beschlagnahmter Papiere findet, daß ein Teil nicht beschlagnahmt werden durfte, diese dem Betroffenen sofort zurückzugeben hat, und daß ihr Inhalt nicht weiter berücksichtigt werden darf. Ein Antrag, diese Bestimmung zu streichen, wurde abgclehnt und der 8 103 in der Fassung der ersten Lesung angenommen. Zn der Reichsoersicherungskommission gelangte am Mittwoch der Bericht über das dritte Buch (Unfallversicherung), erstattet vom Abg. Dr. Mugdan (Freis. Vpt.), zur Verteilung. — Zn der fortgesetzten Beratung über den Rest des Abschnittes betr. das Verfahren bei der Invaliden- und Hinter bliebenenversicherung wurde die Regierungsvorlage mit einigen geringfügigen Aenderungen angenommen. Zn dem hierauf behandelten Abschnitt über die Fest stellung der Leistungen im Spruchverfahren vor dem Dersicherungsamt wurde im 8 1597 das Versicherungsamt (Spruchausschutz) auf Antrag der Sozialdemokraten als zuständig nur bei Streit über die Leistungen aus der Kranken-, nicht auch, wie der Entwurf bestimmt hatte, aus der Unfall Versiche rung erklärt. Der 8 1601. der besagte, datz die ört liche Zuständigkeit der Sonderoersicherungsämter von den Stellen, die sie errichten, bestimmt werde, wurde gestrichen. Zm 8 1607 wurde auf Antrag des Zentrums bestimmt, datz im Falle der Ablehnung des Vorsitzen den das Obcrversicherungsamt - nicht der Spruch ausschutz — entscheide, datz es aber einer Entscheidung überhaupt nicht bedürfe, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält. Die 88 1611 bis 1614, die das Verfahren bei Ansprüchen auf die Leistungen der Unfallversicherung regelten, wurden entsprechend der erwähnten Aenderung des 8 1597 gestrichen. Zm übrigen blieb es bei den Be stimmungen des Entwurfs. Neu eingefügt wurde auch in diesem Abschnitt, einem Antrag der Konservativen entsprechnd, das Vorbescheidsverfahren, wozu der Vorsitzende oder der Spruchausschuß berech tigt sein soll, wenn es sich handelt um lediglich rechnerische Feststellung der Dauer und Höhe der Krankenhilfe, um Gewährung der Kraykenhauspflege an Stelle der Krankenpflege, um Sterbegeld und um Leistungen im Gesamtwert von weniger als 50 -tt. Gegen den Vorbescheid kann entweder das an sich zulässige Rechtsmittel oder der Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden. Diese Beschlüsse dienen der Vereinfachung des Geschäftsganges und der Be schleunigung des Verfahrens. Die Bestimmungen über die mündliche Verhandlung (88 1620—1637) wurden nach Streichung der auf die Unfallversicherung sich beziehenden Paragraphen nach der Regierungs vorlage angenommen. Geändert wurde nur 8 1622, der bestimmt, datz das Versicherungsamt Bevoll mächtigte zurllckweisen kann, die das Verhandeln vor Behörden geschäftsmäßig betreiben mit Ausnahme der Rechtsanwälte und solcher Personen, denen das Verhandeln vor Gericht gestattet ist. Hier wurde auf Antrag der Reichspartei hinzugefügt, datz auch solche Personen ausgenommen seien, die zur geschäfts mäßigen Nechtsvertretung vor den Spruchbehörden der Reichsversicherung zugelassen sind. Ueber die Zu lassung entscheidet das Oberversicherungsamt, auf Be schwerde die oberste Verwaltungsbehörde. Die Zu lassung darf nicht aus Gründen versagt werden, die sich auf die religiöse oder politische Betätigung des Antragstellers stützen. Die 88 1638 und 1639 wurden, einem Antrag der Nationalliberalen ent sprechend, dahin abgeändert, datz gegen die Bescheide der Träger nicht nur der Invaliden- und Hinter bliebenenversicherung, sondern auch der Unfallversiche rung die Berufung an das Oberversiche rung s a m t (Spruchkammer) zulässig ist,' dabei wird die Zuständigkeit der Oberversicherungsämter genauer geregelt, als es nach dem Rcgierungsentwurf der Fall ist. — Am Mittwochabend fand im „Hotel Bristol" ein gemeinsames Essen der Reichs- versicherungskommifsion statt, an dem sich alle Parteien beteiligten. palitilche Nachrichten. Die sächsische Mittelstandsoereinigung verbreitet aus Anlatz der Einberufung des Sächsischen Mittelstandstages eine längere Kundgeburg, in der sic erklärt, in Zukunft sich lediglich mit wirt schaftlichen Fragen beschäftigen zu wollen. Sie gibt also den mißglückten Persuch, in die Politik ein zugreifen, auf. Zn der Kundgebung heißt es u. a.: s „Nachdem sich gezeigt hat, daß bei richtigem Vor gehen die bürgerlichen Parteien geneigt sind, unseren Wünschen Rechnung zu tragen, haben wir keine Ur sache mehr, selber in die politische Agitation einzu greifen. Wir verzichten daher künftig auf Aufstellung eigener Kandidaten und beschränken unsere Tätigkeit lediglich auf wirtschaftliche Gebiete. Auf dieser Grund lage haben wir ein neues Organisationsstatut auf gebaut. Die politischen Fragen scheiden ein- für alle mal für uns aus. Wir wollen nicht mehr mit den politischen Parteien in Wettbewerb treten, sondern nur dafür sorgen, datz die politischen Vertreter all zeit über die Bedürfnisse des Mittelstandes gründlich unterrichtet sind. Es hat nun also keine mittel ständische Korporation mehr einen Anlaß, aus partei politischen Bedenken sich uns fern zu halten. Wir sind eine ausgesprochene wirtschaftliche Gruppe ohne ;ede politische Partei färbung. Unser Programm ist: Schutz für den wirtschaftlich Schwachen gegen die Uebermacht des Großkapitals! Unser Weg ist die Zusammenfassung aller «ittelständischen Gruppen (des Handwerks, der Kleinindustrie, des Kleinhandels, des Haus- und Grundbesitzes usw.) zu einheitlicher Gegenwahr gegen die gemeinsamen Feinde. Für den Mittelstand ist die wichtigste Forderung: Lohnende Arbeit! Und diese hoffen wir dem Handwerk und Kleingewerbe durch das Submissionsamt zu erringen . . ." Wir sehen der Durchführung dieses an sich lobens werten Entschlusses mit um so größerem Interesse ent gegen, als wir der Meinung sind, daß diesem Be ginnen aus der bisherigen Haltung der Mittel standsvereinigung heraus Schwierigkeiten erwachsen werden, die zu überwinden den jetzt führenden Männern dieser Gruppe nahezu unmöglich sein dürfte. Das beste, was die sächsische Mittelstands vereinigung tun kann, um jeden Verdacht, ein An hängsel der konservativen Partei zu sein, weiterhin zu entkräften, wäre derkorporativeAnschlußan den Hansabund. Aber gerade die sächsische Mittelstandovereinigung war es, die seinerzeit am lebhaftesten — aber auch allein, und das ist das Kennzeichen für den Geist, der ihr innewohnt — gegen den Eintritt in den Hansabund auftrat. Sollte sich auch in dieser Beziehung ein Wandel voll zogen haben? Zur Reichstagswahl. Bautzen, 27. Oktober. Für die nächsten Reichs tagswahlen ist von der Reformpartei auf Be schluß sämtlicher im Kreise vertretener Reform vereine im 3. sächsischen Reichstagswahlkreise (Bautzen-Kamenz) der bisherige Abgeordnete Hein rich Gräfe in Bischofswerda als Kandidat wieder aufgestellt worden. Die Konservativen unterstützen diese Kandidatur. Von fortschrittlicher Seite ist in diesem Wahlkreise vor einioer Zeit Kauf mann P u d o r - Kleinstorkwitz ausgestellt worden. Prinz Friedrich von Schönburg-Waldenburg s. Nürnberg, 27. Oktober. (Tel.) Heute nacht 1 Uhr ist auf Schloß Schwarzenbach an der Saale Prinz Friedrich von Schönburg-Wal denburg an einem Herzschlag gestorben. Prinz Viktor Friedrich Ernst von Schönburg- Waldenburg wurde am 20. Oktober 1872 als Sohn des Prinzen Karl Ernst von Schönburg Waldenburg geboren. Er war in zweiter Ehe mit Maria Fran ziska von Lobenstein vermählt und bewohnte das Schloß Schwarzenbach a. S. Das Kaiserpaar in Brüssel. Brüssel, 27. Oktober. (Tel.) Um 9 Uhr 45 Min. westeuropäischer Zeit erschien das Kaiserpaar und das königliche Haus gestern zur Ealaoper im ThSatre Royal Monnaie, auf dem Wege durch die illuminierte Stadt überall stürmisch be grüßt. Das Theater bot, mit frischen Blumen dekoriert, einen entzückenden Anblick. Zm Parkett und auf den Rängen waren alle in diesen Tagen ge nannten Würdenträger und ein glänzender Damen- flor vereinigt. Beim Erscheinen des Hofes spielte die Musik die deutsche Hymne. Die Gesellschaft be grüßte die Majestäten mit Hoch- und Hurrarufen, Händeklatschen und Bravorufen. Mit vorzüglicher Darstellung wurden gegeben: Szenen aus Tinels dramatischer Legende „HathLrina", aus Delibes' „Lakmö" und aus Raoul Gunsbourgs „Zwan der Schreckliche". Das Jubiläum des präsidierenden Bürger meisters von Lübeck. Lübeck, 27. Oktober. (Tel.) Aus Anlaß der 25- jährigen Zugehörigkeit des präsidierenden Bürger meisters Dr. Eschenburg zum lübeckischen Senat übersandte der Kaiser aus Brüssel ein Tele gramm, in dem der Kaiser am gestrigen Ehren tage der hervorragenden Verdienste des Zubilars ge dachte und ihm und der Freien und Hansastadt Lübeck kaiserlichen Gruß und Glückwunsch ent bot. Der Senat von Lübeck zeichnete feinen Präsidenten durch Verleihung der goldenen Verdienst medaille, die Handelskammer durch die gol dene Ehrendcnkmllnze, die Gemeinnützige Ge sellschaft durch die goldene Medaille aus. Die hamburgischen Bürgermeister, die Präsidenten der Reichsbehörden in den Hansestädten und des hanseati schen Oberlandesgerichts sowie weitere offizielle Körperschaften sandten Glückwünsche. Die Uneinigkeit im Kabinett Brisnü. Die Meinungsverschiedenheiten im französischen Ministerium sind noch nicht beigelegt. Die sozialistisch radikalen Gruppen gehen scharf gegen die Regierung vor und agitieren für ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung. Die Minister Viviani und Renault haben erklärt, an einen Rücktritt nicht zu denken. Man wird vermutlich die Diskussion über den Eisenbahner streik vertagen, bis die Situation im Ministerium ge klärt ist. Paris, 27. Oktober. (Tel.) Die Gerüchte über die im Ministerium herrschende Uneinig keit veranlaßten mehrere Kammergruppen, über die Lage zu beraten. In der sozialistisch-radi kalen Gruppe bemühen sich die Anhänger Pelle- tans und Combes, gegendasKabinett Stim mung zu machen. Mehrere Redner unterzogen die Vergangenheit des Ministerpräsidenten einer scharfen Kritik und schlugen Resolutionen vor, die ein Miß trauensvotum gegen die Regierung enthalten; so beantragten die Deputierten Radier und Du mont, den Ministerpräsidenten zu ersuchen, die wegen des Streiks abgesetzten Bediensteten der Staatsbahn wieder einzustellen und auch für die Wiederanstellung der Eisenbahner der übrigen Bahnlinien einzutrcten. Eine zweite, von Talamas vorgeschlagene Tagesordnung spricht dem Kabinett einen unzweideutigen Tadel aus und eine dritte von Franklin-Bouillon einge brachte Tagesordnung erklä.'t, daß alle Sabotage, der Antimilitarismus und alle Gewalttätigkeiten auf das schärfste verurteilt werden müßten, daß jedoch die Re gierung wegen ihrer Vergangenheit keine mora lische Autorität besitze, um die Schwierigkeit der gegenwärtigen Lage zu beseitigen. Es kam jedoch zu keiner Abstimmung über diese Tagesord nung, da die meisten Mitglieder vorher die Versamm lung verließen. Unter den regierungsfreundlichen Radikalen herrscht hierüber große Erregung und es heißt, daß diese den Plan erwägen, eine eigene Gruppe zu bilden, um bei der Abstimmung freie Hand zu haben. Paris, 27. Oktober. (Tel.) Ministerpräsident Meürich v. Logans erste Lieke. 5f Eine Geschichte aus dem alten Brieg. von Ewald Gerhard Seeliger. Friedrich von Logau, dem hoffnungsvollen teutschen Tichter und Hofmann, fielen jetzt zwei dicke Tränen aus den Augen, rollten über die Wangen und sanken in den weichen Teppich. Nun erbarmte sich seiner das liebe Dorel und rief ihn zu sich. Da sank er vor ihr auf die Knie und bat sie mit leiser Stimme um Verzeihung. Sie aber hob ihn auf, weil es sich nicht schicke, vor Menschen zu knien, gab ihm einen sanften Backenstreich und hielt ihm eine nicht allzu kurze Strafpredigt. „Herr Junker!" warnte sie ihn. „Wenn Ihr schon die Poeterei treiben wollt, so preist Gott den Herrn und seine unsterblichen Werke. Dem Frauenzimmer und andren Leichtfertigkeiten nachzutrachten unterlasset künftig, denn solche Dinge haben wohl eine glänzende Schale, aber seh: oft einen bitteren Kern. Auch schickt es sich nicht für einen Junker von dreizehn Jahren, einer alten Frau den Hof zu machen. Wenn Ihr aber doch nicht von der Liebe lassen könnt und wollt, will ich euch ein Zungfräulein auf eure Kammer schicken, das ruck» besser anstehn wird? Damit entließ sie ihn huldreich, und er durfte ihr die Hand küssen. Das war aber auch alles was ihm auf seinen schriftlichen Liebesseufzer gewährt wurde. Er schlick« die Treppen empor mit geknicktem Mute, schloß sick in seine Kammer ein und kam den ganzen Tag nicht wieder zum Vorschein, aus Kummer über den verlorenen Degen, aus Scham über die erworbene Rute und aus Grimm über die Ablehnung seiner Werbung. Die Herzogin aber ging auf den Markt, blieb länger als sonst vor Balthasar Küglers Kuchenbude aus Erottkau stehen und beschenkte die Kinder heute besonders reichlich. Unterdessen versuchte sich Friedrich von Logau mit seiner Schmach auszusöhnen; er saß an seinem Tische, den Kopf in die Hände gestützt, und wühlte mit den Fingern schonungslos in seinen Pagenlocken herum. Ze mehr er sich in sein Unglück vertiefte, um so größer wurde seine Wut, nicht auf das liebe Dorel, das lieote er ja, sondern auf das gesamte weibliche Geschlecht. Wohl faßte er den Entschluß, zu entfliehen ins Land der Myrten, doch war er ein zu guter Hofmann, um es zu tun. Aber er war zugleich auch ein teutscher Tichter und hatte den Vorzug dieser damals noch seltenen Menschen, seinen Schmerz auf das Papier strömen zu lassen und sich so von ihm zu befreien. Und er verfiel wieder in seine kurzen, sinnvollen Reimlein, bereitete sie sorgsam und nahm sie selbst ein wie bittere Arzneien. „Wenig reden, viel verschweigen, Ist den Weibern selten eigen." Das mochte sich auch das liebe Dorel merken, die seinen zärtlichen Brief an den Herzog verraten hatte. Aber noch weiter verflieg sich der gekränkte und um eine schwere Erfahrung reiche teutsche Tichter: „Evenäpfel locken noch Manchen Adam unter's Joch, Wo er nichts von Paradeis, Nur von lauter Hölle weiß." Das war allen denen gesagt, die es brauchen konnten. Den letzten Vers aber schrieb er nur für seinen eigenen Bedarf: „Wo Liebe kommt ins Haus Da zieht die Klugheit aus." Da tat sich die Tür aus, und die Kammerjungser führte das Mägdelein herein, das ihm das liebe Dorel zugedacht hatte. Diese Jungfrau war kaum drei Ellen hoch, tat sehr verschämt und wollte kein Wort heraussagen. Auch als sie mit dem Junker allein in der Kammer war, gab sie keinen Laut von sich; still und schüchtern verharrte sie in der Ecke, wohin sie von der Kammerjungfer gestellt worden war. Als sie Friedrich von Logau an der Hand nahm, rührte sie weder Mund noch Fuß. Und das hatte seinen guten Grund: sie war nämlich eine uneheliche Tochter des Balthasar Kügler aus Erottkau und be stand zum größten Teil aus Pfefferkuchenteig, zum kleinsten aus buntem Zuckerguß. Rote Augen hatte sie und grüne Lippen und Locken, war aber sonst fein und zierlich von Gestalt, daß es eine Lust war, sie anzuschauen, besonder» wenn man einen ganzen Tag gesaftet hat. Der Junker aber ließ sie platt auf die Diele fallen, so sehr kränkte er sich über den Schmerz. Da streckte die naseweise Kammerjungfer noch ein mal den Kopf durch die Tür und lachte; „Die Frau Herzogin läßt Euch raten, das Jungsräulein wohl und in Ehren zu halten. Sie heißt mit Namen Eulalia, und Ihr sollt sie nicht etwa vor Liebe ausfressen!" Friedrich von Logau fuhr im Zorn an seinen Degen, doch er griff nur eine Rute, und die vorlaute Kammerjungfer fuhr kichernd hinaus, um es der Herzogin zu berichten. Der hungrige teutsche Tichter und künftige Hof mann aber schloß das Zungfräulein Eulalia dicht an sein Herz und biß ihm den Kopf ab. Am nächsten Tage ging er wie gewöhnlich auf die Schule, nur daß er an stelle seines Degens die Rute trug. Das brachte ihm bei seinen Kameraden viel Hohn und Spott ein, und sogar der Herr Pro fessor Hieronymus Kra-usius konnte nicht umhin, von dieser sonderbaren Auszeichnung Kenntnis zu nehmen denn ihm war zu Ohren gekommen, daß Friedrich von Logau seine Zeit damit zubringe, teutsche Reime zu finden, in denen er sich sogar ver maß, seiner Lehrer zu spotten. „Herr Zunker von Logau!" sprach der Herr Pro fessor und wies auf die Rute. „Ihr tragt da für- wahr eine herrliche Zier. Doch mich dünkt, Ihr tragt sie an der unrechten Stelle. Man sollte sic Euch billig auf den Rücken binden, auf daß Euer Witz etwas ge zähmt werte!" Das ließen sich die Junker nicht zweimal heißen. Als die Schule aus war, hielten sie, wohl neun an der Zahl. Friedrich von Logau. der ins Schloß wollte, an der Ecke des Stiftsplatzes auf und wollten mit ihm und seiner Rute tun, wie der Herr Professor Hiero nymus Kra-usius geraten hatte' Aber der Zunker verstand den Scherz übel, zog vom Leder und schlug mit seiner Rute zu, daß alle neun die Flucht ergriffen, und hatte doch jeder einen Degen an seiner Seite. Der von Zedlitz, den er einst aus den Stadtjungen herausgehaucn hatte, war der ärgste Schreier und der beste Läufer. Aber der teutsche Tichter fing ihn doch ein und gab ihm ordent lich die Rute zu schmecken. Das liebe Dorel hatte dem Kampfe zugeschaut und gleich den Herzog ans Fenster rufen lassen, damit er sehe, wie sich der Junker auch ohne Degen seine Feinde vom Leibe hielt. Darüber hat der Herzog sehr gelacht und auf die Bitte seines lieben Dorels dem Zunker Friedrich von Logau den Degen wieder gegeben. Nun ward er wieder froh und konnte seiner Her- zogin frei und offen in die Augen schauen. Seine zweite Liebe währte nur bis zum dritten Tage; da war Jungfrau Eulalia bis auf ein paar Krümchen, die er den Spatzen aus dem Fenster streute, verschwunden. Dann fing er seine dritte Liebe an und begann mit stundenlangen Spaziergängen vor den vier Fenstern des ersten Hauses auf dem Ncumarkt. Dort wohnte nämlich das Mädchen, das der Her zogin vor Jahren verraten hatte, daß sie in Wahr heit das liebe Dorel hieß. Das Mädchen zählte nun schon über zwölf Jahre und war die Tochter des Fridolin von Spätling!, der früher ein Amt bei Hofe bekleidet, sich aber wegen Kränklichkeit in sein Haus zurückgezogen hatte. Das liebe Dorel hatte das Mädchen hin und wieder aufs Schloß geladen und dem Zunker von Logau Gelegen heit gegeben, mit ihm zusammen zu sein. Es dauerte keine drei Wochen, da hatte er ihr schon ewige Treue geschworen. Die kleine Jungfrau mochte den schmucken zunker gerne leiden, da er doch dazu ein teutscher Tichter war. und litt es. auch als sic schon größer war, daß er sich hier und da ein Küßchen von ihren roten Lippen pflückte, wenn er draußen vor dem Odertor mit ihr spazieren ging. Zum Heiraten kamen sie nicht. Der Vater sträubte sich dagegen, weil der Zunker von Logau so arm war wie eine Kirchenmaus. Hätte nur das liebe Dorel noch ein paar Zahre länger leben dürfen, so wäre der Vater schon anderen Sinnes geworden. Die Herzogin hätte so gerne ihren teutschen Tichter glücklich gemacht, und er hätte es auch brauchen können, doch war es ihm nicht beschieden. Mit seiner vierten Liebe hatte er kein Glück, die fünfte brachte ihm sogar Unglück. Die sechste er blühte ihm wohl zum Ehebunde, aber der bitter« Tod machte ihr ein schnelles Ende. Die siebente und letzte endlich hat ihm wohl auch nicht sonderlich ge dient, sonst hätte er sich nicht hingesetzt und den Seufzer ausgestoßen: ..Ach, könnten wir auf dieser Erden Doch ohne Frauen selig werden!" Ende.
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