Volltext Seite (XML)
Wschcnblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Tiebenlehu und die lluigcgendc». Amtslilatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. 8. Freitag, den 28. Januar 1876. Tagesgeschichte. Dem Grafen Beust, dem s. Z. Sachsen zu klein und Oesterreich zu groß war und der jetzt in London Botschafter ist, müssen sämmt- liche Ohren klingen, ja läuten, wenn er die Zeitungen liest, und er liest sie alle. Er war Gelegenheitsdiplomat, ließ aber die besten Ge legenheiten vorüber gehen, um Oesterreich zu stärken. Im Jahre 1867 macbte Graf Tauffkirchen im Auftrage seines Königs und des Ministers Hohenlohe und im Eiuverständniß Bismarcks, einen Versuch, Oester reich mit Deutschland auszusöhnen und Rußland ins Einvernehmen zu ziehen, es war im Kleinen das, was man jetzt das Drei-Kcuser- Bündniß nennt, Oesterreich Hütte viel gewonnen, Deutschland wäre wahrscheinlich der 1870er Krieg mit Frankreich gespart geblieben, — aber Beust wies die bayerisch-preußische Politik spöttisch zurück, er ließ sich von seiner Revanche-Politik leiten und theilte das Geheim- uiß Napoleon mit. Er speculirte auf Frankreich und ließ sich dennoch von dem 1870er Kriege vollständig überraschen, während ihn der bayerische Minister Hohenlohe lange vorausgesehen hatte. Dieses dip'.om. Geheimniß ist durch Veröffentlichung diplomatischer Actenstücke über die Sendung Tauffkirchens an den Dag gekommen und die Veröffent lichung ist erfolgt, weil Beust auch in neuester Zeit alles thnt, um Deutschland und Rußland zuenlzweicn, zu Überwerfen und das Drei-Kaiser-Vüudniß, das den Frieden erhält, zu sprengen. Es ist ihm mißlungen. Als Beust's College» in London ihn auf diese An klagen in der Presse aufmerksam machten, sagte er lachend: ich wundere nach nur, daß man mir nicht Schuld giebt, ich sei auch Thomas Mitschuldiger und habe Schiffe und Leute in die Luft sprengen wollen. — Auch mit diesem Bonmot ist er der alte. Der Sultan in Constantinopel wird in den nächsten Tagen viel Besuch bekommen. Die Gesandten der Großmächte stechen sich ein, einer nach dem andern und geben ihre Visitenkarte ab, auf Welcher steht: Reformen! Emanzipation der christlichen Unterthanen! Der österreichische Gesandte, Graf Zichy, gehl mit der Note seines Chefs, Grafen Andrassy, voran, die anderen folgen und „wollen ebenfalls ergebenst darum gebeten haben." Der Sultan wird alles bewilligen, weil er nicht anders kann, und es wird doch nichts helfen, denn der Türke bleibt Türke und der Koran Koran. Wir fürchten sehr, die Visiten der Herren sind nur der erste Auftritt eines großen Trauerspiels, vor dessen letzten Akten sich Jeder fürchtet. Der Sultan Wills noch einmal mit einem Ultimatum Prokuren. Sein Feldherr, Ali Pascha, wird dem Fürsten Nikita von Montenegro ein Ulti matum überreichen: entweder Aufgabe der zweideutigen Politik Niküas oder Einmarsch der Türken! Das ist aber auch nur eine Drohung, die leichter ausgesprochen als ausgeftthrt ist. Fürst Nikita ist aller dings der eigentliche Leiter des Aufstandes in Bosnien und der Herze gowina, er füttert ihn mit seinem Geld, seinen Kriegern und seinen Waffen, aber Fürst von Nikita ist Fürst von Montenegro nicht von Gottes .Gnaden, sondern von Rußlands Gnaden. Das ist der gordische Knoten für den Sultan, der kein Alexander und Annexauder ist. (Die Türken sind in letzter Zeit, namentlich in den Kämpfen auf der Straße von Ragusa nach Trebinje trotz großer Tapferkeit immer ge schlagen worden und haben sehr viele Leute verloren.) Die letzten Ereignisse auf dem Kriegsschauplätze in der Herzego wina werden jetzt vielfach von den Blättern besprochen und es verdient aus den Betrachtungen hierüber hervvrgehobeu zu werden, daß die Ansicht immer mehr Platz greift, es werde der Türkei schwerlich ge lingen, den Aufstaud^zu unterdrücken. Als weitere Folge ergebe sich aber auch die wahrscheinliche Fruchtlosigkeit der bevorstehenden Inter vention,der europäischen Mächte zu Gunsten der christlichen Bevölker ung und deshalb liege auch die Gefahr eines größeren Conflicles im Orient für das Frühjahr nahe. So meint die „Nat.-Zlg." bei der Citirung mehrer Stimmen der russischen Presse, welche größere Um wälzungen in der Türkei vorausschen: Ohne daß wir den Pessimis mus dieser Blätter theilen wollen, ist jedenfalls so viel klar, daß die Stunde kommt, wo die Fürsten von Montenegro und Serbien vor der Alternative stehen werden: Krieg oder Verjagung! Und man wird sie nicht zwingen können, sich verjagen zu lassen. Um so gebieterischer ist die Forderung energischer Führung der Sache, der heute ganz Europa ihre officiöse Zustimmung erthcilt hat. Zu diesen Nachrichten kommen nun noch die durch die Zeitungen laufenden Mit- theilungen über Rüstungen in England uud Frankreich. In England denkt inan an die Befestigung der Hauptstadt und in Frankreich wird zwar eifrig demcntnt, daß man Rüstungen vornehme, allein selbst die „N. A. Z." glaubt, daß etwas Wahres daran fei. Türkei. AuS Ragusa 20. Jan., berichtet man vom Kriegs schauplätze: Die Nachrichten über das Schicksal bei der Radovan- Zdreli verschanzten und von den Insurgenten cernirten türkischen Ab- theilung lauten für letzteren äußerst ungünstig. Die Insurgenten haben nämlich in wiederholten Gefechten alle Verschanzungen der Türken succesive genommen und halten nunmehr die Strecke der Straße von Ragusa nach Trebinje zwischen dem Fort Drieno und dem Blockhaus Duze vollkommen besetzt. Die Kämpfe, welche vom 18. bis zum 21. d. fast unumerbrochen einander folgten, sollen den Türken 500 Todte und zahlreiche Verwundete gekostet haben. Aber auch der Verlust der Insurgenten wird auf über 100 Todte und Schwcrvcrwundete angegeben. Nach Berichten von Augenzeugen Wurde von beiden Seiten mit wahrem Löwenmuthe gekämpft und weder Pardon gegeben noch genommen. Bei dem Sturme auf die türkischen Schanzen wurden insbesondere viele Montenegriner durch Steinwürfe verwundet. Laut eben veröffentlichten Listen betragen die türkischen Verluste in der Herzegowina selr Juli 10,700 Mann. Es werden die in der Herzegowina vorhandenen Truppen aus 48 Bataillone, etwa 28,000 Mann gebracht. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Wie die Gewerbeausstcllung im vorigen Sommer, so hat auch im Kleinen die Kochkunstausstellung, welche der Verein der Dresdner Gastwirthe und der Verein der Dresdner Köche Milte verflossener Woche in Meinholds Sälen auf der Moritzstraße veranstaltet, eine sehr lebhafte Theilnahme bei dem hiesigen Publikum gefunden. In einem reichen und auserlesenen Material bot die Ausstellung nach allen Richtungen hin, für Ausstattung der Küche und Bestellung der Tafcl, Belehrung und Oricntirung. Aber auch ihr Ensemble, die Wirkung des decorativen Arrangements, war recht gelungen und das Märchen vom „Tischchen deck' dich", wie es die lebendigste Phan tasie träumen kann, schien in dem Ganzen lebendig geworden zu sein. Alles beherrschend, blickten zunächst von der obern Saalwand, aus einer stattlichen Pflauzenvecoration, die Büsten Ihrer Majestäten des Kaisers Wilhelm und des Königs Albert, wie Sr. königl. Ho heit des Prinzen Georg herab. Auf den langen Tafeln in der Mitte des SaaleS sodann standen in allen möglichen künstlichen Formen Delicateffen, Schaugerichtc, die an die Bankete der Ritterzeit erinnern, Condilvrivaaren, darunter Blumen von Schweinefett, so duslig und schön, als wären sie eben in Lüdccke'S Winlergarten gepflückt worden. Am untern Saalendc schloß ein Arrangement von allerhand Wild, Fischen uud Fleischwaarcn, aufgebaut wie von der Hand eines alten niederländischen KüchenstückmalerS, die appetitliche Perspective. An den Langwänden endlich, wie in den Nebenräumen, sanden sich eine große Auswahl von Geräthschastcn für Küche und Tafel, in Eisen, Messing, Blech, Neusilber, Glas, Thon u. s. w. Die anmulhige Ex position verlassend, hat der Besucher nur eins zu bedauern, nämlich, daß er von allen den leckern Herrlichkeiten nichts kosten durste; aber auch dafür ist einigermaßen gesorgt, indem eine Lotterie diesem be rechtigten Wunsch dcS Kostendürfens enlgegcngekommen ist. Gleicb hieran schließen wir eine weitere Millheilung der „Dr. N.", wo eS in einem Bericht über diese Ausstellung heißt: „Die alt-