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Schauplatz eines entscheidenden Ereignisses sein werde. „Nisch", sägt er hinzu, „ist der strategische Punkt, auf welchen die größte Auf merksamkeit zu richten ist. Auf diesem Punkte sind jedoch die Türken, die schon seil Jahr und Tag großartige Befestigungen dort aufführt und die Festung mit einem bedeutenden Geschützvorrath versehen haben, sehr im Vorthcil. Auch haben sie da eine Armee von 30,000 Mann vereinigt, und 6000 Mann asiatischer Truppen sind bereits dahin unterwegs. Die vorhandenen Geschütze bestehen aus etwa 100 schweren Kanonen, unter denen sich 25 Krupp'sche befinden. Nisch gegenüber Hat die serbische Armee ihr Lager aufgeschlagen." Neber die Greuel, welche die irregulären türkischen Truppen die Baschibozuks und die Tschcrkesscn haben zu Schulden kommen lassen, bringt ein Brief in den „Times" entsetzliche Aufschlüsse. Die Regierung des Sultans wird dircct für diese Ausbrüche des Fanatis mus verantwortlich gemacht, weil sie die Entwaffnung der ganzen bulgarischen Bevölkerung besohlen und dann die Tscherkessen und "Baschibozuks bewaffnet auf die wehrlosen Dörfer losgelaffen habe. Was thaten diese Unmenschen? 1. Mehr als 100 bulgarische Dörfer sind von Grund aus zerstört worden, obgleich der Verdacht derTheil- nahme an der revolutionären Bewegung nur gegen 5 oder 6 bestand. 2. Wenigstens 25,000 unbewaffnete Personen sind kaltblütig massakrirt worden. In den türkischen Zeitungen von Constantinopel wird diese Summe sogar aus 40,000 angegeben. 3. Mehr denn 1000 Vulgaren- kindcr sind geraubt und in die Sclaverei verkauft worden. Man Hat sie in den Straßen von Adrianopel und Philippopel öffentlich feil- geboten. 4. Denen, die nicht ermordet sind, wurden schreckliche Martern aller Art auferlegt. 5. Die an den Frauen begangenen Schandthatcn übersteigen an Gräßlichkeit und Brutalität alles bisher Dagcwesene. Die Greuel sind um so empörender, als die Bulgarinnen höhere Be griffe von Tugend und Keuschheit haben, als die Frauen irgend einer anderen orientalischen Völkerschaft. Wüßten Englands Frauen das Geschehene, so würde ein solcher Schrei der Entrüstung losbrechen, daß ganz Europa sich erheben würde, um Rache zu nehmen. 6. We nigstens 600 Bulgaren schmachten im Gefängniß und erdulden Fol tern, die größtentheils so furchtbar sind, daß Europa seit dem Mittel- alter nichts Aehnliches mehr erlebt hat, und doch ward die Aufhebung der Tortur in der Türkei durch den Sultan Nbdul Medschid feierlichst proclamirt. 7. Viele Tausend Flüchtlinge sind in den großen Städten eingepfercht, wo sie allen möglichen Beschimpfungen des türkischen Pöbels ausgesetzt sind und Hungers sterben, weil die Bulgaren nicht zu Hilse kommen dürfen. — Ein Bries der „Daily News" bestätigt diesen Bericht, beziffert die Zahl der lebendig verbrannten Frauen auf 40 und citirt den Bericht eines Consuls, der die Todten auf 12,000 bemißt. Aus vorliegenden amerikanischen Zeitungen ersehen wir, daß die deutsche Industrie in Philadelphia durchaus nicht durchgefallen ist. Diese Heilungen bringen eine Menge ernster und sehr belehrender Artikel über die deutsche Abtheilung und rühmen nicht nur die aus gestellten Proben und Erzeugnisse der deutschen Eisen-, Berg- und Hüttenwerke von Krupp und Borsig als sehr hervorragend und fast einzig, sondern namentlich auch die Vasen- und Tafelgeschirre der Berliner Porzellansabrik. Die schönste Vase dieser Ausstellung, die ^Tausende gekostet hat, kaufte Herr Childes, mehr noch ein Zeitungs- Eigenthümer als Schreiber; feine Mittel erlaubten ihm das. Ich will diese Vase nicht loben, schrieb er in seiner Zeitung, denn sie lobt sich selbst. ; . Die Hand. Historische Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Zwei Höfe." „Schein und Sein." (Fortsetzung.) „Ha!" rief ihr Wenzel entgegen, „treffen wir uns hier? Mutter, jetzt gilt eS, Deine Rechnung zahlen," und rasch und muthig drang er auf die Kroatin ein, die noch wüthend von dem Jüngsterlebten hier zum Unglück wieder auf ihren gefährlichsten Gegner stieß und sich daher verzweifelt zur Wehr setzte. Wenzel schien Anfangs mit feiner Gegnerin spielen zu wollen und als er ihr eine tiefklaffcnde Wunde in die Achsel beigebracht, sagte er lachend: „Nicht wahr, ich zahle in blanker Münze für den Peitschenhieb?" Die Kroatin, durch den Spott aufgestachelt, drang toll und un besonnen auf ihn ein und rannte sich fast selbst, so viel sie auch Wenzel schonen gewollt, das Schwert in die Seite. Die Wunde war keine Gütliche, und mit Anstrengung aller Kräste ergriff sie die Flucht, mit ihr der Rest ihrer Leute, während die Angreifer hinter ihnen herstürmten. Heinrich erblickte sogleich seine Tochter und rief jubelnd: „Du lebst! — o Gott, komme ich nicht zu spät — mein böses, engclgutes Kind!" und er schloß sie in Neberseligkcit in seine Arme. „Und Du, mein hartiräckiger Feind, bist endlich doch jetzt besiegt!" wandte er sich an Boleslaus. „Wohl, Du hast mich überwunden, entgegnete dieser, „ich bin Dein Gefangener, aber eben nur ein unerwartetes großes Glück war mein Verderbes! Ich habe meinen Sohn wiedcrgefunden und Deine Tvckter war's, die ihn hat retten wollen!" „Dein Sohu? meine Tochter?" rief Heinrich. „Da seht sie Beide!" und Boleslaus fügte lebhaft hinzu: „Wenn die Kinder für einander in den Tod gehen, dann dürfen sich die ' Alten nicht die Hälse brechen. Ich reiche Dir die Hand znr Ver söhnung und zum Frieden!" „Pah! Du hast nur einen Sohn und der ist hier," entgegnete Heinrich, indem er auf Wenzel zeigte. „Wenzel!" auch Dich erhalt' ich wieder? das ist zu viel des Glücks!" rief freudig Boleslaus und umarmte seinen Sohn herzlich. „Aber Du glaubst mir nicht? Heinrich," wandte er sich an diesem, „nun, bei Allem, was mir heilig, schwöre ich vor Dir und vor allem Volk, daß dies mein erstgeborener Sohn. Wie alles das gekommen, laßl's Euch von Margareih erzählen. Doch genug, Ludwig ist mein Sohn und in wenig Tagen mit Wenzel Herzog von Brieg, denn ich bin des Regierens müde und werbe jetzt für ihn um die Hand Deiner Tochter." Herzog Heinrich besann sich einen Augenblick — ihm war cs ja nicht um die Person, nur um den Erben des Herzoglhums zu ihn», und wenn Ludwig ein Hcrzogssohn, dann söhnte sich ja Alles freund licher aus, als er je zu träumen gewagt — dann konnte er dieser Verbindung nicht enlgegentreten, die ihm dieselben Früchte bringen mußte. Das waren Gründe genug, Wenzel auszugcbcn und den früher verschmähten Eidam freundlich anzunchmcn, und er sagte daher, wie recht freudig überrascht: „Ludwig, ein Herzogssohn?! Daß edleres Blut in Deinen Adern rollte, hab' ich wohl geahnt. Ihr seid doch nicht zu trennen, habt schon die Hände in einander geschlagen und predigt damit Frieden, und deshalb heiße ich Dich als Eidam freudig willkommen!" Hedwig mußte sich erst daran gewöhnen, einen Herzogssohn an der Seite zu haben, damit war ja ihr Jugcndlraum zertrümmert, aber doch nur ein Traum; in Wirklichkeit, daß Ludwig ihr ebenbürtig geworden, hatte doch einen ganz anderen Zauber. „Und wir sind Brüder, Wenzel!" mit diesen Worten trat der überglückliche Ludwig auf diesen zu; „wir werden treue, herzliebe Brüder sein und wollen fortan redlich zu einander halten." 9. Wer mit seinem LebcnSschifflein Nie gescheitert — nie gestrandet, Hat auch in dem sichern Hafen, Ueberglücklich — nie gelandet! An einem Frühlingstage des darauf folgenden Jahres sprengte ein prächtiger Neiterzug durch das südliche Thor Sprollaus und hielt vor dem uns schon bekannten Schmiedchause. Es war ein sonnenheller Tag, die Erde schien im ersten Ent zücken der nahenden Frühlingsboten wunderbar aufzuathmen und mit jugendlicher Begeisterung an der Brust der ihr wieder srcundlick zuge- wendeten Sonne zu ruhen. Aber in dem Herzen der dort Kommenden war es noch hellerer, wärmerer Sonnenschein, denn in ihnen wogte der Zauberstrahl des Glückes aus und nieder. Voran ritt ein stattliches, jugendliches Paar. Eine im Glanz der Jugend und des Giückcs strahlende junge Frau, die auf dem Weißen Zelter im schwarzen Ncilkleid eine gar anmuthige Erscheinung abgab. Ihr Begleiter trug ein reich mit Gold verbrämtes Wamms, das seine schlanke, blühende Gestalt in ein noch vorthcilhaslercs Licht hob. Auf seinem mit werthvollen Steinen geschmückten Barett schwankte eine stolze Feder und bekundete den Edelmann. Man sah der ganzen Erscheinung des Reiters an, daß sie von Glück und Liebe gehoben und begeistert war. Welch seliges Lächeln spielte nicht um seine Lippen, wie leuch teten nicht die Augen, als suchten sie überall ein theilnchmend Herz für die Fülle seines Glücks. Ihnen folgten ältere Personen. Eine bleiche, halb zusammen gebrochene Frauengestalt, die leicht und ätherisch nur noch mit wenigen Fäden an diese Erde gefesselt schien. Es war Margareth — an ihrer einen Seile ritt Herzog Heinrich, an der andern Boleslaus, und sein sorgend freundlicher Blick verrieth, daß sich die Herzen ausgesöhnt haben mußten und die Sonne der alten Liebe noch am Abend durch die dunklen Wolken gedrungen und mit ihrem Strahlenlicht die ent fremdeten, erstarrten Herzen erwärmt und durchleuchtet. Man sah der armen Frau noch immer an, daß der tiefste Seelen schmerz sie heimgesucht haben mußte, denn nur dieser unterwühlt so tief und unaufhaltsam die innersten Wurzeln des Lebens, um doch zugleich den ganzen Menschen wunderbar zu durchgeistigen und für eine höhere Welt geschickt zu machen. Nur in ihrem Auge lag eine wunderbare Seligkeit, als habe eine gütig-freundliche Macht mild-versöhnend die Hand auf ihr gequältes Herz gelegt. Und so war es auch. Nachdem sich durch die jüngsten Erlebnisse Alles so wunderbar ausgeglichen, war man versöhnt und glücklich nach Glogau abgereist, um die arme Margareth abzuholen und dort die Hochzeit glänzend und prächtig zu feier». Dem verarmten Wenzel war es unmöglich gewesen, sie zu be gleiten und er hatte seinen Vater gebeten, ihm während seiner Abwe senheit die Verwaltung des Herzoglhums allein zu übertragen, bis dieser nach der Rückkehr auch Ludwig mit in die Herrschaft eingesetzt. Nicht einmal Lebewohl zu sagen hatte er vermocht, denn der jetzt sichere Verlust Hedwigs war doch ein zu harter, grausamer Schlag für seine leidenschaftliche bewegte Brust, und als die Karavane heiter und glücklich über die Schloßbrücke zog, da sah er ihr von