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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.10.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101026013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910102601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910102601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-26
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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Bezugs-Preis DemichlailL« UN» d«r doO»« ! eener in Setzt I, Niederlande, «or. -Ungar», Uutland, ». Speni«». In «L« »nr dir«» durch di. Da« LÄMt-er Aagedlatt erschaut 2 »al itzllch, Sonn»«. «tert«, nur morgens. Uamun^enr-elimatzme > W^,st»«platz 8, bch u»j«r«» rrtger», Mlial«, Spediteure» «d Annah meftrllea, sowie Posttmtero und Briestriigern. Gt»t,l»,rr«u1«pr,t» der Morgen- mMged« der «bendansgabe » Moraen-Ausgabe. NWMrTllgMM Handelszeitung. Amtsklatk des Rates und des Votizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prek» Utr Inserate au, cewug und UmgeMeng d>« 6geivaltene SO mm breite Penible 2b di« 74 mw breite ArNamezeile I »,n auswttt, -iv ptevamrn l.2V Inserate »an Lebbrde» >» amtlichen leü di* 74 mm breit« Petitgeil« M G«sch4st»angei,en mit P agvorschristr» und in der Sbendautaab« >m Preis« erdüht. Siabalt »ach tarn. Beilagegedüdr 5 p. tausend rzkl. Postgebühr. 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Ausl, und Letzte Dep.) * Die Ueberschwemmungskatastrophe am Golf von Neapel hat viele Hunderte von Menschenopfern gefordert und un geheuren Sachschaden angerichtet. (S. bes. Art. unt. Tageschr.) * Der Oberleutnant Mente ist am Diens tag bei dem Wettfliegen in Magdeburg mit seinem Wrightapparat abgestürzt. Er war sofort tot. (S. Sport.) Stichwahl in Leipzig V. Die nationalen Landtagswähler in Leipzig V haben die Erwartungen, die wir in den letzten acht Tagen mehrfach an dieser Stelle ausgesprochen haben, glänzend erfüllt. Der bisher durch einen national- MmmLen Abgeordneten vertretene Wahlkreis -leibt im Bes.itz der nationalliberalen Partei. Mit einer überwältigenden Mehrheit ist Rechtsanwalt Dr. Zöphel als nationalliberaler Ab geordneter aus dem Sttchwqhlkampfe hervorgegangen. Die Sozialdemokratie hatte in der Woche zwischen Hauptwahl und Stichwahl die schärfsten Mittel ange wandt, um die Wähler der Rechten und die leider be dauerlich große Zahl von Nichtwählern für ihren Kandidaten mobil zu machen. Die „Leipziger Volks zeitung" schwelgte förmlich in wüsten Schimpforgien und lieferte den erstaunlichen Beweis, datz sie sich auf dem Gebiete des bekannten „Sauherdentones" selbst zu überbieten vermochte. Aber ihre Rechnung erwies sich glänzend als falsch. Aus dem Lager der politisch Gleichgültigen sind bedauerlicherweise nur wenige Wähler aufgerüttelt worden. Don dieser Seite erwuchs der Sozialdemo kratie lächerlich wenig an Zulauf. Eher wäre fast noch zu erwarten gewesen, daß sie aus dem konserva tiven und reformerischen Lager lleberläufer gewinnen würde, um so mehr, als sa aus konservativen Dor standskreisen heraus unter der Hand die bekannte Lattmannsche Parole verbreitet worden ist, bei der Stichwahl Gewehr bei Fuß zu bleiben. Wir stellen demgegenüber mit Befriedigung fest, daß der gesunde Sinn des Bürgertums derartige Ausflüsse stärkster politischer Verärgerung überwunden hat, daß, von be langlosen Ausnahmen abgesehen, fast alle Wähler aus dem konservativen und reformerischen Lager für Dr. Zöphel in der Stichwahl eingetreten sind. - Die Sozialdemokratie war bereits in der Hauptwahl an der Grenze ihrer Leistungs fähigkeit angelangt, denn während noch vorm Jahre in der Stichwahl für ihren Kandidaten 9419 Stimmen abgegeben worden sind, brachten sie es diesmal trotz der verzweifelten publizistischen An strengungen nur auf 7790 Stimmen; sie haben also weit über 1800 Stimmen in der diesjährigen Stich wahl weniger erhalten al» in der vorjährigen. Wieder ein Beweis dafür, daß die sozialdemokrati schen Bäume noch lange nicht in den Himmel wachsen, und daß die nationalliberale Partei al, Mittelpartei durchaus geeignet ist, dem stärksten, schärfsten An sturm von der äußersten Linken erfolgreich zu wider stehen. Mit Dr. Zöphel zieht in die Zweite Kammer de» sächsischen Landtag» ein Mann ein, der sich al, Ltg«»rdnet«r bereits sehr gut be währt hat. »nd dessen Ausscheiden au» dem Land tag« vorm Jahre in allen Kreisen de« Nationallibera- li»mu» ans da» lebhafteste bedauert wurde. Mit d«sto größerer Freude begrüßen wir die Rückkehr dieses Mannes in den Dresdner Wallotbau, wo seiner auch im Kreise der nationalliberalen Landtags fraktion wichtige Aufgaben harren. Wir wünschen ihm für seine hoffentlich recht lange währende parla mentarische Tätigkeit vollen Erfolg, der ihm nicht ausbleiben wird, denn die politische Vergangen heit Zöphels ist uns beste Gewähr für seine zukünftige Haltung. Die wshlergebnille. Leipzig V. Wahllokal Wahl berech tigt 4. § 5. K 6. L 9.^1 10. i 13. ! 14. 15. 16. 17. 18. Schauspielhaus . . „Vereinsbrauerei" „Kolumbus" . . . „Südstern". . . . 8. Bezirksschule . . „Turnhalle^ . . . Rest. W. Barthel. . „Elysium" .... „Bavariabräu" . . 8. Bezirksschule . . Rest. E. Etzold . . „Friedrichshallen" . „Zur Post" . . . „Stadt Borna" . . 31. Bezirtssckule . Dölitz „Zum Reiter" Dösen, „Schlößchen" Probstheida „Easth." Sa. 583 593 621 606 739 769 680 993 594 737 740 881 802 860 770 382 72 313 11735 Lr> schie- nene Wüh ler Abgegebene Stimmen für (Natt.) ; (S-z.) 436 756 324 469 496 469 457 847 343 487 1035 288 600 1049 461 588 1030 440 538 1124 361 760 1853 395 483 949 301 586 1311 362 599 1094 457 749 793 77g 682 501 723 706 613 753 641 406 684 331 233 357 64 92 28 258 260 266 9434 14442 7790 Es erhielten also Dr. Zöphel lnatl.) 14442 Stimmen Bamme» (soz.) 7790 Stimmen Mithin ist gewählt Dr. Zöphel. Ueber die Verteilung der Stimmen auf die verschiedenen Kategorien der Wähler (^. die Stim men der Wähler mit. tz L Stimmen, L, 6 und D mit je 3 und 2 Stimmen dzw. 1 Stimme) können wir die nachstehenden Angaben machen: am 25. Oktober am 18. Oktober all« drei bürgert. Sozial- Zöpuet Bamme« Kandidaten demokratm 9900 1128 9 664 1048 8 2 223 1176 2172 1212 6 1824 2832 1862 2796 v 495 2654 519 2656 Zus.: 14 442 7790 14 217 7712 Wie aus vorstehender Ueberficht ersichtlich, haben im wesentlichen nur die Stimmen der ^.-Wähler eine größere Zunahme zu verzeichnen. Es kamen 79 Wähler mehr zur Urne, nämlich 59 mit 236 Stimmen für Zöphel und 20 mit 80 Stimmen für Bammes. Bei der D- und OKlasse war die Beteiligung fast genau die gleiche, von den V-Wählern erschienen 26 weniger an der Urne (auch die Sozialdemokraten erlitten trotz aller Agitation eine kleine Einbuße). Im gan zen übten gestern 9434 Wähler ihr Wahlrecht aus (80 Proz.), gegen 9373 am 18. Oktober. OeutWanü unü Siam. Der durch dasAblebenThulalongkorns verursachte Thronwechsel in Siam scheint sich ruhig vollzogen zu haben, denn der Kronprinz Maha Wajiranrudh, der älteste Sohn des Verstorbe nen, ist bereits zum König proklamiert worden. Unter der Herrschaft Chulalongkorns haben Eng land und Frankreich an dem hinterindischen Königreiche mehrfach sehr ansehnliche Amputationen vorgenommen. Im Jahre 1896 schlossen beide euro päische Reiche einen Demag ab, durch den Siam in drei Zonen geteilt wurde: die mittlere Zone, das Menamtal, blieb unter siamesischer Hoheit; die öst liche Zone, das rechte Mekongufer, fiel unter franzö sischen, und die westliche Zone, an der Grenze von Birma, unter englischen Einfluß. Dabei ist es aber nicht geblieben, in den Jahren 1902 und 1904 mußte Siam noch weitergehende Wünsche Frankreichs er füllen, und 1909 trat es die Staaten Kelantan, Trengganu und Kedah gegen gewisse kommerzielle Konzessionen an England ad, außerdem ließ sich die ses die Zusicherung geben, daß kein fremder Staat siamesisches Gebiet zu militärischen oder maritimen Interessen benutzen dürfe. Die Selbständigkeit Siams wäre noch mehr gefährdet, wenn England und Frank reich sich leicht über die Teilung'der Beute einigen könnten und wenn nicht durch eine völlige Aufteilung des Lande» auch die Rechte anderer geschädigt würden. Deutschland hat in Siam keine politischen Interessen zu verfolgen, aber es unterhält recht leb hafte Beziehungen mit dem Königreich, die es sich nicht kürzen lassen kann. Gerade weil von uns keinerlei politische Gefahr droht, erfreuen sich die Deutschen in Siam großen Vertrauens. König Chulalongkorn, der vom Beginn seiner Regierung ab das Bestreben hatte, dem siamesischen Reiche die europäische Kultur zu erschließen, richtete sein Augen merk besonder» auf Deutschland, von wo er hervor- ragende Kräfte aller Gebiete heranzog und seinem Lande dienstbar machte. Eine der wichtigsten Auf gaben erblickte er im Ausbau de» Verkehrs wesen», und die deutsche Reichsrrgterung unter stützte die, Bestreben. Zu Anfang der 80er Jahre wurden unter Leitung eine» Postinspektor» deutsche Beamte nach Siam gesandt, um einen regelrechten Post- und Telegraphendienst zu organi sieren, der sich bald einer lebhaften Entwickelung er freute. Noch heute befinden sich in den höheren Stellen der siamesischen Postverwaltung Deutsche, ebenso in denjenigen der Eisenbahnverwaltung. Was deutsche Technik und Tatkraft in Siam geleistet haben, zeigt namentlich die durch Urwälder und Ge birge geführte Staatsbahn. Die deutsche Kolonie in Bangkok erfreut sich großen Ansehens, sie umfaßt zahl reiche Beamte, ferner Großkaufleute, Apotheker usw.: der deutsche Klub hat ein eigenes stattliches Gebäude. König Chulalongkorn hat mehrere Europareisen gemacht, auf denen er auch Deutschland besuchte. Im Jahre 1897 wurde er am deutschen Kaiser hofe offiziell mit fürstlichem Gepränge empfangen, und im Sommer 1907, wo er in Europa Heilung von chronischer Malarra suchte, hielt er sich auch einige Zeit innerhalb der deutschen Erenzpfähle auf und stattete dem Kaiser auf Schloß Wishelmshöhe -rne Visite ab. Damals stiftete der König anläßlich seines Geburtstages, den er in Homburg feierte, 5000 -tt für die Saalburg und brachte in einem Tele gramm an den Kaiser sein lebhaftes Interesse für oic einheimischen Ausgrabungen zum Ausdruck. Von den Prinzen des siamesischen Königshauses haben mehrere ebenfalls in Deutschland geweilt, so Prinz Paribatra, der im Königin-Augusta-Regiment seine militärische Ausbildung erhielt und jetzt L la suite» dieses Regiments steht. Auch der nunmehrige König, der sich im dreißigsten Lebensjahre befindet, kennt Deutschland. Er hat eine europäische Erziehung ge nossen, in England studiert und dann dort seine mili tärische Ausbildung vollendet. Im Jahre 1902 be suchte Maha Wajiraurudh die europäischen Höfe, machte im Mai dem deutschen Kaiserhofe seine Auf wartung und nahm an den Feierlichkeiten zur Krö nung Eduards VII. teil, um über Amerika, Japan und China nach der Heimat zurückzukehren. Der neue König gilt für einen Mann von umfassendem Wissen, der zugleich einen offenen Blick hat und Verständnis für europäische Kultur. Welche Folgen der Thronwechsel haben, ob der jetzige König imstande sein wird, sich dem weiteren LiebeswerSen Englands und Frankreichs zu entziehen, muß die Erfahrung lehren. Deutschland hat ein Interesse daran, -aß Siam dem Handel ge öffnet bleibt, denn unser Warenaustausch - mit diesem Staate ist inständiger Aufwärts- bewegung begriffen. Wir beziehen von ihm haupt sächlich Reis und lieferten im letzten Jahre für zirka 6 Millionen Erzeugnisse unserer Industrien, nament lich Maschinen und Textilwaren. In Wirklichkeit ist . der deutsche Export nach Siam aber wohl größer als diese Zahlen zeigen. Da überdies das Land noch weiterer Entwicklung fähig ist und ein wertvoller Ab satzmarkt werden kann, so haben wir um so mehr allen Grund, mit Siam die besten Beziehungen zu pflegen und die Erhaltung seiner politischen Selbständigkeit zu fördern. tz Sie Jungliberalen. Als Nachwort zur Kölner Tagung der Junglibe ralen geht uns folgende Zuschrift zu: Die Jungliberalen haben zu Köln getagt und dem Tag« von Kassel durch ihre Verhandlungen eine wertvolle Ergänzung gegeben. Es gehört zum Wesen des Junglideralrsmus, daß Menschenentwickelung in ihm unverhüllter als in den Parteien der Alten zur Erscheinung kommt. Mag der einzelne jungliberale Delegierte gelegentlich ein imperatives Mandat auf einen Dertretertag nutnehmen, im ganzen will doch der Jungliberalismus eine Gemeinschaft sein, in der sich Geistiges in Freiheit entwickelt und ab wandelt. Seine Tagungen sind nicht nur vorge schobene Kulissen, sondern es sind Veranstaltungen, auf denen im Inneren der Beteiligten Ent scheidungen vor sich gehen, von denen so mancher sich seine geistige Nahrung und Stoff zu neuer Ur- teilsbilduna mrtnimmt. Bei dem umfassenden, noch nicht in Spezialistentum aufgehenden Sinne der Jugend kommt es, datz diese Erkenntnisse nicht ledig- . lich auf dem parteipolitischen oder wirtschaftsvolitr- schen Gebiete liegen, daß der Trieb nach Welt anschauung besonders lebendig ist und daß die ganze Persönlichkeit Antriebe erhält und Antriebe gibt. Die echte Stimmung eines Jungliberalen ist die des Suchenden und Ringenden. Nichts würde so sehr der ursprünglichen Idee des Jungliberalis mus widersprechen als die Schaffung einer Schablone, nach der die politischen Fragen beurteilt werden. Gewöhnlich sagt man der Äugend Gefühlsüber schwang nach. Eine der Eigentümlichkeiten der jung liberalen Bewegung ist, daß in ihr schon frühe der Wille zu kühler Derstandespolitik her- oorgetreten und formuliert worden rst. Auf der letzten Kölner Tagung ist es wieder geschehen, viel leicht in einer Werse, die manchen Alten" erschrecken maa. Der Vorsitzende des Reichsverbandes, Dr. Fischer, sagte, die Jungliberalen hätten bei Sti ch- wahlen und überhaupt bei Wahlen ihre Stellung zur Sozialdemokratie stet» nur verstandesgemäß ein gerichtet; kühl rechnerisch könnte diese Frage über haupt nur erörtert werden; noch besser sei es. nicht so viel davon zu sprechen; „was Zentrum und Konservative im Interesse ihrer parlamentari schen Macht getan haben, da, wollen auch wir, wenn es notwendig wird, nicht von der Hand weisen; wie da» Zentrum in Bayern ohne Gewissensbisse mit der Sozialdemokratie Abkommen schloß, um sich gegen, tzitig die Mandate zu sichern, so sollt« unserer Mei nung nach auch die Nationalliberale Partei sich diese Möglichkeit offen halten." Es wär« falsch, sich darüber zu täuschen, daß es in der nationalliberalen Partei sHr viele gibt^deren Gefühl sich gegen eine so rückflchtslo» kühle Macht politik auflehnt. Wir denken dabei nicht in erster Linie an die rheinisch-westfälische Großindustrie; denn schwerlich kann in kühlerer und bewußterer Weise die Möglichkeit eines Zusammengehens der Natio nalliberalen mit der Sozialdemokratie anerkannt werden, als es etwa vor einem halben Jahre in einem Leitartikel der Rhein.-Westf. Ztg.", sicher zum Entsetzen von deren Lesern, geschehen ist. Wir denken vielmehr an die vielen Tausende, die Anhänger nationaler Parteien sind, aber sich, leider, nur neben bei mit Politik beschäftigen. Wenn es so einem alten Veteran von 1870, einem Arbeiter, kleinen Beamten oder Handwerksmann gegen das Gefühl geht, seinen Stimmzettel für den Angehörigen einer Partei abzugeben, die alles beschimpft was ihm heilig ist, so rst dies nur zu begreiflich und berechtigt. Aber doch entsteht die Frage, ob in dem Gefühl dieses Mannes höhere Weisheit liege oder in der Schulung des anderen, der sich sagt: Ich gebe nur deshalb in meinem Wahlkreise einen sozial demokratischen Stimmzettel ab, damit in einem an deren Kreise ein Mann von nationaler Gesinnung gewählt wird? Wie dem auch sei: ein schönes Vorrecht hat die Jugend sicherlich bei der Gestaltung ihres Verhält nisses zur Sozialdemokratie. Es bleibt hochsym pathisch, wenn immer wieder Jünglinge erstehen, die um die Seele der Sozialdemokraten ringen und sie für den nationalen Staat zu werben suchen. Was stände der Jugend mehr an, als für diese Werbearbeit immer von neuem Hiimabe und Opti mismus einzusetzen? Wird sich die Sozialdemokratie gewinnen lassen, so ist es gut, so ist der Erfolg er- rungen. Läßt sie sich nicht versöhnen, so ist dem Bürgertum das gute Gewissen erworben, das der maleinst einen Rückhalt für den Kampf gegen uto- pistische Schwarmgeister und machtgierige Jakobiner verleihen kann. Aus üen Keichstsgskllmmillmnen. Die Strafproze^kommission beriet am Montagnachmittag den § 46 der Strafpro- zetzordnung, der die Schweigepflicht der Be amten behandelt, wenn sie als Zeugen vernommen » Uterüsn. Der Paragraph lautot nach der Regierung». Vorlage: „Ein öffentlicher Beamter, darf über Tat sachen, auf die sich seine amtliche Pflicht zur Ver schwiegenheit bezieht, nur mit Genehmigung der vor gesetzten Behörde vernommen werden; ist er nicht ' mehr im Dienst, so bedarf es der Genehmigung der Behörde, die ihm zuletzt vorgesetzt war. Für den Reichskanzler erteilt die Genehmigung der Kaiser, für Minister eines Bundesstaates der Landesherr, für Mitglieder der Senate der Freien Hansestädte der Senat. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Vernehmung dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaates Nachteil bereiten würde." Das » Zentrum beantragt, noch folgenden Satz hinzuzusügen. „Eine Versagung -er Genehmigung ist nicht zulässig, soweit cs sich um Tatsachen handelt, die sich auf das Dienst- oder Arbeitsverhältnis in Betrieben des Rei ches oder eines Bundesstaates oder auf die Aus übung des Wahlrechtes bei öffentlichen Wahlen beziehen." Die Sozialdemokraten bean tragen, den ganzen Paragraphen zu streichen. Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages beantragen sie, daß die Genehmigung nur dann versagt werden darf, wenn die Ablegung des Zeugnisses der Wehr kraft des Reiches oder eines Bundesstaates oder den Beziehungen zum Auslande cder der Bundesstaaten untereinander Nachteile bereiten würde Ueber die Berechtigung der Zeugnisverw^igerung soll das Gericht entscheiden Für den Fall der Ab lehnung auch dieses Antrages sollen jedenfalls dis Tatsachen, die geeignet sein sollen, dem Wohle des Reiches oder eines Bundesstaates Nachteile zu berei ten. dem Gericht schriftlich mitgeteilt werden, das dann über die Berechtigung der Zeugnisverweigerung zu entscheiden bat. Nach einer sehr ausgiebigen Aus sprache wurde die Beschlußfassung über den H 46 aus gesetzt. Eine Unterkomm ission soll versuchen, eine der Regierung annehmbare Fassung zu finden Dieser Kommission wurde auch der 8 47 überwiesen, der von der Schweigepflicht der Geist lichen handelt Der in erster Lesung in den Entwurf eingefügte tz 47a betrifft das gerichtliche Schweigerecht der Parlamentarier. Danach dürfen Abgeordnete die Auckünfte über Personen, die ihnen in Ausübung ihres parlamentarischen Berufs etwas anvertraut haben, und über die anvertrauten Tatsachen ver weigern. Der Staatssekretär des Reichsjnstiz- amtes gab geaen diese Bestimmung eine scharte Er klärung ab. Von den Konservativen war ihre Strei chung beantragt. Für die Streichung stimmten nur die beiden konservativen Parteien und die Wirtsch"ft- liche B-reiniguna im ganzen sieben Stimmen. Mit den Stimmen aller übrigen Parteien wurde der Be schluß erster stestino aufrechterhalten. Zum tz 49. dem Pressenaraaraphen. hatten die Sozialdemokraten einiae Anträge gestellt, die jedoch die Mehrbeit nicht fanden. Die Reichsoersicherungskommlssio« setzte am Montagnachmittag die Beratung des Ab schnittes über das Verfahren bei der UnfallVer sicherung fort. Ein nationalliberaler Antrag will in einem § 1564» ff. ein verbesserte» Vorbescheidsverfahren einführen. Da» bisherige Vorbescheidsverfahren wird, wie aus den Darlegun gen des Staatssekretärs Delbrück hervorgeht, von allen Beteiligten für wirkungslos gehalten, deshalb wird es von der Regierungsvorlage ganz beseitigt. Nach dem Antrag eine» Zentrumsmitgliedes sollen die Akten, falls der Einspruch von feiten de» Ver sicherten oder dessen Hinterbliebenen aufrechterhalten wird, an eine besondere Kommission gehen zur Fest legung de» Endbescheides. Der Kommission sollen außer dem Vorsitzenden der Berufsqenossenschaft zwei Vorstandsmitglieder derselben und zwei Vertreter der Arbeiter angehören. Diese Anregung findet viel I Sympathie.
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