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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.09.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100907013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910090701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910090701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-07
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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BezugS-Prei- für Leiviig diech »ch«, retgee und Svedneu« 2««l ttilich in« Hau« gebracht: vv 4 inaaall., K.'fch^ss »irrteliäbri. vet unsrru ftiltale» ». Nu» uahmeltellen »daebalt: 7» virrtelUldrl. Lurch dt» V»k! tnnrrbald Deuiichland« und der doyche» »oloniea »ierteljLhrt. S.T» >ek. uumatU au«!chl. Postdestcllgeld. Kerner in Belgien, TLnemark, den Dnnauftaate», Italien, Lurembura, wieder land«, «er- weaen, Oesterreich - Un^rn, «utland, Ech weden, Schwei« ». Spanien. Ja all en übrigen Staaten nur direkt durch di» »eschPt-sielle d- Blatte« erhältlich. Da« Leipgiger DapedlaN erscheint 7 mal täglich. Sann- n. Fei-riag« nur m»rgen«, llldanneiuent-Bnnabm«. Auguktulplatz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteur« und Annahmestellen, sowie Postämter» »»d Briefträger». Itngelperkaufepret« »er Bi argen« »»«gab« 1V der Äbe»da»«gadr » ch« kstedaktton o»d Geschäfttkellei Iohannisgaste 8. gernwrrcherr 14802, I«»». 14«». Morgen-Ausgabe. MpMerTagtbiM Handelszeitung. Amtsvlatt des Nates und des Notizciamtes Ser Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis lstr Inserate au« 1'eivng und Umgebung b>« Sgeivaliene SO mm breit» Petitteil« 2d ch di« 74 mm breit« SieNa me«eile > chk »an aulwtrr« M ch, «ellamen I.2ll Inserate v»n Bebbrden 'm amtlichen Teil di« 74 mm brrite Petitzeil« M ch. GeschLlltan,eigen mit Pägvorlchritten an» tu der Adendauigab« im Preise erbaoi. üiadali nach Tarit. Beilagegedübr d p. Lausend exN. Postgebühr. Iefterteilte Auftrage linnen nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmte» Tagen und Plätzen wird kein, Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme! >ugustu«platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- ittveditionen de» Ja» und Auslände«. Haupt-Filiale Berlin: Tari Lnnckel. Herzog!. Boni. Hofbuch» Handlung, Lützowstiatze IO. (Telephon VI, )ir. 4M3). Haupt-Filtale Lre«dem kecstrahe «, 1 (Televhon 46-'1t. Nr. 247. Mittwoch, »rn 7. September isio. 104. Zshrgsng. Das Wichüglte. * Nach den neuesten Meldungen wird die Ver haftung eines deutschen Offiziers unter dem Verdacht der Spionage in Portsmouth von amtlicher englischer Seite jetzt bestätigt. (S. Ausl, u. Letzte Dep.) * Die Internationale Konferenz für soziale Versicherung wurde gestern in Scheue- ningen eröffnet. fS. Ausl.) * Der 51. Allgemeine Genossenschafts tag wurde gestern in Bad Nauheim eröffnet. sS. d. des. Art.) * Der bekannten Chemieprofessorin Frau Dr. Curie in Paris ist es gelungen, reines Ra dium zum ersten Male darzustellen. (S. Feuilleton.) Wir Lämmer! Die „Daily Mail" hatte jüngst einen Journalisten auf Entdeckungsreisen ge schickt. Nach Deutschland. Entdeckungsreisen nach Deutschland sind ja heutzutage nichts Sel tenes mehr, weder bei den Engländern, noch bei den Franzosen. Aber es klaffen wesentliche Unterschiede: wenn die Franzosen Herkommen, so wollen sie Deutschland entdecken; wenn die Engländer Herkommen, dann wollen sie finstere deutsche Machenschaften entdecken. Die Engländer sind in der Erreichung ihres Zieles glücklicher als die Franzosen. Was diese ent decken, hat mit Deutschland ost verblüffend wenig Aehnlichkeit. Jene hingegen entdecken immer, was sie suchen. Und so kann uns nicht wundernehmen, daß auch Mister Maxwell, der Entdeckungsreisende der „Daily Mail", auf seine und des Blattes Kosten gekommen ist. Was er nun entdeckt hat, ist folgendes: Deutschland baut die Ems Häfen aus und be festigt sie, damit es eines Tages von dort aus u. a. auch Holland und Belgien erobern kann. Dieser Unsinn ist grotesk. Man stelle sich vor, daß Preußen Krieg gegen Sachsen und die thüringischen Staaten führte und sich darauf kaprizierte, den Einmarsch seiner Truppen von der — schlesischen Grenze her vorzunehmen, zu welchem Ende es dort eine Festung gebaut hat! Herr Maxwell scheint der vermutlich begründe ten Meinung zu sein, daß die geographischen Kenntnisse der „Daily Mail"-Leser sehr gering sind. Wenigstens bleibt unerfindlich, wie er seine These einem Menschen aufzuschwatzen hoffen kann, der auch nur ungefähr das Karten bild von Europa im Kopfe trägt. Der wahre Grund für die Befestigung der Emshäfen — um diesen Punkt rasch zu er ledigen — ist nichts anderes als die Schutz losigkeit der deutschen Küste an dieser Stelle, die strategisch nicht so unbedenklich ist. Der „Manchester Guardian" — wir entnehmen die Angabe der „Kreuz-Zeitung" — weist bei der Kritik der Maxwell-Phantasie auf das Merk eines französischen Eeneralstabsoffiziers über die Möglichkeit einer englischen In vasion in Deutschland hin. Dort heißt es: „Das beste Vorgehen — bei einer Invasion — würde nicht über Helgoland und Cuxhaven sein, denn cs würde den Stier bei den Hörnern fassen, sondern vielmehr eine Landung auf Borkum und bei Emden. Man müßte dann die Ems hinaufdampfen und Truppen auf das rechte Rheinufer werfen, um die deutschen Vor bereitungen für einen Einmarsch in Frankreich zu hindern. Solch ein Schlag, mit genügenden Streitkräften ausgeführt — mit 70 000 Eng ländern, 50 000 Holländern (!) und 10- bis 20 000 Franzosen —, würde die Verbindung mit den 1200 000 Deutschen, die im Westen engagiert wären, unterbrechen, und jene große Streitmacht könnte im Rücken des deutschen Heeres operieren." Es ist bekannt, daß der Kaiser einmal an eine Preßnotiz, in der das Versprechen König Eduards mitgeteilt wurde, im Falle eines deutsch-französischen Krieges 100000 in Schleswig- Holstein zu landen, das Randmarginale „paar Kozks!" schrieb. Ein ähnliches dürfte man an diese Stelle des französischen Werkes setzen. Auf I jeden Fall aber würde eine solche Operation eine ärgerliche und zeitraubende Be lästigung des deutschen Aufmarsches sein. Und sie könnte sich, wenn mit zwei Fronten gekämpft werden müßte und die Westtruppen genügend tief nach Frankreich eingedrungen wären, zu einer vorübergehenden Kalamität aus wachsen. Daß die Möglichkeit dazu abgeschnittcn wird, ist also ein selbstverständliches Erfordernis. Diesem Erfordernis wird gerade genügt. Die Befestigungswerke um Emden sind eher kümmer lich als gigantisch. Der Gedanke des „poor boz^" scheint also auch unscrm Eeneralstab nicht fern zu liegen. Doch sind alle diese Maxwelliaden und ihre Widerlegung nicht das Eigentliche, mit dem wir uns befaßen möchten. Das Hauptthema dieser Betrachtung ist vielmehr, in welcher Weise die „Kreuz-Zeitung" zu den englischen Phantasien Stellung nimmt. Nicht, weil diese Art der Stellungnahme so absonderlich wäre. Ganz im Gegenteil, weil sie in Deutsch land leider nachgerade das Normale ist, ja, fast als das einzig Zulässige gilt. Der Artikel der „Kreuz-Zeitung" ist durchaus nicht übel und sachlich sehr anerkennenswert. Nur das eine — und allerdings, wie uns scheint, sehr wichtige — haben wir an ihm auszusetzen: daß er zu beweisen sucht und als selbstverständ lich der Betrachtung zugrunde legt, wir würden nie im Kriegsfälle Holland und Belgien besetzen. Mir kennen die Weise, wir kennen den Text. „Deutschland sollte irgendwo auf der Welt etwas an streben? Deutschland sollte irgendwann einmal, wenn's ihm hälfe, von seiner Macht gegen Dritte Gebrauch machen? Wo denkt ihr hin! Wir sind unschuldige Lämmer, trüben nie ein Wässerlein. Und die Loyalität gegen andere Völker wird auch bei Lebensfragen der Nation stets unsere Richt schnur sein." Woher stammt dieses Liedes Text? Wir kennen auch seinen Verfasser. Fürst Bülow hat es im Reichstag nur allzu oft angestimmt und hat es in der offiziösen Presse mit Vorliebe variieren laßen. Der „Kreuz-Zeitung" ist es ja sonst sehr um die Liquidation der Bülowschen Erbschaft zu tun. Sie würde ein gutes Werk tun, wenn sie sie einmal an diesem Punkte betreiben wollte. Denn das Lied ist — bei allem Respekt vor allen möglichen Größen muß das gesagt werden — recht von Herzen töricht. Niemand auf der Welt glaubt nämlich an seine Behauptungen. Einzelne der Vor- und Nachsänger hier zu Hause mögen vielleicht daran geglaubt haben. Der Sinn für politische und vor allem machtpolitische Notwendigkeiten ist ja bei uns bedauernswert wenig entwickelt. Aber draußen? O nein, kein Engländer, Franzose, Holländer wird uns je glauben wollen, daß wir im Ernstfälle solche Lämmertugend, die ihnen weniger lämmerhaft als schafig vor kommt, entwickeln würden. Und wenn wir ehrlich sind: werden wir es denn? Sicherlich nein. Der Generalstabschef ver diente standrechtlich erschoßen zu werden, der — beispielsweise — die Besetzung von Holland und Belgien unterlaßen würde, wenn es nötig wäre, um den Krieg zu gewinnen. Die Zwirnsfäden des Völkerrechts in Ehren. Sie sind für friedliche Zeiten, sind auch im Krieg, wenn es nicht ums Letzte geht, ganz gut. Aber wenn es wirklich ums Letzte geht, könnten sie nur Schwächlinge und Toren hemmen. Wollen wir solche sein? Und ist es klug, uns als solche zu geben? Ist es nicht klüger und würdiger, zu sagen: „Wir sind friedliebende Menschen. Das brauchen wir nicht mehr nach zuweisen. Wir sind aber auch stark. Und ge willt, unter allen Umständen stark und lebens fähig zu bleiben. Wölfe sind wir gewiß nicht; aber auch weder Lämmer noch Schafe. Im Ernstfälle werden wir mit klarer Ueberlegung und gutem Gewissen das tun, was uns die Pflicht der Selbst erhaltung gebietet." Warum hört man solche Sprache selbstbewußter Stärke, die dann auch am ehesten in Ruhe gelaßen wird, so selten in Deutschland? Lerbllrevue. Die Heerschau der sächsischen Sozial demokratie, die alljährlich dem großen deut schen Parteitage vorherzugehen pflegt und diesmal in Leipzigs Mauern tagte, hat in diesem Jahre wegen der Ncichstagsersatzwahl in Zschopau-Marien berg später als sonst stattgefunden. Naturgemäß kommt einer Landesversammlung nicht die Bedeu tung zu wie einem allgemeinen Parteitage, immer hin verlohnt es sich sehr wohl, sich etwas näher mit der Konferenz zu beschäftigen. Wenn auch manche Gegenstände, wie Kassenbericht und Bericht des Zen tralkomitees, regelmäßig wiedcrkehren und der Be richt über die Tätigkeit der sozialdemokratischen Landtagssraktion wenigstens alle zwei Jahre auf der Tagesordnung erscheint, so bietet doch auch die Debatte über diese Gegenstände manche Momente, die nicht ohne Interesse sind und das Ganze zu einer Art Vorschau für die Tagung der Eesamtpartei machen und so eine Andeutung der Angelegenheiten geben, mit denen sich diese Tagung beschäftigen wird. Diesmal war die Tagung deshalb von be sonderem Interesse, weil im Gegensatz zu früheren Jahren die sozialdemokratische Fraktion des Land tages — die stärkste ihrerPartei in allen deutschen Parlamenten, wie Abgeordneter Nitzsche-Dresden feststellen konnte — mit der statt lichen Zahl von 17 Mitgliedern auf der Landes konferenz erschienen war. Auch die Zahl der Reichs- tagsabgeordnetcn war größer als im Vorjahre, und drei von ihnen, die Abgeordneten Geyer und Schöpflin-Leipzig, sowie Abgeordneter Noske-Chem- nitz, griffen nachhaltig in die an mehr als einer Stelle sehr interessante Debatte ein. Geyer-Noske, mit diesen beiden Namen ist zugleich die D i s s o - nanz angedeutet, die als Unterton aus den Debatten herausklang, und deren völlige Auslösung auch dem am 18. d. M. in Magdeburg stattfindenden Parteitage schwerlich gelingen dürfte. Das Thema war übrigens nicht neu, es war nur eine abermalige Variation des Gegensatzes zwischen der strengeren Richtung der Sozialdemokratie und dem Revisio nismus. Den Anlaß zu erneutem Hervortreten dieses Gegensatzes gaben einige Punkte des übrigens sehr sachlich und fleißig gearbeiteten Referates des Ab geordneten Nitzsche über die Tätigkeit der Landtags fraktion, und zwar speziell über die Frage der Reform der Ersten Kammer. Von sozial demokratischer Seite wird bekanntlich programmatisch die Beseitigung der Ersten Kammer gefordert, und tatsächlich muß man zugeben, daß ein solches Ober haus in einem Einzelstaate keine Existenzberechtigung mehr haben kann, wenn man im Ganzen, dem Deut schen Reiche, mit einer einzigen Kammer, dem Reichs tag, auskommt. Denn der Bundesrat ist mit einem Oberhause nicht vergleichbar, da er sich darstellt als das Organ der verbündeten Regierungen. Man darf aber, wenn man die Beseitigung der Ersten Kammer als wünschenswert erklärt, nicht außer acht lassen, daß die Erste Kammer noch besteht, mag auch der Rechtstitel, auf den sie ihre Existenz stützt, sehr zweifelhaften Wertes sein. Eine Beseitigung der Ersten Kammer würde also, wenn man nicht etwa einen von der Sozialdemokratie genau so wie von jedem anderen Staatsbürger scharf verurteilten Ver fassungsbruch begehen will, nur mit Zustimmung der Ersten Kammer selbst möglich sein. Mit anderen Worten: man müßte dem Oberhause zumuten, einen politischen Selbstmord zu begehen. Das wird keinem vernünftigen Politiker einfallen, und deshalb bleibt, wenn man überhaupt einen Fortschritt in dieser Frage will, kein anderer Weg übrig, als die Kammer möglichst den heutigen Zeitverhältnißen entsprechend zu reformieren. Von diesem Gedanken ging auch Ab geordneter Nitzsche aus, als er sich etwa dahin äußerte, Anträge auf Reform der Ersten Kammer könnten zwar das von der Sozialdemokratie erstrebte Ziel nicht verwirklichen, aber doch dazu beitragen, daß man diesem Ziele näherkomme, und deshalb seien sie nicht un.ter allen Umständen von vornherein grund sätzlich zu verwerfen. Mit diesem Eedankengang trat Abg. Nitzsche aber bei der radikalen Richtung, wie sie u. a. von Lipinski-Leipzig und Geyer-Leipzig ver treten wird, ganz gehörig ins Fettnüpfchen, man stellte auf jener Seite sich schroff aus den Standpunkt „alles oder nichts!", und die Folge war die zum Teil rech: erregte Debatte vom Montagnachmittag, in der die Gegensätze hart aufeinanderplatzten. Die Debatte und die Differenzen beschränkten sich 'übrigens keineswegs auf die Frage der Reform der Ersten Kammer. Ebenso heftig umstritten war die Frage des Verhaltens der sozialdemo kratischen Fraktion bei der Präsiden tenwahl in der Zweiten Kammer. Hier ver trat Abg. Nitzsche die Auffaßung, daß ein vom Haus« gewählter sozialdemokratischer Vizepräsident durch bloße Teilnahme an der feierlichen Landtags eröffnung noch keineswegs seiner politischen Ueber- zengung untreu werde. Das sei keineswegs „Hof gängerei". Die radikale Richtung (Abg. Geyer) verurteilte aber diese Auffaßung ganz entschieden, obwohl Abg. Geyer darauf hingcwiesen wurde, daß er selbst einst den Verfassungseid geleistet hab«, der nach 82 jeden Abgeordneten verpflichtet, bei allen Anträgen und Abstimmungen „das unzertrennliche Wohl des Königs und des Vaterlandes" allenthalben zu beobachten. Abg. Müller-Zwickau irrte übrigens, wenn er behauptete, die Verfassung kenne überhaupt keinen Vizepräsidenten der Zweiten Kam mer. H 72 der Verfassung sagt vielmehr ausdrücklich: „Die Zweite Kammer wählt ihren Präsidenten und einen oder mehrere Vizepräsidenten." Es war auf- > fällig, daß niemand aus der Versammlung den Abg. Müller auf diesen Irrtum aufmerksam machte. Weniger lebhaft ging es bei der Besprechung der Frage der Budgetbcwilligung zu, wohl weil die Landtagsfraktion schließlich die Zustimmung zum Etat versagt hatte. Der prinzipielle Standpunkt war damit auch im Sinne der Genossen gewahrt, die, wie Abg. Geyer, den politischen Gegnern der Sozial demokratie alle finanziellen Mittel im Staate ver weigern wollen. Das Ergebnis der Beratung war schließlich, daß man sich einmütig mit dem Verhalten der Landtagsfraktion einverstanden erklärte. Wenn schließlich Abg. Noske doch gegen die darauf bezüg liche Resolution stimmte, so geschah es offenbar ledig lich, weil er die Fraktion nicht verpflichten wollte, sich den radikalen Forderungen betr. Stellungnahme zur Präsidentenwahl und zum Fortbestand der Ersten Kammer zu fügen. Die Debatte über dieDolksschulreform am zweiten Haupttage der Verhandlungen förderte weniger tiefgreifende Gegensätze zutage. Es lag das auch mit daran, daß die Ausführungen des Referen ten weniger Neues brachten, als vielmehr eine zu sammenfaßende Uebersicht über das sozialdemokra tische Schulprogramm boten. Selbst der in Schul sachen gewiß sachverständige Abg. Lange-Leipzig erklärte, wirklich neu sei in den Ausführungen des Referenten nur die Forderung eines Reichsschul- gcsetzes gewesen. Ueber diese können übrigens auch die bürgerlichen Parteien einmal ganz ruhlg diskutieren. Daß eine völlige Trennung von Schule und Kirche zum Gedeihen der Schule ebenso notwen« dig ist, wie die Beseitigung des konfessionellen Reli gionsunterrichts aus der Volksschule, ist auch an dieser Stelle schon mehr als einmal betont worden. Leider ist es sicher, daß die in Aussicht stehende Vecksche Volksschulreform diesen Forderungen nicht Genüge leisten wird. Viel darf man von ihr über haupt nicht erhoffen, denn der 8 92 unsrer Verfassung ermöglicht es der Regierung leider immer noch, Gesetzvorlagen selbst gegen den Willen der Mehrheit einer Kammer Gesetz werden zu lassen. Und deshalb erscheint es uns als eine notwendige Vorbedingung auch der Volksschulreform, daß dieser Verfassungs paragraph endlich in den Orkus verschwindet, in den er von Anfang an gehört hätte. Auffälligerweise kam dieser Gedanke in der Debatte gar nicht zum Ausdruck. DeuMes Reich. Leipzig, 7. September » Deutschsoziale Partei. Anläßlich der Tagung des Landesverbandes König r. Sachten der Deutschsozialen Partei am Sonntag, den 11. Sep tember, in Meißen sprechen in öffentlicher Ver sammlung nachmittags 6 Uhr im Großen Sralc des Kaisergartens Amtsgerichtsrat Lattmann, Mitglied des Deutschen Reichstages, über: „Ziele und Grund lagen einer gesunden Wirtschafts- und Sozialpolitik" und Landtagsabgeordneter von Levetzow sielbcck über: „Hansabund uno Bauernbund". Zn der rn lernen Beratung, die vormittags 11 Uhr ebenfalls im Kaisergarten stattfindet, haben nur Angehörige der Partei Zutritt. Gegenstand dieser Beratungen bil den u. a. die Arbeit in Sachsen und der Parteitag in Kaßel. < Liberale Uneinigkeit in Thüringen. Die Partei leitung der Fortschrittlichen Volkspartei in Thüringen erklärt öffentlich, daß die Verhandlungen mit der Nationalliberalen Parteileitung über ein gemein sames thüringisches Wahlabkommen für die nächsten Reichstagswahlen noch nicht zum Abschluß gekommen seien. Sollte ein solches Abkommen bis zum November d. I. nicht zustandetommen, so werde die Fortschrittliche Volkspartei in allen Kreisen Thüringens eigene Kandi daten auf st eilen.—Wir hoffen zuversichtlich, dak> die Einigung noch zustandekommt. * Kaiserrede und braunschweigisches Welfentum.' Das Organ der braunschweigischen Landesrechtspartei schlägt aus der Königsberger Rede des Kaisers Kapi tal, um die Ziele der welfischen Agitation dadurch zu fördern. Nachdem es das Bekenntnis des Kaisers zum Gottesgnadentum für „an sich durchaus unan fechtbar" bezeichnet hat, fährt es fort: „Schlimm für die Krone Preußen bezüglich ihrer Auffaßung des Gottesgnadentums ist nun allerdings ihr politisches Vorgehen im Jahre 1866: erbarmungs- und skrupcl los hat sie in diesem Jahre das so oft betonte und gepriesene Prinzip in bezug aus andere Monarchen von Gottes Gnaden durchbrochen. . . Von diesem Ge sichtspunkte aus betrachtet, kann ihr kein Verteidiger erstehen, vor der Wucht dieses Argumentes muß der beredteste und ergebenste Anwalt betroffen schweigen, und wir . . können nur auf die trefflichen Worte des Grafen von der Schulcnburg Hehlen auf dem letzten Parteitage der braunschweigischen Landesrechtspartei verweisen." Graf von der Schulenburg hat auf die sem jüngst abgehaltenen Parteitage unter lautem Beifall bemerkt: „Unser Herzog ist auch von Gottes Gnaden! Es wäre eine logische Folge der Rede des Kaisers, wenn er jetzt sagte: „Ich habe meine Grund sätze auf dem Gottesgnadentum aufgcbaut, ich wünsche und verlange daher, daß morgen der Herzog von Cumberland in Braunschweig einzieht." — Genau in demselben Sinne hat sich das Organ der bayri schen Zentrumspartei vernehmen laßen. Für die Anhänger des Wclfenhauses bedeutet die agi tatorische Ausnützung kirchlicher Gesichtspunkte ein um so stärkeres Zugmittel, je mehr die welfische Ve- wegung deren Verwendung von alters her bevorzugt.
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