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WmM für MM Thauilldt, Mn, Siebtnlthn und die Umgegendkn. 1 °_ werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. > / / Jnsertionsvreis I I I I 10 Pf. pro dreigespaltene für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den ^tadtrach zu Wilsdruff, Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post ' bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne / Nummem 10 Pf. sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 98 Freitag, Seu 8. Dezember 1893. Die Fran Ses Waffenschmiedes Dem Holländischen nacherzählt von H. N. O. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Die Anwesenden streckten die Arme nach dem Edelmann aus und sagten: „Das sind Sie! Sie sollen unser Führer sein!" „Ich danke für die Ehre, die ihr mit erweist," antwortete von der Mark mit einem boshaften Lächeln auf den Lippen, „aber ich kann die Stelle nicht einnehmen. Man muß alles vorsehen. Wenn wir das Unglück hätten geschlagen zu werden, müßt ihr einen Fürsprecher hoben am Hofe des Herzogs von Burgund. Seiner Strenge würde ich in dem Falle meine Für sprache entgegenhalten. Ich werde mich zwischen Euch und ihm stellen und er muß mich anhören, Karl weiß, daß ich Einfluß besitze. Wie hart und selbstsüchtig er auch ist, immer kann man noch etwas bei ihm erreichen durch Einfluß. Ich darf morgen nicht mit Euch auf den Plan treten. Sollte der Anschlag fehl gehen, so werde ich Euch beschirmen, Euch zur Flucht helfen, Euch den Händen des Gerichtes entziehen, eine neue Söldnertruppe zu bilden suchen und mich eher tödten lassen auf dem letzten Stein unserer Stadt als der letzte Verfechter unserer gerechten Sache, ehe ich dieselbe preis gebe. Sieger und Besiegte, immer könnt ihr auf mich zählen. Einer der Euren, einen Handwerksmann müßt ihr zum Haupt erwählen. Ihr braucht nicht lange zu suchen; ein junger, mutbiger Mann, dessen Herz von warmer Vaterlandsliebe durchglüht ist, ein Mann, der schon seit geraumer Zeit von den Spürhunden Karls beargwöhnt wird er, der heut Abend sein Haus zu unserer Zusammenkunft frei gestellt der Euch zur Stunde mit Waffen ver sehen " „Hubert! Hubert Köppens!" riefen alle. „Ja, Hubert Köppens meine ich, wollt ihr ihn zum An führer?" „Ja, ihn und keinen.anderen!" „Hubert Köppens," sagte jetzt Wilhelm von der Mark, „tritt näher." „Siehe hier," sagte er ihm, „meinen Dolch, dessen sollt Ihr Euch bedienen, um die Privilegien unserer guten Stadt zurückzuerobern und die Unterdrücker" aus dem Lanve zu ver jagen!" Der feierliche Moment erhellte die düsteren Züge Köppens. „Ich schwöre, wenn es sein muß, für unsere gute und ge rechte Sache den Tod zu erleiden;" rief er aus, dabei den Dolch in die Höhe haltend, den er von dem wilden Schwein erhalten hatte. „Und nun verseht Euch mit Waffen aus meiner Schmiede. Sie sind alle vom besten Stahle und mit Sorgfalt geschliffen. Machet guten Gebrauch davon und bringt sie morgen Abend zurück, befleckt von dem Blute der elenden Handlanger Karls des Kühnen." Der Anschlag war fehl gegangen Dem Plane Wilhelm von der Mark zufolge hatten die Verschworenen sich beim ersten Hahnenschrei in den verschiedenen Straßen vertheilt, in jedem Hause Vertheidiger für die Frei heit aufrufend. Der Aufstand fand in der Bürgerschaft soviel Unterstützung, daß ein glücklicher Ausgang gesichert schien, hätte nicht plötzlich die Obrigkeit, wahrscheinlich durch einen Verräther gewarnt, den Aufständischen, die meistens schlecht bewaffnet waren, die ganze Besatzung der Stadt entgegenge- stellr . . . Mit dem Muthe der Verzweiflung kämpften die Aufständ ischen, hatten sie doch ihr Leben der Freiheit ihrer Stadt ge weiht und wollten sie lieber sterben als sich übergeben, zudem sie von Herzog Karl keine Gnade zu erwarten hatten. Auf jedem Platze, in jeder Straße wurde der Kampf aufs neue be gonnen. Die Straßen wurden durch Leichen gesperrt, doch un unterbrochen tobte der Kampf. Die Hellebarden warfen sich mit Wuth auf die Bürger und lichteten in grauenvollem Schlachten die Reihen derselben. Eine einzelne Gruppe widerstand noch den Soldaten des Her zogs. Sie waren gut bewaffnet und ibre Hände waren kräftig. Die Augen waren sicher und die Degen vom besten Stahl trafen die Opfer ohne zu brechen. An der Spitze dieser Helden stritt Hubert Köppens. Er hatte sich zu vereinigen gewußt mit jenen, die am vor herigen Abend mit ihm die Anordnungen und Befehle von Wil helm von der Mark entgegen genommen hatten. Alle hielten seit an dem Eide, den sie in die Hände des Edelmannes ab- hEen; dieser selbst war den Morgen nirgendwo sichtbar. Bis zu diesem Augenblick hatten die Soldaten der Gruppe "vH keinen merklichen Vortheil errungen, noch keiner iE tödtlich getroffen. Sie hielten sich enge zusammen, hftoe.en gleichsam eine unüberwindliche Mauer und boten den Soldaten lebhaften Widerstand. Der Soldaten bemächtigte sich eine nicht geringe Wuth, daß ihnen, wie man sagt, eine Hand voll Leute widerstand und sie einsahen, daß die Tapferen weder zu umzingeln noch in die vorüberfließende Maas zu drängen waren. Die Männer wollten ihr Leben so theuer wie möglich verkaufen; zu siegen war nicht mehr möglich; aber jeder dieser letzten Kämpfer der Freiheit trug in sich das Gefühl, ein ehren volles Andenken zurück zu lassen. Die Soldaten, welche die strengsten Befehle von ihren Führern empfangen hatten, waren meistens fremde Söldner, die in den aufständischen Bürgern nicht die Vertheidiger alter Rechte, sondern gefährliche Aufrührer erblickten. „Keine Gnade!" lautete der Befehl, der den Soldaten ge geben worden. Diejenigen, welche den Aufstand überleben sollten, waren von vorne herein dem Stricke des Henkers verfallen. Letzterer war bereits damit beschäftigt, den Galgen zu er richten und die Folterbank in Bereitschaft zu setzen. Hubert Köppens stritt als ein Held. Jeder Schlag mit seiner Streitaxt machte ein Opfer kampfunfähig. »Seine Mit kämpfer, immer geringer in der Zahl werdend, schlossen sich ihm enger und enger an. Inmitten des Getümmels, des Schreiens, und Lärmens ertönte immer wieder seine Stimme ausrufend: „Für dir Freiheit unserer Stadt, für die Rechte Lüttichs!" Seine Feinde selbst wurden von seinem Muthe voll Bewun derung und Staunen erfüllt und riefen wiederholt, er solle sich übergeben. Ein tödtlicher Schlag folgte jedesmal dieser Auf forderung und benahm es dem betreffenden Hellebardier, seinen Rath nochmals zu wiederholen. Von dreißig Freunden blieben Köppens bald nur noch zwanzig dann nur noch zehn Und wiederum fielen drei und er hatte nur noch 7 Mitstreiter zur Seite. Einsehend, ihn so nicht überwinden zu können, schlich ein Soldat längst der Brustwehr des Hafens bis zu Köppens Stand, ohne von diesem und seinen Kameraden bemerkt zu werden, zuckte blitzschnell seinen Dolch und stieß denselben mit aller Kraft Köppens in den Hals. Hubert stieß einen Schrei aus, seine Augen traten aus den Höhlen, die Hände fuhren nach der Kehle, von der das Blut unaufhörlich herabrann; die Helle bardiers, zweifelnd, das er tödtlich getroffen, brachte Koppen mit Hülfe herbeigeeilter Kameraden auf die Brustwehr der Maas und warfen ihn in den Fluß. Ihr Haupt fallen sehend, gaben die übrigen den Kampf auf. Alle waren mehr oder weniger mit Wunden bedeckt. Die Soldaten nahmen sie gefangen; jetzt ohne Mühe überwunden, nach hartnäckigem, achstündigem Streite, wurden die letzten Freunde Köppens gebunden zum Richtplatze geführt, wo ihrer die Büttel harrten. Das Gerücht, daß diese tapfern Helden der Freiheit die Todesstrafe erleiden sollten, verbreitete sich mit Windeseile in der Stadt. Seit dem Beginn des blutigen Kampfes war jedes Haus in der Stadt geschlossen geblieben; die Frauen und Kinder weinten, die greisen Männer ballten die Faust, weil ihnen die Kraft fehlte, mit einem Degen bewaffnet, den sie früher mit Ehren geführt hatten, die Aufständischen nicht unterstützen zu können. Wenn man auch theils Zweifel hegte, an einem guten Gelingen der Sache, sträubte man sich doch, an ein Ende zu glauben, wie es wirklich eintrat. Seit die Bevölkerung dieses und ferner vernommen hatte, daß die sieben letzten Helden der Freiheit sollten gehängt werden, öffneten sich die Thüren der Häuser und aus jeden trat ein durch das Alter niedergebeugter Vater, oder eine weinende Frau, oder erschreckte Kinder auf die Straße. Alle sahen sie nach den Leichen und Verwundeten um, die in den Straßen lagen. Die städtischen Behörden durften den Frauen nicht ver bieten, ihre Angehörigen zu suchen, den Verwundeten beizu stehen und sie zu verbinden. Man sah zarte Frauengestalten auf den blutbefleckten Steinen knien, die theils schon erstarrte Leichen aufhoben und nach Hause trugen. Begga war die letzte nicht, die ganz Lüttich durchlief, um unter den aufgehäuften Leichen diejenige ihres theueren Mannes zu suchen. Doch sie fand ihn nicht. „Es sind ihrer sieben, die noch leben," sagte eine alte Frau zu ihr. Begga eilte nach dem Platze, wo die Galgen aufge richtet standen. An dem Fuße eines jeden Galgen stand der Verurtheilte und ein Büttel. Die Verurtheilten sahen ruhig und gefaßt dem Loose ent gegen das ihrer wartete; einige Geistliche bewegten sich zwischen ihnen, geistlichen Trost spendend. Die Büttel prüften die Dauerhaftigkeit der Stricke. Eltern, Freunde, Verwandte der Verurtheilten, mit Mühe von den Soldaten zurückgehalten, suchten sich ihnen zu nähern. Weshalb durften sie ihnen kein letztes Lebewohl zurufen! Begga suchte die Kette der Soldaten zu durchbrechen. Schon Dutzende Male zurückgestoßen, erneuerte sie immer wieder den Versuch; thränenden Auges bat sie die Soldaten, deren Hände vielleicht mit dem Blute ihres Mannes befleckt waren, um Durchlaß, man stieß sie jedoch immer mit dem Ende einer Lanze zurück, sie aber schien gefühllos gegen die rohe Gewalt und die kränkenden Beleidigungen des wüsten Kriegsvolkes zu sein. „Im Namen ibrer Mutter," sagte sie jetzt zu einem Musketier, laßt mich nur einen einzigen Blick auf die Ver urtheilten werfen." Der Soldat war jung und liebte seine Mutter .... der Gedanke an diese ließ ihn die Gunst gewähren, die das härmende Weib von ihm sich erbat. Suchenden Blickes ließ sie ihre Augen über die Ver urtheilten schweifen, doch fand sie ihren Mann nicht unter den selben. Während sie den um die Verurtheilten durch die Soldaten gebildeten Ring wieder verlassen wollte, zogen die Henkers knechte das Ende der Stricke an und im gleichen Augenblicke sah man die sieben menschlichen Körper sich in der freien Luft leicht bewegen. Begga entfuhr ein erschreckter Schrei, dem noch ein Fluch wort folgte. ... Sie durchsuchte die ganze Stadt, doch ver gebens; endlich sagte ihr ein Kind, welches sie erkannt hatte: „Die Letzten sind auf dem Walle an der Maas gefallen." Begga eilte dorthin. Andere Frauen waren bereits vor ihr dort gewesen und hatten die meisten gefallenen Mitkämpfer Köppens weggetragen. Doch auch hier fand Begga den Gesuchten nicht. Da waren doch die letzten gefallen, die leichtgläubig dem wilden Schwein der Ardennen vertraut hatten. Der oben schon genannte Kleine, dessen Namen Lieven war, der ihr von ferne gefolgt war, fand sie weinend auf der Erde knieend. „Du hast Dich versehen, Lieven," sagte Begga mit schluch zender Stimme zu.dem Kinde, „Du hast Dich versehen!" „Nein," ließ letzteres sich vernehmen, „ich habe es gut gesehen, wie tapfer Köppens sich vertheidigte. Ich werde das selbe thun, wenn ich einmal groß bin, um die Soldaten des Tyrannen verjagen zu helfen. Ich habe auch gesehen wie ein Soldat Köppens bei der Kehle griff und ihn dann in die Maas warf. „In den Fluß," wiederholte die unglückliche junge Frau, „sein Grab wird dann unbekannt bleiben." Sie trocknete ihre Thränen und begab sich an das Ufer der Maas. Dort lagen überall noch die Leichen der Gefallenen . . . Begga untersuchte jede Leiche, um den zu finden, den sie so innig und wahr geliebt hatte, und dem sie jetzt ein ehrliches Begräbniß verschaffen wollte. Die Abenddämmerung warf bereits ihre Schatten auf die Erde und noch immer war Begga auf der Suche, es dunkelte und noch immer befand sie sich inmitten der Leichen. Der kleine Ludwig war während dieser ganzen Zeit in der Obhut der Tante Gertrud, einer alten gelähmten Frau gewesen. Begga trat bei Getrud ein. Sie schleppte sich nur mit Mühe fort. In ihrer Angst hatte sie den ganzen Tag über nicht auf ihr Aeußeres geachtet, die Kleider waren verwahrlost und mit Blut befleckt, das Haar hing lose über die Schultern, ihre Hände zeigten ebenfalls Blutspuren, während zehn Stunden hatte sie sich zwischen den Leichen bewegt. „Nicht gefunden?" frug die alte Gertrud. „Nein," antwortete Begga, „ich habe alle Straßen durch sucht, Leiche für Leiche angesehen .... Ich hoffte Hubert noch einmal zu scheu. . . . ich glaubte, daß mein Mann sich unter den Verurtheilten befinden werde . ... es waren ihrer sieben, Gertrud, die starben durch des Henkers Hand für unsere Freiheit . . . Köppens war weder unter den Leichen noch unter den Verurtheilten, während mir eine geheime Stimme sagt, daß er noch lebt. Ich darf unser Haus nicht mehr betreten, laßt mich darum diese Nacht hier zubringen, morgen werde ich meine Nachforschungen wieder auf nehmen, und nicht ehrer ruhen, bis ich weiß, wo Hubert ver blieben ist." Die junge Frau ließ sich auf einen Stuhl nieder, nahm den kleinen Ludwig auf ihren Schooß und fiel bald in fried lichen Schlummer. Schon vor Tagesanbruch wurde sie wach. Die alte Gertrud war arm. Begga wiewohl durch den Ausgang des vorigen Tages finanziell zu Grunde gerichtet, be saß doch noch soviel, um der alten Frau eine Unterstützung geben zu können. Nachdem sie selbst noch Vorkehrungen zu einem Mittagessen getroffen und Ludwig der Sorge der alten Gertrud anempfohlen hatte, verließ sie das Haus, um auf'Z Neue nach der Leiche ihres Hubert zu suchen, (Forts, f.)