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Wochenblatt für Wbmff Thorondt, Nossen, Menlehn nab die Umgegenden. Imtsölatl für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne s Nummern 10 Pf. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. No. 8S. Dienstag, den 7. November Nachdem der Gutsbesitzer Herr Robert Max Naumann in Neukirchen als Gerichtsschsppe für dasigen Ort hier verpflichtet worden ist, so wird dies hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Königliches Amtsgericht Wilsdrttff, den I. November 1893. lli«. Osnglott. Heute Dienstag, den 7. ds. Mts., Nachmittags 6 Uhr, öffentliche StaStgememderathssitzung. Wilsdruff, am 6. November 1893. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Nachdem nunmehr die Einberufung des Reichstages auf den 16. November festgesetzt worden ist, erscheint es erklär lich, wenn in Hinblick auf diesen hohen Termin die Vorberei tungen von zuständiger Seite für die kommende Wintertagung des Reichsparlaments mit verdoppeltem Eifer betrieben werden. Gutem Vernehmen nach hat sich das preußische Staatsministerium mit den für den Reichstag bestimmten Steuer vorlagen be schäftigt und denselben seine Zustimmung ertheilt. Ob sich unter ihnen auch der Weinsteuergesetzentwurf befunden hat, ist aller dings noch immer unbekannt, denn noch bis in die jüngste Zeit hinein behauptete sich die Annahme von noch nicht gelösten Differenzen in den Kreisen der Bundesregierungen bezüglich der geplanten Reichsweinsteuer. Dagegen verlautet jetzt Bestimmteres über die projektirte anderweitige Reichsstempelsteuer und über die neue Börsensteuer. Der ,',Nordd. Allg. Ztg." zufolge ist beabsichtigt, das Reichsstempelwesen noch weiter auözugestalten Md auch einen Stempel in Höhe von 10 Pf. auf Frachtbriefe einzuführen, doch sollen hierbei die Eisenbahnfrachtpapiere und die Frachtpapiere beim Schiffsverkehr bis zu einer g wissen Grenze sreigelassen werden, da auch der 50-Pfennig-Packet-Verkehr bei der Post der neuen Steuer nicht unterworfen werden soll. Ferner ist die Verdoppelung der Börsen-Umsatzsteuer in Aussicht ge nommen, mit gewissen Erleichterungen für die Reports und für die Vermittelunzsgeschäfte der Prooinzialbankicrs. Die Quit tungssteuer soll 10 Pf. betragen und für Quittungen über 20 Mk., wenn möglich, auch für Checks- und Giro-Anweisungen, erhoben werden. Ueber die geplante Reichs st euerreform wird nun Näheres bekannt. Wie der angeblich zuverlässige Berliner Korrespondent der Münchner „Allg. Ztg." telegraphisch berichtet, wird dem Reichstag bei seiner Eröffnung eine die Reform er örternde Denkschrift nebst vier Gesetzentwürfen zugehen, welche die Regelung des finanziellen Verhältnisses des Reichs zu den Einzelstaaten, die Tabaksteuer, die Weinsteuer und die Stem pelsteuer betreffen. Der Inhalt der Denkschrift entspricht dem seit der Frankfurter Konferenz über den Reformplan zumeist bekannten Material. Unter Beibehaltung der Frankenstemschen Klaiffel soll zunächst auf fünf Jahre festgesetzt werden, daß Sie Bundesstaaten jährlich 40 Millionen vom Reiche erhalten. Eine Erhöhung der Matrikularbeiträge findet in dieser Zeit nicht statt; Erhöhungen der Ausgaben sind durch neue Steuern oder durch Zuschläge zu bestehenden zu decken. Aus etwaigen Ueberschussen des Reichs wird ein verzinslicher Fonds zur Deckung der Fehlbeträge späterer Jahre angelegt; wächst dieser Fonds auf mehr als Million an, so wird der Ueberschuß zur Schuldentilgung verwendet. Der Ertrag der Tabakfabrikat steuer ist auf 50, der Ertrag der erhöhten Stempelsteuer auf 36, derjenige der Weinsteuer auf 14 Millionen veranschlagt. Der Stempel auf Börsengeschäfte wird verdoppelt, für aus ländische Papiere eventuell weiter erhöht; sodann ist einFracht- briefstempel von 10 Pfg. und ein Stempel auf alle Quittungen über 20 M. in Aussicht genommen. Die Feststellung der Wcrthgrenze für die Weinsteuer wird demnächst im Bundcs- rath erfolgen. Zu den seltsamsten Erscheinungen unseres politischen Lebens gehört unzweifelhaft die enge Verbindung zwischen Sozialde mokratie und Judenthum. Von Marx und Lasalle angefangen bis auf Singer herab spielen Juden in dieser Bewegung die größte Rolle. In der Presse wie in den Versammlungen der Sozialdemokratie wird das Judenthum, obwohl es der typische Vertreter des Kapitalismus ist, in auffälligster Weise verschont und die Erörterung der Semitenfrage sorgsam vermieden. Einige nichtssagende Redensarten, eine phrasenhafte Resolution ist Alles was mast über sie zu hören bekommt. Wie erklärt es stch nun, daß die Juden sich so zahlreich der Sozialdemokratie zuwenden daß sie von der unumschränkten Herrschaft über diese Bewegung nicht mehr allzuweit entfernt sind? Die „Kreuzztg." giebt darauf Antwort. Es heißt u. a.: „Die sozialdemokratischen Juden zerfallen in Zwei Gruppen, in solche mit modernen ge schäftlichen und in solche mit höheren politischen Beweggründen. Zu der ersteren Gruppe gehören — von den Aerrten und Ad- r , ""gefangen bis herunter zu den Winkeladvokaten und .^"ern — gsi? jene jüdischen Gewerbetreibenden, welche in El Akratischen Versammlungen als Redner und Referenten, ^zumeist aber im Anzeige- und Reklametheil der sozialdemo kratischen Zeitungen hervortreten. Zu dieser Gruppe sind auch alle diejenigen jüdischen Geschäftsleute zu rechnen, welche sich nur den Anschein sozialdemokratischer Gesinnungen geben, welche sich selbst als Arbeiterfreunde hinstellen, um die sozialdemokratische Massenkundschaft zu gewinnen." „Die zweite kleinere Gruppe jüdischer Sozialdemokraten ist etwas weiterblickend und rechnet mit der Möglichkeit großer sozialer Umwälzungen. Man glaubt, sich eine Art sozialer Unfallversicherung schaffen zu können, durch Gewährung reichlicher Beiträge an sozialdemokrathche Vereine, Kassen u. s. w. Unmittelbaren, maßgebenden, ver hängnisvollen Einfluß haben indessen auf die sozialdemokratische, ja auf die ganze Arbeiterbewegung jene jüdischen Politiker an sich zu reißen und auszuüben verstanden, denen es gegeben, durch literarische, journalistische, finanzielle oder sonstige Leistungen die nationalen Arbeiterführer mit ihren praktischen Reformbe strebungen zu verdrängen und an deren Stelle sich selbst zu setzen mit ihren internationalen Anschauungen, mit ihren kos mopolitischen Phantasten, mit der Drohung der Revolution unter jüdischer Führung. (Als Beispiel dieser Singer). Seit her werden gewisse Marxistische Doktrinen praktisch bethätigt, indem man die sozialdemokratische Agitation von dem jüdischen Groß- und Kleinkapital immer mehr ablenkt auf den Staat und die Kirche, auf Adel und Bürgerthum, auf den ererbten Besitz, auf den Mittelstand. So arbeitet die sozialdemokratische Agitation dem jüdischen Kapitalismus in die Hände; die Singer und Rothschild gehen zwar nicht Hand in Hand mit einander, aber doch parallel, ohne sich irgendwie zu befehden, neben einander, und es ist nachgerade hohe Zeit, und zwar für alle patriotischen Kreise ohne Rücksicht auf sonstige Parteiunter schiede, dieser verhängnihvollen Entente der rothen und goldenen Internationale und insbesondere den intimen Beziehungen zwischen Judenthum und Sozialdemokratie ernstere Beachtung zu widmen." Das sozialdemokratische Parteiorgan hatte die Betrügereien, welche einzelne Schaffner auf der Stettiner Bahn mit Fahr karten verübt batten, auf die angebliche schlechte Besoldung der Schaffner zurückgeführt. Daraufhin ist es von amtlicher Seite gezwungen worden, festzustellen, daß die Schaffner im Mindest falle jährlich 1440 Mk., im Meistfalle 1800, im Durchschnitte also 1620 Mk. jährliches Gehalt mit Nebeneinnahmen gehabt haben. Der „Vorwärts" bleibt trotzdem bei der Behauptung stehen, daß im Wesentlichen die „schlechten Gehaltsverhältnisse" der Beamten schuld daran gewesen seien, wenn sie den Ver suchungen, die an sie herantraten, erlagen. Wie hoch müssen sich die Einkünfte der sozialdemokratischen Führer belaufen, wenn sie ein Gehalt von 5 bis 600 Thalern als so gering be trachten, daß sie damit sogar Betrügereien entschuldigen zu können glauben! Ueber die deutsch-russischen Zollverhandlungen wird jetzt offiziös geschrieben: „Gegenüber den Nachrichten über den Stand der deutsch-russischen Handelsvertragsverhandlungen müssen wir auf Grund sicherer Erkundigungen wiederholt dringend zur Vorsicht rathen. Es verficht sich von selbst, daß kein Vertrag zu stände kommen kann, wenn sich Rußland nur zu minder- werthigen Konzessinnen verstehen will. Indessen läßt sich zur Zeit nur das mit einiger Sicherheit heraussehen, daß nämlich die Verhandlungen langwierig sein werden und bei den verschie denen Faktoren und Fragen, die dabe» mitsprechen und zu er ledigen sind, auf Monate berechnet werden müssen. Deshalb äußern sich maßgebende Kreise über den Erfolg der Bemühungen zunächst noch mit großer Zurückhaltung." Schweidnitz. Bei der Treibjagd auf dem benachbarten Revier Groß-Peterwitz wurde der Gros v. Pfeil von Herrn v. Klubmitz angeschossen und schwer verwundet. Schönebeck a. d. Elbe. Am 4. d. früh hat sich auf hiesigem Bahnhof ein großes Eisenbahnunglück ereignet. Ein von Hamburg kommender, mit Vieh beladener Eilgüterzug hatte zwei Stunden Verspätung. Infolge eines falschen Einfahrts zeichens fuhr er im schnellsten Tempo mit seinen zwei Maschinen auf einen Nangir - (Seiten)-Zug. Drei Viehbegleiter sind todt, 2 schwer, 3 leichter verwundet. Vom Zugpersonal ist nur der Eilgut-Zugführer sehr schwer vorwundet. Stettin. Am 2. d. M. ist eine Person an der Cholera erkrankt. Seit dem 23. September sind im Ganzen 83 Personen erkrankt und 42 gestorben. Schneidemühl, 4. November. An der Ausbruchstelle fließt heute viel Wasser aus, das große Thonstücke mit sich führt. Gleichzeitig enströmt aus dem Ausflußrohr viel Wasser. Brun nenmeister Beyer nimmt an, baß mehrere Wasscrschichten im Thonlager vorhanden sind. Derselbe beabsichtigt, an der Aus bruchsstelle ein sechszölliges Rohr in die Tiefe zu führen, um alle Wasserschichten abzufangen. Die Lage ist bedenklicher ge worden. Petersburg, 2. November. In hiesigen angeblich em- geweibten Kreisen wird behauptet, die Verständigung der beider seitigen Vertreter in Berlin schreite fort. Angeblich seien bereits von rund 70 seitens Deutschland aufgestellten Punkten 60 erledigt. Man hoffe neuerdings auf ein beide Staaten befriedigendes End ergebniß. Im Zusammenhang hiermit und wohl auch mit den in der „Kölnischen Zeitung" gemachten Bemerkungen über die Haltung der russischen Presse scheint das Gerücht zu stehen, der russischen Presse sei nunmehr von der Oberpreßverwaltung an befohlen, sich jeglicher Angriffe und abfälliger Kritik der deutschen Regierung zu enthalten. Vaterländisches. Wilsdruff. Aus dem Briefe des Wilsdruffer Kindes, Franz Fiele, welcher sich am 16. Februar d. I, mit her Schutztruppe nach Deutsch-Südwestafrika begab, lassen wir hiersebst das meist Jnteressirende folgen: „Am 16, März, als wir noch im Bette lagen, lockte uns der freudige Ruf: „Wallfischbay in Sicht" alle auf Verdeck und mit einem donnernden „Hurrah" und „Deutschland, Deutschland über alles", begrüßten wir das lang ersehnte Land. Ja, lang ersehntes Land. Denn nach den furchtbaren Stürmen, welche wir mitgemacht haben, sehnten fwir uns nach festem Boden, '/rd Uhr rollte ein Kanonenschuß von unserem Schiff über die Wellen! Prasselnd sausten die schweren Anker in die Tieft! So hatten wir denn mit Gott glücklich den Hafen erreicht! Vom Schiffe aus konnten wir weit in das Land hitteinsehen. Doch was sich uns bot, war kein erfreuliches Bild. Sand und nichts als Sand. Mittelst drei kleinen Dampfern begann nun das Ausladen der Kisten und Fässer,, welches 2 Tage in Anspruch nahm. Die Mannschaft, immer 15—2(1 Mqnn, wurde in kleinen Boten an das Land gerudert. Ungefähr 80 Meter vom Ufer wurde Halt gemacht und wir wurden von h(n Eingeborenen, Männern und Frauen, an das Land getragen, wobei auch die Heiterkeit in ihre Rechte trat, denn zwei hatten das „Glück" sammt ihren Trägern in's Wasser zu fallen, was viel Spaß verursachte. Die Ausrüstung begann und wurde vollendet mit Gewehren und für Jeden 60 scharfe Patronen. Der Missionar hielt dann eine begeisterte schöne Predigt, erin nerte an die voraussichtlichen Strapazen, doch würde gewiß Jeder seine Pflicht freudig erfüllen im Interesse der guten Sache. Manches Auge füllte sich mit Thränen, als er von der lieben deutschen Heimath sprach und wie viele würden wohl die liebe Heimat) gesund und munter Wiedersehen!? Ain 20. Mär; wurde nun die Reise nach dem noch 14 Tage weit entfernten Bestimmungsorte angetreten. Alles war lustig und Wohlgemuth. Sollte doch täglich nur 7 Stunden marschipt werden. Doch bald kam es anders. Die Sonne stieg imtner höher und der Sand wurde immer tiefer, theilweise mußten wir bis an die Knie im Sande waten und dazu keinen TxM Wasser. Nachmittags sah die 200 Mann starke Truppe nicht mehr wie der Kern deutscher Soldaten, sondern wie Napoleons Rückzug aus Moskau. Der ganze Weg lag voll von Kameraden. Einer fiel zum Opfer. Die Strapazen waren aber auch keine geringen, so im heißen Sande zu marschiren, kein Strauch, kein Baum, nicht ein Grashalm war ringsum in weiter Feme sichtbar. Die Ermatteten wurden auf Wagen nachgebracht. Ein Häuflein von 20 Mann erreichte Abends 7 Uhr einen Fluß. Gleich einem Tiger, welcher ein Wild erfaßt, stürzten wir an deN Fluß, um unseren brennenden Durst zu löschen. Die Flaschen und Kochgeschirre wurden gefüllt und dann ging es. zurück zü den niüden Kameraden, welche uns mit Jubel empfingen. Ge meinsam kamen wir abends 11 Uhr am Flusse wieder an, nur Einer fehlte. Sofort machten sich die Offiziere zu Pferde auf die Suche, doch ohne Erfolg. Auch den Eingeborenen wär es so ergangen, obgleich sie sich auf dieses Geschäft gut ver- j stehen. Andern Tags Abends 5 Uhr kam der vermißte Kamerad