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zirk vertritt, und der Rittergutsbesitzer Hustig. Der Letztere betrieb die Bewerbung mit Hochdruck. Wahlversammlung folgte auf Wahlversammlung, in der deutschen und wendischen Presse ging es wild her. Am Wahltage wurden Greise und Kranke zur Abstimmung getragen und gefahren. Am Wahltage war der Markt in Kamenz voll von Kutschen und Wagen der An hänger Hustig's und das Siegcsmahl bestellt. Da kommt das Ergebniß ein, Kockel hat 2200, Hustig nur etwa 700 Stimmen. Im Nu ist der Markt leer; nach allen Richtungen hin eilten Radfahrer, den Sieg zu verbreiten. Man berechnet, daß dem Großgrundbesitzer Hustig seine Niederlage 10 000 M. kostet. — Glauchau. Ein Aufsehen erregender Vorfall hat sich kürzlich im hiesigen Stadtgcmcinderath ereignet. Man be richtet darüber Folgendes: Porzelanmaler Bunge wurde in der am 1. November abgehaltenen öffentlichen Sitzung der Stadt verordneten von dem Vorsitzenden, Baumeister Kästner, an Stelle des ausgeschiedenen Stadtverordneten Otto, in sein Amt einge wiesen, unter Hinweis auf die ihm als ehemaligem Stadtver ordneten bekannten Obliegenheiten. Hiernach ergriff Stadtver ordneter Boeßneck das Wort, unter Bezugnahme auf die erfolgte Einweisung Bunges, und führte aus: Es sei wohl noch in Aller Erinnerung, daß Bunge im vorigen Jahre, bei Gelegen heit einer Stadtverordneten-Wahlversammlung nicht nur die nach Ablauf ihrer Wahlperiode aus dem Collegium ausschei denden acht Stadtverordneten persönlich, sondern auch das Stadt- verordnctencollrgium in seiner Gesammtbeit durch seine Aeußer- ung: „Das Stadtverordnetencollegium sei käuflich" beleidigt habe. Wenn das Collegium diese Angelegenheit seither mit Stillschweigen übergangen habe, so müsse es doch jetzt, nachdem Bunge in dasselbe eingetreten sei, eine andere Stellung einnehmen. Er richte deshelb an Bunge die Frage, ob er die Aeußerung, gethan habe, bezw. ob er dieselbe zurücknehme, da er, falls dies nicht geschehen sollte, veranlaßt sei, um seine Entlassung nach zusuchen, wenn nicht die Angelegenheit auf anderer Weise ihre Erledigung finde. Bunge behauptete, die erwähnte Aeußerung nicht gethan zu haben; dies müsse auch Stadtverordneter Pfeiffer, welcher dies seiner Zeit vor Gericht ausdrücklich erklärt habe, bestätigen. Nach kurzer bezüglicher Aussprache Pfeiffers und nachdem vr. Heins die Erklärung abgegeben hatte, daß Bunge nicht ein einziges wahres Wort gesprochen habe, verließ Bunge die Sitzung. — Zwickau, 3. November. Fast jeden Tag berichten die hiesigen Tagesblätter in einer größeren Anzahl Notizen über Ausschreitungen und Rohheiten, an denen alle Alters classen, von den Schuljahren angefangen, betheiligt sind. Da nach scheint die hiesige Schutzmannschaft ein sehr arbeitsreiches Dasein zu führen. Zugleich bekunden diese Notizen aber auch einen wenig befriedigenden sittlichen Zustand. Das hiesige „Wochenblatt" vom 2. d. M. berichtet in einer einzigen Nr. allein über sieben solcher Fälle, die nur nachfolgend anführen: Drei Knaben von 10 bis 12 Jahren wurden wegen Lärmens der Polizeiwache zugeführt. Ein 10jähriger Knabe mißhandelte ein weidendes Schäfchen mit einem Stock und einem alten Blech krug, daß es schwer verletzt wurde. Er ist ermittelt und ange zeigt worden. Auf der Eisenbahnfahrt zwischen Glauchau und Zwickau mußte ein Passagier wegen rohen Betragens aus dem Coupe entfernt werden, da er sich widersetzte, erfolgte seine Ver haftung. Ein gleiches Schicksal widerfuhr einem Knecht, der auf dem Bahnhofe in Zwickau durch sein rohes Wesen Aufsehen erregte. Ein Straßenbahnarbeiter bedrohte seinen Schachtmeister wegen Lohndifferenzen mit einem Dolch. Auch er wurde in- haftirt. Weiter wurden zwei Lehrlinge und ein Bergarbeiter wegen einer Prügelei, in der auch das Messer eine Rolle spielte, zur Haft gebracht, und endlich mußten noch mehrere Gäste einer Schankwirthschaft, die von dem Wirth wegen flegelhaften Betragens hinausgewiesen worden waren, diesem Ersuchen aber keiner Folge leisteten und den zur Hilfe hierbeigerufenen Schutzmann blutig schlugen, in Nummer Sicher gebracht werden. Und das Alles an einein Tage! Genug der Thaten! möchte man da ausrufen. — Bund der Landwirthe. Freitag, den 24. Nov., werden in Riesa und Lommatzsch und Sonnabend, den 25. Nov., in Meißen und Großenhain Versammlungen des Bundes der Landwirthe abgehalten, in denen Direktor Dr. Suchsland aus Berlin über den deutsch-russischen Handelsvertrag referiren wird. — Oelsnitz i. V. Der aus Roßbach i. V. gebürtige Weber Johann Gustav Schlegel, dessen Familie hier wohnt, ;ist bei Greiz einem Morde zum Opfer gefallen. Schlegel hat zuletzt in einer mechanischen Weberei in Schönfeld bei Greiz gearbeitet und soll ein tüchtiger und ordentlicher Arbeiter gewesen sein. Am 30. v. M. wurde seine Leiche in einem Gehölz in der Flur Krahmer bei Greiz aufgefunden. Die Verletzungen an der Leiche lassen keinen Zweifel darüber, daß ein Mord vor liegt, und zwar war es offenbar auf die Baarschast des Todten abgesehen. Man nimmt an, daß der oder die Mörder des Schlegel erst nach dessen Tödtung die Leiche an den Fundort gebracht haben. Wahrscheinlich hat ein harter Kampf zwischen ihm und dem Mörder stattgefunden, da Ersterer von sehr starkem Körperbau war. Die Leiche, welche 3—4 Tage im Gehölz ge legen haben mag, wurde durch den Hund eines in der Nähe wohnenden Bahnwärters aufgespürt, indem das Thier ein blut getränktes Taschentuch nach Hause brachte. Der Bahnarbeiter folgte nun dem unruhig gewordenen Thiere nach und es dauerte nicht lange, so bot sich ihm der Anblick des ermordeten Todten. — Zu der mysteriösen Affaire des Dr. v. Süßmilch aus Dresden wird jetzt aus Mailand gemeldet, daß auf Be fehl des italienischen Ministers des Innern sich der bekannte Kriminalist Mancini noch Chiavenna begeben hat mit der Mission, dort Erhebungen über die Ermordung von Süßmilch's vorzunehmen. Nachgerade ist man nämlich fest davon überzeugt, daß kein Unglücksfall, sondern ein Mord vorliegt. Ganz be stimmte Umstände, besonders aber das Verschwinden derWerth- sachen, die er bei sich batte, haben die Annahme einer Verun glückung, bezw. eines Absturzes endgiltig widerlegt. Zur Zeit befinden sich in Chiavenna drei Delegirte der italienischen Kri minalpolizei und ein helvetischer Kommissar, welche die Nach forschungen aus das Lebhafteste betreiben. Auch zwei Verwandte des Ermordeten sind dort eingetroffen. Es ist fast bestimmt, daß Süßmilch auf dem Ausflug nach der Ruine vom Schloß, daß die Stadt Chiavenna überragt, überfallen und ermordet ist. Bereits sollen sich Anhaltspunkte zur Ermittelung des Thäters gefunden haben. Wie man hört, nimmt Graf Solms, der deutsche Botschafter, infolge einer von hoher Stelle in Dresden ergangenen Anregung an den Ermittelungen den lebhaftesten Antheil. — Olbersdorf, 1. November. Dem schändlichen Treiben von Wilddieben ist man jetzt auf die Spur gekommen. Bei seinem Gange durch das Harthauer Forstrevier bemerkte ein Forstbeamter ein in einer Drathschlinge gefangenes Reh. Das arme Thier war durch die vergeblichen Befreiungsversuche bis zum Tode ermattet. Bei den Befreiungsversuchen war die Drathschlinge dem Reh tief ins Fleisch eingedrungen. Leider ist es nicht gelungen, den Wilddieb zu ermitteln und ihn für sein herzloses Thun zu bestrafen. Ein' feste Burg ist unser Gott. „Ein' feste Burg ist unser Gott" Jetzt wie in alten Zeiten; Er heißt noch heut Herr Zebaoth, Der für sein Reich wird streiten. Der Kampf entbrennet nah und fern, Auf! waffne dich, du Volk des Herrn! „Mit unsrer Macht ist nichts gethan": Gott muß uns Hilfe senden, Was er mit starker Hand begann, Das wird er auch vollenden. Wohlan, drum kämpfe wie ein Mann Furchtlos und treu, wer kämpfen kann. „Und wenn die Welt voll Teufel wär", Wir lassen uns nicht rauben Des Evangeliums heilge Lehr'. Der Väter teuern Glauben, Bekennen uns zu Christo frei Und steh'n zu seinem Worte treu. „Das Wort sie sollen lassen stahn!" Das Wort wird ewig stehen; Wenn Erd und Himmel ihre Bahn Verlassen und vergehen, Dann steht hoch über aller Zeit Das Wort m ew'ger Herrlichkeit. Wohlauf, wohlauf, du Arm des Herrn, Zieh an sein Volk mit Stärke! Versammle es von nah und fern Und rüst' es aus zum Werke. Trotz aller Feinde Hohn und Spott Gieb uns den Sieg, Herr Zebaoth.