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WchmM für Wils druff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis > vierteljährlich I Ml., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne I Nummem 10 Pf. Tharandt, Mn, Mealtha md die Umgegenden. ImlsblM Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. ) für die Kgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. SO Freitag, dem 1O. November 1893 BKLaRNtmachRRg. Behufs Vornahme der diesjährigen hiesigen Lt«r-tversvdneten-Lrg«n;u»gswahl ist eine Liste der stimmberechtigten und wählbaren Bürger hiesiger Stadt angefertigt worden und hängt dieselbe vom Pf. bis 26. dieses Monats im hiesigen Ratdhause zu Jedermanns Einsicht aus. Etwaige Einsprüche dagegen sind rechtzeitig und spätestens bis init 17. dieses Monats bei dem unterzeichneten Bürgermeister anzubringen. Nach Ablauf der gedachten Aushängezeit wird die Liste geschlossen; auch werden alle bis dahin in dieselbe nicht eingetragenen Bürger von der Wahl ausgeschlossen, sowie auch etwaige bis dahin nicht erledigte Einsprüche unberücksichtigt gelassen werden. Wilsdruff, am 9. November 1893. Der Bürgermeister. Tagesgeschichte. Die offiziellen Veröffentlichungen der wichtigeren für den Reichstag bestimmten Vorlagen folgen sich jetzt Schlag aus Schlag. An die amtliche Bekanntgabe des Gesetzentwurfes über die Neuregelung der Reichsfinanzen hat sich die Bekannt machung der Entwürfe, betr. die Tabakfabrikatsteucr, und betr. die neuen Reicbsstempelsteuern, unmittelbar angereiht. Der In halt des erstgenannten Steuergesetzcntwurfes war durch die halb amtlichen Mittheilungen hierüber im Wesentlichen allerdings schon bekannt. Es sei daher an dieser Stelle nur nochmals hcrvorgehoben, daß nach den Vorschlägen des Entwurfes an Zoll erhoben werden sollen für Tabakblätter 40 M., für Ci garren 400 M., für Cigaretten 500 M-, für anderen fabri- zirten Tabak 250 M.; der Satz gilt immer 100 Kilogramm. An Steuern sollen erhoben werden für im Jnlande hcrgestellte Cigarren und Cigaretten 33V? Proz., für Rauchtabak 66-/., Proz., für Kau- und Schnupftabak 50 Proz. des Faktura- Preises, zu welchem diese Fabrikate ausschließlich der Steuer von dem Fabrikanten verkauft werden. Außerdem enthält der Ent wurf sehr eingehende Auffichts-, Controls- und Strafbestimm ungen. Die Vorlage über die neuen Reichsstempelsteucrn ist in die Form einer Novelle zum Reichsstempelsteuergesetz gekleidet und schlägt in der Hauptsache Folgendes vor: Inländische Ac- tien und Äctien-Anthcilscheine werden mit einem Prozent, aus ländische mit 1Vr Proz. besteuert. Inländische für den Han delsverkehr bestimmte Renten- und Schuldverschreibungen sollen 4 vom Tausend, ausländische 6 vom Tausend tragen, eine Reihe anderer Schuldverschreibungen sollen nur einer Besteuerung von 2 vom Tausend unterliegen. Kauf- und sonstige An schaffungsgeschäfte zahlen 2/,« vom Tausend, Loco-, Zeit-, Fix-, Termin- u. s. w. Geschäfte über börsenmäßig gehandelte Waaren >V,„ vom Tausend; abgabenfrei sind Geschäfte bis 600 M. Lotterieloose zahlen 8 Prozent Steuer (bisher 5 Proz.), Quittungen über mehr als 20 M. zahlen 10 Pf.; (Gehalts- quittungen der Reichs- und Staatsbeamten, Quittungen über Bezüge aus der Altersversicherung u. dergl. sind abgabenfrei). Checks und Giroanweisungen werden mit 10 Pf., Ladescheine mit 30 Pf. und Frachtbriefe mit 10 Pf. besteuert. Es ist demnach keine besondere Börsenstcuervorlage geplant, wie bis jetzt fast allgemein angenommen wurde, sondern es sind die neuen Besteuerungen der Börsengeschäfte mit den übrigen neuen, resp. erhöhten Rcichsstempelabgaben in einen Nahmen eingefaßt worden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß im Reichs tage sowohl die Tabakfabrikatsteuer, als auch die Novelle zum Reichsstempelsteuergesetz, letztere wenigstens hinsichtlich der vor geschlagenen Quittungs- und Transportsteuer, auf eine scharfe Opposition stoßen wird, welche sich hierbei auf die im Lande unleugbar vorhandene starke Strömung gegen die neuen Steuer- Vorlagen stützen kann. Welches das Schicksal derselben sein wird, dies läßt sich natürlich nocy nicht im Entferntesten Vor aussagen, dennoch darf man wohl schon das Eine behaupten, daß dicReichssteuergesetzentwürfe nur mit erheblichen Veränderungen i>n Parlamente zur Annahme gelangen werden. Dasselbe kann auch von dem Gesetzentwürfe über die anderweitige Regelung des finanziellen Verhältnisses des Reiches zu den Einzelstaaten gelten. Denn so sehr inan auch dem Grundprinzip dieser Vor lage — Einschränkung des Systems der Ueberweisungen des Reiches an die Einzelstaaten und Erhöhung der Reichseinnahmen — zustimmen muß und so sehr auch überhaupt die Noth- wendigkeit einer definitiven Neuordnung des gesammten Reichs finanzwesens zu Tage liegt, so enthält der Entwurf doch un verkennbare Schwächen, welche seine Annahme in der jetzigen Gestalt mehr als fraglich erscheinen lassen. Die oben genannten Steuervorlagen sind dem Bundes- rathe nunmehr zugegangen und werden sie sich vielleicht schon auf der Tagesordnung seiner nächsten Plenarsitzung befinden. Die Vorlage über die Grundzüge der geplanten Reichsfinanz reform dagegen unterliegt, wie bekannt, bereits ihrer Vorbe- rathung durch die zuständigen BundeSrathsausschüsse. Was die projektirtc Neichsweinsteuer anbelangt, so ist dieselbe wieder in den Hintergrund getreten, anscheinend sind die hierüber zwischen den Bundesregierungen bestehenden Differenzen noch nicht be seitigt. Erneut zugegangen ist dem Bundesrathe soeben der in der Reichstagssession von 1892/93 nicht zu Stande gekommene Gesetzentwurf über die Reform der Abzahlungsgeschäfte, doch soll die Vorlage eine veränderte, lebensfähigere Gestalt er- alten haben. In Betreff der in Kiel verhafteten französischen Späher erfährt ein hiesiges Blatt, daß die Anklage auf Landesverrath, verübt durch Aufnahme militärischer Pläne und Photographien einer Reihe wichtiger strategischer Punkte auf Helgoland und am Nordostsee-Kanal, ferner auf versuchte Verleitung zum Lan desverrath lautet, da die Angeklagten nachgewiesener Maßen zahlreiche Küstenbewohner, Matrosen u. s. w. aufgefordert haben, ihnen für Geld weitere Mittheilungen über militärische Verhältnisse zu machen. Beiden Angeklagten werden Offizial- Verthcidiger bestellt werden. Die Hauptverhandlung, die noch nicht anberaumt ist, wird unter Ausschluß der Ochentlichkeit stattfinden. In dem großen Bau der deutschen Sozialgesetzgebung, welche den Arbeiter in Gewerbe, Handel und Landwirthschaft gegen die Folgen von Krankheit, Unfall, Alter und Invalidität sichern will, fehlen noch zwei bedeutsame Steine: die Sorge für die Hinterbliebenen des Arbeiters und die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Es ist ein bedeutsames Zeichen, daß die letzte Maßregel in einem vom Regierungsrath Zacher dem internationalen Arbeiterfürsorgekongreß in Chicago erstatteten Referat warm befürwortet wird, das unter dem Titel „Ar beiterbewegung und Sozialreform in Deutschland" vor kurzem im Drucke erschienen ist. Herr Zacher, welcher ständiges Mit glied des Neichsversicherungsamts ist, sieht in der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit den Schlußstein einer neuen Organisation der Arbeiter, welche auf dem Boden der Gewerbeautonomie steht und eine soziale Organisation höherer Art sein soll. Die Forderungen Zachers die zum Theil sehr weit gehen, werden vielfach auf Widerspruch stoßen und die Bedenken und Schwie rigkeiten, die sich der Ausführung entgegenstellen, sind in der That nicht zu unterschätzen. In weiten Kreisen besteht das dringende Bedürfniß nach einem Stillstand der sozialen Ge setzgebung, deren rasches Fortschreiten in dem letzten Jahrzehnt dazu nöthigt, erst die Lücken des Bestehenden auszufüllen und Mängel zu beseitigen, ehe man an neue Institutionen schreitet. Aber der Gedanke einer Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist so tief in der Entwickelung mit dem heutigen Stande der Beziehung zwischen unserer gewerblichen Ordnung und dem Unterstützungswesen begründet, daß er immer wieder in den Vordergrund der Erörterungen treten wird. Man wird sich daher mit der Sache fortdauernd beschäftigen müssen, wenn es sich auch nicht empfiehlt, eine baldige Verwirklichung des Ge dankens in Aussicht zu nehmen. Die Franzosen wurmt es nicht wenig, daß das Ausland, zumal die öffentliche Meinung der Dreibundländcr es be harrlich ablehnt, an das Vorhandensein eines förmlichen Bündniß- vertrages zwischen Rußland und Frankreich zu glauben. Darum fordert Herr Lockroy im „Eclair" die Negierung auf, den Bundesvertrag wenigstens in den Hauptzügen zu veröffent lichen, wie dies die Dreibundmächte ja ebenfalls gethan hätten. Dies sei das einzige Mittel, die immer noch vorhandenen Zweifel an dem Bcsteben eines solchen Vertrages zu beseitigen. Ungeheures Aufsehen erregt in London ein Artikel der „Times," in dem der Nachweis geführt wird, daß die englische Flotte im Mittelmeer der der französischen durchaus nicht gewachsen, und daß Toulon ein bei Weitem stärkerer Kriegshafen als Portsmouth oder Devonport sei. Im Parlamente sollen alsbald Interpellationen in dieser Hinsicht zu erwarten sein. Aus Santander wird gemeldet, daß dort im Hafen ein mit Dynamit beladenes Schiff, welches in Brand gerathen war, unter heftiger Detonation in die Luft flog. Das Feuer thcilte sich dem Quai und den benachbarten Häusern mit. Das^ Telegraphenbureau ist zerstört. Alle Fenster in der Stadt und in den umliegenden Dörfern zersprangen. Brennende Trümmer ragen in, weiten Umkreise hervor. Zahlreicke Opfer an Menschen leben sind zu beklagen. Der Gouverneur ist verschwunden; man glaubt, daß er bei der Katastrophe umS Leben gekommen sei. In der Bevölkerung herrscht die größte Erregung. Von Valenzia, Burgos und Valladolid sind Sonderzüge mit der er betenen Hilfe abgcgangen. Das Schiff, auf dem die Explosion stattfand, gehörte einer spanischen Gesellschaft in Bilbao und Sevilla. Soweit bisher amtliche Berichte eingetroffen sind, übersteigt das Unglück in Santander die ärgsten Befürchtungen. Seit Menschengedenken ist keine ähnlich entsetzliche Katastrophe vorgefallen. Der Brand an Bord des Dampfers „Cabomachichaco" entstand gestern Nachmittag 4 Uhr. In Folge des Alarmrufs eilte eine große Menschenmenge herbei, um das Schauspiel des brennenden Schiffes zu betrachten. Der Maglianoquai war in wenigen Minuten von Tausenden von Menschen bedeckt. Plötzlich explodirte die ganze Dynamitladung des Schiffes, be stehend aus 18 Dynamitkisten. Das Schiff flog sofort in die Luft. Im Augenblicke stand der ganze Quai sammt dem Zoll haus und allen Lagerplätzen auf dem Bahnhofe der spanischen Nordbahn und etwa 60 Wohnhäusern in Flammen. Unglück licherweise fuhr gerade in diesem Augenblick ein Personenzug in den Bahnhof von Santander und fing gleichfalls Feuer. Zahl reiche Neisende, deren Zahl bisher noch nicht festgestcllt wurde, verbranten lebendig in den Waggons; viele Andere erlitten Brandwunden. Der Stationsvorsteher und drei Bahnbcamte befinden sich unter den Todten. Die ganze Stadt vom Hafen bis zum Bahnhof bot in wenigen Augenblicken ein Bild furcht barer Zerstörung. Der Boden war mit Leichen und verstümmelten Leichentheilen bedeckt. Viele Personen, die am Landungsplätze standen, wurden ins Meer geschleudert und ertranken. . Die Gesammtzahl der Todten wird auf 300 geschätzt, die Zahl der Verwundeten beträgt über 100. Die Meisten erlitten lebens gefährliche Wunden. Um dem Unheile die Krone aufzusetzen, wurden die Telegraphenstangen in Folge der Explosion zerstört, so daß die benachbarten Orte von der Katastrophe nicht benach richtigt werden konnten. Die Liste der Todten ist bisher noch nicht festgestellt, doch erscheint es als gewiß, daß außer dem Stationschef und dem Statthalter auch der Platzkommandant, der Kommandant der Gendarmerie, 8 Offiziere, 12 Polizisten und 25 Feuerwehrleute den Tod fanden. Die Katastrophe drängt hier Alles in den Hintergrund. Der Minister des Innern und der Finanzminister sind nach Santander abgereist; die Königin reiste am selben Abend zum Besuche der Unglücksstätte. Die Weltausstellung in Chicago ist in der Nacht zum 30. Oktober geschlossen worden, einen Tag früher, als ur sprünglich geplant, vermuthlich aus Anlaß der Ermordung des MayoreS Harrisan. Es wird, so schreibt die „Nat. Ztg.", der Zukunft Vorbehalten bleiben, zu zeigen, ob und wie weit die Hoffnungen sich verwirklicht haben, welche gerade seitens Deutschlands an diese Ausstellung geknüpft wurden. Täuscht nicht alles, so werden wir uns mit der Ehre, uns ausgezeichnet zu haben, statt des erhofften materiellen Gewinnes begnügen müssen. Denn die Ausfuhr nach Amerika hat in außerordent licher Weise nachgelassen, aus Ursachen, die allerdings mit der Ausstellung nichts zu thun haben. Und andere Länder haben Deutschlands Leistungen nicht genügend kennen gelernt, da der Besuch der Ausländer weil hinter den Erwartungen zurückge blieben ist. Sämmtlichc europäisch-amerikanischen Dampferge sellschaften klagen darüber, daß sie ein so schlechtes Jahr, wie dies Ausstellungsjahr, nie gehabt haben. — Der finanzielle Abschluß des Unternehmens ist nicht sehr glänzend. Die 10 Millionen Mark, welche Chicago gezeichnet hat, werden bis auf vielleicht eine Million den Ausfall darstellen, so daß das Defizit in runder Ziffer etwa 40 Millionen Mark betragen wird. In den letzten Monaten — September und Oktober — nahm die Besuchsziffer außerordentlich zu. Sie stieg auf 200 000—300 000 und erreichte am 9. Oktober, dem Gedenktage des Brandes von Chicago, 715000 zahlende Personen. Im Ganzen wurde die Ausstellung von 27 529000 Personen besucht, darunter 21477 000 Zahlende, das sind 10 Millionen, weniger als veranschlagt worden und etwas weniger als die letzte Pariser Weltausstellung aufzuweisen hatte. Die allgemeine finanzielle Lage des Landes hat wesentlich dazu beigetragen, daß die hoch gespannten Erwartungen sich nicht erfüllten. Aber andererseits läßt sich nicht verkennen, daß nur durch Mittel, welche in Europa vollständig unbekannt sind, selbst diese Ausnahmsziffer erreicht wurde. Das Publikum wurde förmlich in die Aus stellung gepeitscht. Tag für Tag wurde an seinen Patriotis mus appellirt. Man stachelte alle Organisationen und Nationali täten auf, in einen Wettkampf einzutreten, wer die meisten Besucher nach Chicago bringen könnte. Der kolossale Eisen bahnverkehr, der die unausbleibliche Folge war, ist von zahl losen Unglücksfällen begleitet gewesen, die sehr häufig schlimme Verluste an Menschenleben — in einzelnen Fällen bis zu 20 Todten — im Gefolge hatten. In Chicago selbst wurden noch vor der Eröffnung der Ausstellung zwei Hotels vom Sturme umgeweht, drei andere brannten während der Ausstellung ab und forderten Menschenopfer und in der Ausstellung wurden beim Brande des Eisspeichers mehr als 20 Feuerleute getödtet. Die Absicht die Ausstellungspaläste niederzubrennen, um den