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370 Wunderschön ist der Witz der Wiener über ihren Ex-Botschafter Freiherr« v. Bach. Das Männlein nimmt Abschied vom Papst und dabei entspinnt sich folgendes Gespräch, B.: Ew. Hei ligkeit, ich möchte gern heilig gesprochen werden. Pius IX.: Dann müssen Sie erst sterben; bei Lebzeiten kann Niemand kanonisirt werden. B.: Nun, da kann ich mich ja scheintodt stellen, bis die (Zeremonie vorüber ist. P.: Gut, thun sie das; dann spreche ich Sie scheinheilig. — Victor Emanuel hat einen Meisterstreich vollbracht, der seinem Kopf und Herzen Ehre macht und der ihm nicht vergessen wird. Er hörte in Florenz, daß die Cholera in Neapel schrecklich wüthe und Furcht und Schrecken verbreite. So fort setzte er sich in den Wagen, nur von seinem Adjutanten begleitet, und fuhr 54 Stunden Tag und Nacht, bis er in Neapel ankam. Da wan derte er von Spital zu Spital, von einem Kran kenhaus zum andern, trat an jedes Bett und spen dete Trost und Muth. Wie eine Lauffeuer ging diese Botschaft durch die Stadt; die Leute verga ßen ihre Angst und jubelten hoch auf; sie hätten den König auf den Händen tragen mögen. Er entzog sich aber dem Dank so schnell als er ge kommen war. — Schäfer Thomas ist von Herrn B acker über troffen. Dieser italienische Prophet weiß ganz gewiß, daß die Welt am 2b. Septbr. 1878 untergcht und zwar genau um 5 Uhr 30 Min. Abends. Die Ereignisse, welche dem Untergänge Vorauszehen, sind folgende: 1867 zweite Invasion Italiens — 1867 Abdankung der Königin Victoria — 1869 Griechenland wird österreichisch, die Türkei russisch — 1872 Kaiser Alexander von Rußland stirbt in einer Schlacht in Palästina — 1873 Pest und Hungersnoth — 1875 ergreifen die Juden Besitz vom gelobten Lande und in demselben Jahre (am 10. März) erscheint der Antichrist und kämpft mit Napoleon III. Bei diesem Zusammenstöße stürzt die Napoleonische Herrschaft und die mit dem Antichrist verbündeten Engländer erobern Paris. Schließlich Sonnenfinsternisse, Orkane 2c. Am 1. Septbr. 1878 wird das erste Signal zur Er scheinung des Weltenrichters gegeben, und am 20. September wird der Richter vom Oelberg herab steigen und die Lebendigen und Todten richten. — In Frankreich haben der Finanz- und der Kricgsminister einen erbitterten Kampf gekämpft. Der Finanzmtnister erklärte dem Kaiser, das Inter esse des StaateS verlange es, daß das Heer ver mindert werde, der Kriegsminister erklärte, er könne keinen Trommler entbehren. Die beiden Herren bekriegten sich im Kabinet und in den Zeitungen, bis der Kaiser auf Seite des Finanzministers trat. Im Moniteur ist zu lesen, daß das Heer um etwa 40,000 Mann (darunter 16—1800 Offiziere) ver ringert wird und 50 Mill. Francs jährlich gespart werden. — Wer in Rom gut essen und trinken will, der muß sich bei dem Cardinal Rei fach zu Gaste laden. Der versteht es, Feinschmeckern die besten Delicatessen vorzusetzen. Selbst der Papst ist nach seiner Tafel lüstern, denn er fragte ibn bei einem Spaziergang, warum er ihn noch nicht zu Tisch geladen habe. Der Graf antwortete, daß die Nobelgardisten, die der Papst immer mit sich bringe, ihn davon abgehalten hätten, denn diese gingen nicht eher, als bis sie Killer und Küche geleert hätten.— Napoleon bat 90 Galeerensclaven in Toulon, die sich bei der Cholera durch Treue und Aufopferung ausgezeichnet haben, tbeils ganz be gnadigt, theils ihre Strafzeit bedeutend gekürzt.— Die Cholera scheint in Werdau im Abnehmen zu sein, wenigstens war die Zahl der Erkrankten während der letzten Woche geringer als früher. Doch darf man darauf nicht allzusehr bauen; schon mehrmals war sie wie dem Erlöschen nahe, als sie plötzlich mit erneuter Heftigkeit wieder ausbrach. Die Zahl der Erkrankungen beträgt bis jetzt 755, die der Todesfälle 215. In Crimmitzschau find 5 Erkrankungen vcrgekommcn, darunter eine mit tödtlichem Ausgange. Der Stadtrath in Meerane widerspricht den Gerüchten, als ob auch dort die Cholera ausgebrochen sei. Ter aus den 5. und 6 Dec. fallende Jahrmarkt in Zwickau ist aufgehoben.— Locales. An voriger Mittwoche ist ein Hund, schwarz und weiß von Farbe Jagdrace, in mehrere Ge höfte zu Grumbach eingedrungen und auf mehrere Personen losgcgangen, bat auch einige in die Klci- der'gebissen und ist, als der Lollwutn dringend verdächtig, erschossen worden. Ein sechzehnjähriger Mensch ist von dem Hunde in den Arm gebissen worden, wobei die Haut verletzt wurde. Die Wunde ist ärztlich untersucht und ausgebrannt worden. Eine annoch vorzunehmende Sektion des Hundes wird zeigen, ob eie Mutbmaßung sich bestätigt; eine strenge Beaufsichtigung der Hunde wird sodann nicht außenbleiben können. Ulrika. Erzählung von Wilhelm Andreä. (Fortsetzung.) III. Der Pfarrhcrr Jung in Wiesenthal saß in seiner von Tabaksdampf durchräucherten Studierstubc und bereitete sich auf eine Lxicheirpredigt sür die Ver storbene vor, als seine Frau zu ihm einlrat und ihm eine Lasse Kaffee brachte. „Bist Du schon wieder fleißig, liebes Männ chen!" fragte sie, indem sie ihre Arme um seinen Hals legte und ihm die Wange streichelte. Indem er sein schwarzes Sammtkäppchen, wel ches er im Eifer der Arbeit hin und her zu schieben pflegte, so daß es ihm bald tief im Nacken, bald auf der Stirn und bald auf einem Ohre hing, wieder zurecht setzte, kehrte er sich lächelnd, aber eine ent setzliche Dampfwolkc aus seiner Pfeife blasend, nach der Störerin um.