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356 Die fragliche Rede ist von Herrn Pastor Rudel aus Constappel gehalten woreen. Eine Beleidi gung des Herrn Pastor Siedel haben wir durch aus nicht beabsichtigt. — Ulrika. Lrzähleng ron Wilhelm Andreä. (norlsekung ) Auf einer Wandeiung durch den Park, wohin i n die Sehnsucht nach seiner jungen Frau führte, die er in G.seUsLall ihrer Schwester daselbst wußte, war er endlich zu der Mooßrütte gekommen und batte bier die letzten Worte der Unterredung ab sichtslos erlauscht. Er bezog dieselben natürlich auf sich lett st und füblte sich nickt wenig geschmeichelt, der Gegenstand ter Unterballung der beiden jungen Damen zu s>in, die, wie er sich überzeugte, ibn j> beide liebten. Wie strarlte sein Blick vor Freude! ES war nur ein Glück für Ulrika, daß er wegen der 'n der Hütte bereits benschenden Finstcrniß nicht bemerken konnte, wie serr die junge Fiau bei seinem Erscheinen erschrak und die Farbe wechs.lte. „Wir sprachen von Dir'', sagte sie mit schwa cher Stimme und ängstlich aus seine Erwiderung lauschend. „Hab's gebö>t, liebe Ulrika, und Du bist eifersüchtig auf unsere Will elmine, weil — weil sie m'ck auch lieb bat, ha! ha! ha! ist's nicht so, Fraulein Wilbelmine?" Dbne inkeß die Antwort der Anqeredeten ab- zuwarten, fuhr er kann sogleich wieder fort: „Aber nur nickt eifersüchtig auf einander sein, Kinderchen; nur nickt eise.süchtig, denn die Eifersucht ist eine böse Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft, ba! ba! ba!" Nach tiefen Worten setzte er sich zu ihnen auf die Bai k und bemühte sich, kie beiten jungen Damm druck alte Geschichlchen und Anekdötchen in ihrer heileren Stimmung zu erhalten. Wilbelmine mahnte endlich zum Aufbruch. Sie wurde von Ulr ka, die am Arme ihres Gemahls dahin schritt, noch eine Strecke über den Park hin aus auf kas Fttd begleitet, worauf das Ehepaar mit den verschiedensten Gefühlen im Herzen den Rückweg zum Schlöffe anlral. II. „Haben Sie noch ein Stündchen Zeit, Herr Doctor?" Mit dieser Frage wandte sich einige Tage später der Herr von Rolfshagen an den Doctor Schid- berg, wilcher in seiner Stellung als Arzt einen Besuck auf dem Schlosse abstattete. Der junge Mann zuckte mir den Achseln. „Sie haben Loch gegenwärtig keine schweren Patienten?" „Außer der Frau Ihres Verwalters nicht. Doch war ich bei dieser schon vorbin." „Wird sie noch einmal dUtchkommen?" fragte Herr von Rolfshagen. „Sie wird den morgenden Tag nicht mehr überleben. Es ist ein Unglück, daß solche Leute die ärztliche Hülfe immer zu spät in Anspruch nehmen." „Da haben Sie Recht, Herr Doctor, es würde manches Menschenleben gerettet werken können. Ich bin vorsichtiger und deshalb halte ich mir einen Hausarzt, aber Eie müssen uns als solcher recht oft b.suchen, ha! ba! ha! —" Bei diesen Wollen klopfte er ihm wohlwollend auf die Schulter. „Nun. wie stektls", fuhr er kann fort, „haben Sie noch so viel Zeit übrig, daß wir eine Partie Schach machen können?" Der junge Arzt spielte selbst gern eine Partie, einerlei, ob Schach oder Karten, und ließ sich da her lucht überreden, dem allen Herrn noch ein Su'mdcken G.sellschaft zu leisten. „Das ist schön von Ihnen!" rief Ulrika, in die Hänke klatschend und beeilte sich dann das Schackbret herbei zu holen. „Sie ist doch wahrlich noch ein rechtes Kind", meinte ihr Gemahl, indem er wieder sein gewöhn liches Lachen dieser Bemerkung hinzufügte und die Gläser mit Rvtbwein füllte. „Aber Sie sind im Besitze eines solchen Wesens wahrlich zu beneiden", meinte kcr junge Mann. „Nicht wahr, Herr Doctor? das denke ich auch. Na, sie soll leben!" Bette ergriffen ihre Gläser. „Ihr Wohl, gnädige Frau!" Mil kiesen Worten wandle sich Schildberg an die in demselben Augenblicke wieder eintretende junge Frau, w.lche gleichfalls ibr Glas ergriff und mit ken Männern anstieß, worauf diese an einem kleine» Tische Platz nahmen und die Schachfiguren auf- stelltcn. Ulrika nahm eine Stickerei zur Hand und setzte sich so, daß ikr Gesicht mehr dem Arzte als ihrem Manne zugcwandt war, und die Augen des jungen Mannes, wenn er ausschaute, ihren Blicken be gegnen mußten. Der Doctor Schildberg stand in seiner ersten Mannesblüthe, denn er mochte etwa achtunkzwanzig Jahre zählen. Er war von schlanker und dabei kräftiger Gestalt. Auf seiner hohen Stirn, deren blendende Weiße durch sein krauses dunkles Haar noch mekr Hervorgehoben wurde, thronte der Ge danke; aus seinen graublauen freundlichen Augen leuchteten Klugheit und Scharfsinn. Die Nase war nur unmerklich gebogen und um seine durch einen braunen, kräftigen Schnurrbart halb bedeckten Lip pen, bei deren Oeffnung die untadelhaftesten Zähne sichtbar wurden, schwebten die Götter des Witzes und der heitern Laune. Dabei besaß er einen lie benswürdigen, sanften Charakter und cs fehlte ihm in der Lhat überhaupt nichts, um ein jugendliches weibliches Herz in Unruhe und Aufregung zu ver setzen. Der Herr von Rolfshagen hatte den Jahre» nach s in Vater lein können. Er war bereits dem siebenzigsten Lebensjahre näher als dem sechszigste», schien aber bei seiner erzwungenen straffen, soldati-