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2S2 und ost bracht« sie unseren jungen Freund mit ihrer erstaunlichen Belesenheit in's Gedränge. Ella dagegen unterhielt sich meistens über Deutschland und die Vaterstadt Otto's mit düsen. Ihre Unterhaltung bestand indeß meistens in Fragen Ella's, während Otto dann von der H-imath er« zählte, von seinen Eltern und Geschwistern, von seiner Jugend, von den süßen Flcgeljahren, und den dummen Streichen, so die jungen Flegel mit Gewandtheit auSgesührt harten, von der Univcrsi tätSzeit und all ihrer Poesie und ihren Thorheiten. Und wenn er dann sich in die schönste Zeit seines Ledens zurückversetzt und mit Eifer von all' den kleinen Leiden und Freuden derselben sprach, dann geschah es wohl, daß er dieses Eifers voll die kleine Hand Ella's ergriff und Ella lüß sie ikm lächelnd, natürlich nur, um nicht durch das Ent ziehen ihrer weichen Finger den Faden, der Erzäh lung abzureißen. Auch die Mutter theilte die Neigung der ganzen Familie zu dem offenen jungen Manne, der so ganz voll jener Gefühle war, die sie so gerne bei ihrem Sohne geweckt dä'te. Sie sah auch die wachsende Vertraulichkeit zwi schen ihm und ihrem Lieblingßkinde; aber sie störte sie nicht, sondern freute sich der keimenden Liebe, da sie keinem Manne lieber ihre Tochter anvcrtraut hätte a!S Otto, denn er verstand die zarten Saiten anzuschlagen, die in dem Herzen Ella's wieder- klangen. Während so Verger sich glücklich fühlte und eine- geistigen Wohlbefindens sich erfreute, blieben auch, Dank dem regen Geschäflsgkiste Jobn's die materiellen Erfolge seiner Thätigkeit nicht ouS. Die Kuren deS jungen Deutschen hatten den besten Erfolg. „Und wenn Ihr nur Euch selbst vertraut, vertrau'» Euch auch die andern Seelen." Dieser erste Moment bei dem Verkehr zwischen Arzt und Patient fehlte nie, wenn Otto sich mit einem Leidenden beschäftigte. Abgesehen von seinem Charakter als deutscher Arzt, der in Amerika immer empfehlend ist, Halle er auch jene Kühnheit, die immer empfiehlt. Unter solchen Umständen konnte es nicht fehlen, daß die Briefe Otto's an seine Lieben in der Hei- malh Glück und Zufriedenheit athmeten und wenn auch bin und wieber es ihn bedünken wollte, als ob er sich noch nicht genug in der Welt getummelt hätte, so tröstete er sich leicht mit der Sentenz: „Unsere höchste Glückseligkeit besteht in Zufrie denheit." Und zufrieden war er. Wenn er in Ella's treue blauen Augen (blickte, überkam ihn ein stiller Frieden, und er segnete die Stunde, in welcher er den Fuß an die amerikanische Küste gesetzt hatte, So waren sechs Monate verflossen. Nock war eS zu keiner der so sehr beliebten schwärmerischen Erklärungen zwischen den Liebenden gekommen. Dennoch verstanden sie sich, und ihre Neigung war das bekannte Geheimniß oer Famil'e. Eines TageS kehrte John von dem Kranken besuche auf einer benachbarten Farm zurück, als er aus dem Schlitten springend, einen Fuß verrenkte. Obgleich durchaus nicht gefährlich, zwang der Zustand den jungen Mann doch für einige Tage, das Bett zu huren, da der Schmerz ihn am Gehen hinderte. Otto übernahm daher auch die auswärtige Praxis. Als er einige Tag« später ebenfalls von einer Tour in's Land zurückkehrte, wurde er mit der Nach richt empfangen, daß Ella bedenklich erkrankt sei. Schnell eilte er an ihr Lager und erkannte, daß ein nervöses Fieber sie ergriffen hatte. Da John hinlänglich wicderhergestellt war, um mit Hülfe eines Stockes gehen zu können, über nahm er auf Bitten Otto's die gesammten Kranken, während dieser nicht von Ella's Seite wich. Tag und Nacht saß er am Bette der Kranken, jeden Atbemzug bewachend. Seine ganze Kunst bot er auf, und täglich flehte er zum Himmel um Eisolq. Vergebens, — Sie starb. — Milwanku, heute eine Stadt von 60,000 Ein wohner, war im Jahre 1830 wenig mehr als ein bedeutendes Dorf. Keine Eisenbahn verband damals diesen Platz mit der öst ichen Civilisation, nur eine Dampfer linie v rmittelte den Verkehr über die Seen mit dem Osten. Wie alle neuen amerikanischen Städte hatten die Gründer aber darauf Rücksicht genommen, daß sie sich zu einem zweiten Newyork entwickeln würde, und der Plan der „City of Milwanku", den man in jedem „Lager Beer-Saloon" bewundern konnte, nahm sich recht stattlich aus. Man sah dort schon die East- und West-Water- Street und die „15. Straße", obgleich, die Wahr- beit zu sagen, schlechterdings ganz respektable Bäume in der „15. Straße" standen. In den wirklichen Straßen herrschte indeß schon recht reges Leben. Auswandererzüge, deren Wagen mit Pferden, Ockfen und Mauleseln bespannt waren, kamen fast täglich durch, um sich in dem fruchtbaren Wis consin nicderzulassen. Diese Züge begleiteten zahlreiche Heerden allerlei Getkiers, so daß man an den Auszug der Kinder Israel aus Aegypten oder an die Völkerwanderung erinnert wurde. Zwischen den Auswanderern drängten sich Agen ten, Handler, Gauner, Kaufleute, Landspeculanten, Bummler, Spieler, kurz alle jene Menschen, welch« sich gewöhnlich in den emporblühenden Städten Amerikas zusammensinden, um auf bequeme Art „ihr Leben zu machen." Eben ließ eines der ankommenden D.mpfer sein gellendes P'eifen hören, welches so sehr geeignet ist, nervenschwachen Personen zu leichten und ange nehmen Ohnmächten zu verhelfen. Die „Hotels" der guten „City" entsandten so fort ungeheure Kastrn auf vier Rädern, welche sie