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412 Händen und schaute bald die Sterbende, bald das Papier an. „Meine Bitte um eine freundliche Annahme dieses Papiers ist mein letzter Wunsch, und der Wunsch einer Sterbenden ist ja heilig — es ist mein gerichtlich beglaubigtes Testament — in welchem ich Sie zum unbeschränkten Erben meines sämmtlichen Besitzthums ernannt habe, und damit Ihnen dieser Besitz von keiner Seite her streitig gemacht werden kann, bewahren Sie auch das Testament meines mir vorangegangenen Galten auf." Sie überreichte ihm bei diesen Worten eine zweite Urkunde. „Ulrika! —" rief er, und jede weitere Bemer kung schnitt sie ihm mit den Worten ab: „Ich glaubte, die Aufrichtigkeit meines Dankgcfühls und — meiner Liebe Ihnen durch die That beweisen zu müssen — und außerdem möge diese Hinter lassenschaft dazu dienen, mir ein bleibendes, liebe volles Andenken in Ihrem und Wilhelminens Her zen zu errichten. — Nun kann ich ruhig sterben. — Leben Sie wohl, tbeurer, lieber Freund. — Gott erhalte ihr Herz rein von Schuld und mache Sie glücklich!" — Hierauf reichte sie ihm wiederum die Hand und sank dann erschöpft in ihre Kissen zurück. Ihre Gesichtszüge wurden durch erneuerte Schmerzen verzerrt, und bald darauf hauchte sic ihren letzten Odem aus. Heftig weinend wankte Echildberg hinaus. Wenige Tage spater, nachdem sie in einem Sarge, der an seiner Kopfseite den einfachen Namen „Ulrika" trug, in dem kleinen Mausoleum neben ihrem Gemahl bcigcsetzt war, wurde das durch die Dienstlcute reich bekränzte Schloß von dem neuen Eigentdümer und seiner jungen Frau Wilhelmine iu Besitz genommen und bezogen. (Eingesandt.) Das Hazardspiel würde nicht so viel Verlockendes haben, sagte man früher, wenn cs nicht verboten wäre, in der Heim lichkeit besteht der größte Reiz desselben; —neuer dings ist das Verbot des Hazardspiels gesetzlich aufgehoben und die Strafbarkeit auf das gcwcrb- mäßige Hazardspiel und daS Spielen an öffent lichen Orten beschränkt worden, aber leider bat die Spielsucht nicht abgenommen, sie hat sich im Ge- gentheile wie ein Krebsschaden in betrübend hohem Gnade verbreitet. Während man früher nur von einigen weni gen Menschen mit Verachtung ihrer Lebensweise erfüllt sich zuflüsterte: das ist ein Spieler! härt man jetzt von einem verlebten Spielabend aller Orten ungenirt wie von einer harmlosen Scat partie sprechen, und je höhere Summen der Eine oder Andere dabei verloren hat, desto pikanter ist die Neuigkeit. „Das hat ja Jeder mit sich abzu machen", „der hat ja die Mittel dazu, Etwas zu verlieren',, das sind die Antworten, welche Der jenige erhalt, welcher aus die Gefabr, ein Son derling, Philister und was weiß ich, zu bei ßen, cs wagt, seine Entrüstung über die Ver blendung und Edaracterschwäche 'auszusprcchen, die zu so frevelhafter Geldvergeudung hinzu- reißcn vermag. Nur Wenige stimmen ihm bei, die „Klugen", deren leider immer mehr werden, zucken höchstens die Achseln, cs könnte ihrem „Ge schäft" schaden, wenn sie ihre Ansicht rückhaltlos aussprechen; Wielen ist cs auch bequemer, ganz im Stillen ein Bischen über ihre Nebcnmenschen zu raisoniren, öffentlich aber sie mit jedem wahr haften Urtheilc zu verschonen — „des lieben Frie dens willen!" Wenn dann aber einmal Einer, „dem sie so etwas nicht zugetraut hätten", plötzlich als Betrüger auf die Anklagebank wandert, od>r seine Zahlungen cinstellt, oder gar in der Ver zweiflung, unter der Wucht des über ihn und die Seinigen hereinbrechenden Elendes Hand an sich gelegt hat, dann glauben sie ihr Verdammungs- urtbeil über den Unglücklichen laut aussprechen zu dürfen; daß Geschäft leidet dann nicht darunter, wenn man von solchen „abscheulichen Verbrechen" entrüstet sich unterhalten muß. — Nein, Menschenpflicht ist cs, den Straucheln den zu warnen, so lange cs noch Zeit ist, sein leichtsinniges Treiben droht den Seinen Gefahr, das Gemeinwesen ists doch zuletzt, das! sich der Verarmten annebwen muß, und auch die größ ten Gclcvorräthe crswöpfen sich endlich! Darum bat ein Jeder daß Reckt, dem Spieler zuzurU- fen: Stel e ad von Deinem wüsten Treiben, be denke das Ende! Das Gesetz hat allerdings nicht die Aufgabe, jeden Einzelnen die Richtschnur für sein siltlichcs Leben zu gebcn, darum ist aber nicht Alles, was kein Gesetz verbietet, erlaubt und recht. — Werfen wir einmal aus das innere, auf das Geschäfts- und Familienleben eines Spielers einen kurzen Blick: Von seinen Mitbürgern geachtet, mit gesicher tem Einkommen, vermag er ein zufriedenes Leben zu führen, aber cs geht ihm zu langsam, durch sein ängstliches Sparen, seine klugen Spekulationen, sein Vermögen zu vermchrrn; dem Glücke will er die Hand bieten, und sieht in seiner Verblen dung nicht, wer die Cumpane sind, in deren Gc- > sellschaft er Nackte hindurch die Karten ansticrt, ob sic ihm die Hunderte nicht endlich einmal mit Tausenden zurückerstattcn, die jene mit kaltem Lä- ( cheln auf Nimmerwiedersehen nach Hause schleppen. Wenn sie gewinnen, muß der Geldmann zahlen, er Hal ja auch bei seinen Genossen, bei dem Wir- thc Credit, und spätestens am andern Tage zahlt cr baar aus, damit jene Gauner nur nicht laut werden lassen, daß cr an sie verloren habe. Wenn sie aber verlieren, hofft er vergebens, von seinem Glücke zu profttiren. Ihren Gewinn wieder prcis- zugeben, hüten sic sich wohl, und ziehen sich recht zeitig zurück, sobald die zum Einsatz mitgebrachten wenigen Thaler in Gefahr kommen.