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411 Wir werden diese englische Spekulation bald an den Fletschpreisen spüren. — In Italien verhandelt der Landtag jetzt über die geistlichen-Güter, die der Staat einziehen will. Die Pfarrer sollen besoldet, die Klöster ganz auf gehoben werden. Die Geistlichkeit setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um diese Frevelthat zu ver hindern und bei der unwissenden Menge im süd lichen Italien kann es ihr leicht gelingen, Unruhen zu erregen. — Zwischen Frankreich und den Bereinigten Staa ten zieht sich ein Gewitter zusammen. Die Ameri kaner wollen von einem Kaiser von Mexiko Nichts wissen und verlangen, daß Napoleon seine Solda ten nach Europa zurückrufe, wenn nicht, so — —. Die Verhältnisse sind nun derartig, daß der Kaiser nur gleich mitgchen kann, wenn die Franzosen ab ziehen. — Locales. Daß es in unserer Zeit, der so oft der Vor wurf der Selbstsucht gemacht wird, noch Herzen giebt, die für die Armuth schlagen, zeigte sich am Sonnabend vor Weihnachten im hiesigen Schulsaale. Hier war für 32 arme und würdige Schulkinder ein Christbaum angczündet; Stollen, Aepsel, Nüsse, Bücher, Bilderbogen, Kleidungsstücke darrten der munteren Schaar. Nach einer Ansprache des Hrn. Rector Beck eilten die Kinder mit vor Freude leuch tenden Augen nach Hause. Ein edler Menschen- sreund, der die Armen unserer Stadt auch sonst reichlich unterstützt, hatte den armen Kindern dieses Fest bereitet. Möge Gott ihm seine That lohnen! — Die Kraftturner- und SeiltänzergesellsLaft, welche sich an den drei Festtagen auf hiesigem Markte producirte, hat sehr gute Geschäfte gemacht; besonders war die Umgegend stark vertreten. Andere derartige Gesellschaiten'hatten sich zwar fast immer auch eines zahlreichen Besuchs zu ersrcuen; erschien aber der bewußte Teller, dann suchte ein großer Theil des Publikums das Weite. Dießmal zog aber ein Jeder den Beutel und der Markt war bis zum sväten Abend besetzt. Die Künstler leisteten aller dings auch weit mehr, als gewöhnlich hier gezeigt wird ; besonders gefielen die Productionen am schwe benden Reck. Bei den Vorbereitungen zum Seil tanz am ersten Tage ereignete sich ein Unfall, der leicht fchlimme Folgen nach sich ziehen konnte. Die Stange, an welcher das Seil befestigt war, stürzte unrund traf ein Kind aus den Kopf; schlimm konnte die Sache aber nicht sein, da das Getroffene im schnellsten Laufe davon eilte. — Wie wir hören, ist die Einweisung des neuen DiakonuS auf den 14., die des neuen Bürgermeisters auf den 17. Januar festgesetzt. — Ulrika. Erzählung von Wilhelm Andrea. (Schluß.) „Unglückliche!" rief Schildberg, sich von seinem Sitze erhebend, „o! warum mußten Sie der Natur noch vorgreifen und den schwachen Lebensfaden vor der Zeit durchschnciden? Jetzt darf ich's Ihnen offen baren, daß Ihrem Zustande gemäß der Lod Sie ohnehin in kurzer Zeit von Ihren Leiden befreit haben würde!" „Ich weiß es, daß ich schon längst dem Grabe entgegen siechle — aber wie können Sie nur glau ben, daß ich Ihren Hochzeitstag mit Wilhelmine überleben könnte? - - Nein, das wäre mir unmög lich gewesen. — Ihr Freudentag soll mein Todes tag sein. — Sie steuern in den Hafen der Ehe, — ich in den Hafen der Rube, — wir sind Beide an dem ersehnten Ziele. — Meinen besten Glück wunsch, mein Freund — glauben Sie mir, er kommt von Herzen. — Zugleich bitte ich Sie und meine Eltern und Wilhelmine sowie Alle, die ich durch mein Verbrechen gekränkt habe, um Ver zeihung. — Nicht wahr, mein Freund, Ihrer Ver zeihung wenigstens darf ich gewiß sein, — denn die Liebe zu Ihnen machte mich ja zur Mörderin.» — O, glauben Sie mir, ich habe mein Verbrechen furchtbar, furchtbar gebüßt! — Ich weiß nicht, welche Qualen schrecklicher waren: Ihre und aller guten Menschen Verachtung, die Furcht vor Ent deckung und Strafe, die Scham über die Frevel that ober die Foltern des Gewissens, — nein, ich weiß es nicht — aber schrecklicher als alles Dies ist mir Ihre Bereinigung mit Wilhelmine. — Dieser Qual will ich mich durch den Tod entziehen und zugleich die körperlichen Schmerzen, die ich leide, als eine VÜHne meiner großen Schuld betrachten. — Ich hoffe, daß mir Gott, der ja ein Gott der Liebe ist, ein gnädiger und milder Richter sein wird. — Nicht wahr, er wird es, denn es war ja die Liebe, die Liebe zu Ihnen, die mich zur Mörderin machte. — O, ich Verblendete, die ich durch ein Verbrechen mein Glück zu gewinnen hoffte!" — Sie reichte ihm auf's Neue die Hand. Er hielt sie eine Zeit lang in der seinigen fest. Nach einer kleinen Pause, während welcher sich die heftigsten Schmerzen einstellten, fuhr sie mit immer schwächer werdender Stimme wieder fort: „Ich weiß, Sie haben mich auch geliebt. — Der höchste Beweis davon ist der Umstand, daß Sie mit Hintansetzung Ihrer Pflicht die von Ihrem Scharfblick sofort erkannte Vergiftung nicht ange- zeigt und mich dadurch vor der schimpflichen, wenn auch gerechten Strafe der irdischen Richter bewahrt haben.— Ich sage Ihnen meinen herzlichsten Dank dafür. — Darf ich Ihnen nun noch eine Bitte aussprechen? —" „Reden Sie, Ulrika." „Dann nehmen Sie Dieses zum Andenken von mir an." Sie überreichte ihm ein Schriftstück, Voll Verwunderung hielt er dasselbe in seinen 52*