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274 letzteres macht dabei ein gutes Geschäft; die lauen- burgischen Forsten haben allein einen viel hohem Werth. Allgemein glaubt man, daß zwischen den beiden Großmächten bereits ein Abkommen getrof fen sei, auch Holstein gegen Geldentschädigung an Preußen zu bringen. Nur hielte man dies noch geheim, um der aufgeregten öffentlichen Meinung und dem Auslande nicht zwei so bittere Pillen auf einmal zu geben. Der Herzog Friedrich ist voll ständig bei Seite geschoben, man wird ihn zwar ganz ruhig in Holstein lassen, aber als einfachen Privatmann. Daß man auf eine längere Dauer der jetzigen Verhältnisse rechnet, geht daraus her» vor, daß der Oberbefehl in Rendsburg jährlich wechseln soll. — Die preußischen Beamten in Holstein sind in großer Verlegenheit: viele haben auf Jahre hinaus Wohnungen gcmiethet und müssen nun die Con- tracte halten, während sie entweder nach Schleswig versetzt oder zur Disposition gestellt werden. Das Letztere soll besonders eine Anzahl Tclegrapbenbe- amte treffen. Einige deutsche Fürsten, darunter der König von Sachsen, haben Protest erhoben gegen die Besitznahme Lauenburgs von Seiten Preußens, um ihre Erbberechtigung zu wahren. Englische und französische Blätter sprechen sich mit größter Heftigkeit über den Vertrag von Gastein auS. Mit demselben Rechte, sagen sie, wie Preu ßen Schleswig in Besitz nimmt und weder nach den Erbrechten des Herzogs, noch nach dem Willen der Bevölkerung fragt, könnte auch Frankreich seine Hand nach dem linken Rheinufer ausstrecken. Oe sterreich wird daran erinnert, daß cs schlimme Fol gen haben könne, wenn cs einmal anfinge, seine Rechte gegen Geld abzutreten. Wenigsten- solle e» sich später, wenn Italien ihm einmal ein Stück Geld für die Abtretung Venetiens andiete, nicht mehr auf seine Ehre berufen. Diese sei bei dem schmählichen Seelenschacher in Gastein verloren ge gangen. In Frankreich kommt zu dem Aerger über den Vertrag noch die Wuth über einen Vorfall in Bonn. Am 11. August wurde dort der Koch des Prinzen Alfred von England, ein Hr. Ott aus Straßburg, dergestalt von einem preußischen Frei willigen, dem Sohne deS Regierungspräsidenten Grafen Eulenburg in Marienwerder, mißhandelt, daß er feinen Geist aufgab. Im Anfänge ging der Mörder frei herum; erst später erhielt er Stuben arrest. Ler französische Gesandte soll nun auf strenge Bestrafung gedrungen haben. Auch die eng lischen Zeitungen benutzen den Umstand, daß der Ermordete in Diensten eines englischen Prinzen stand, zu Ausfällen gegen die Soldatenwirthschaft in Preußen. Sie scheinen zu glauben, daß in Preußen jeder Soldat, oder wenigstens jeder Of fizier das Recht habe, die Schärfe seines Säbels an harmlosen Spaziergängern zu Prokuren. Die große Nachsicht, mit welcher solche Militärexcesse von Oben her bcurtheilt worden sind (wir erinnern nur an die elende Geschichte Sobbe-Putzfi- kann im Auslande wohl solche Gedanken aufkommen lassen. Die Königin von England weilt jetzt in Ko- burg. Ihrem verstorbenen, noch immer tief be trauerten Gemahl, dem Prinzen Albert, Hal man in seiner Vaterstadt ein Denkmal aus Erz gesetzt, das am 27. Aug. enthüllt wurde. Viele fürstliche Personen, größtenthcils Verwandte, waren dabet zugegen; die Königin mit ihren drei jüngsten Kin dern schwankte zum Schlüsse der Feier an das Denk mal und legte dort unter heißen Thränen einen Kranz nieder. — Der jetzige Herzog Ernst hinter läßt keine legitimen Erben, das Herzogthum fällt nach seinem Tode an den zweiten Sohn der Königin Victoria, Prinzen Alfred. — In Großenhain ist in der Nacht vom 21. zum 25. d. M. ein gräßlicher D o pp el m or d an dem schon bejahrten Glasermeister Birnstein und seiner Ehefrau verübt worden. Dieselben waren gegen 11 Uhr abends aus dem Gewerblichen Bil dungsverein heimgekehrt; nachts 3 Uhr bemerkt der Wächter in der von ihnen bewohnten ersten Etage Feuer, man weckt die im Parterre schla fende Tochter, welche das Haus öffnet, und nun mehr findet man in der von Rauch erfüllten Kam mer die beiden alten Leute todl in ihren Betten liegend vor. Anfänglich glaubte man, daß sie durch den Qualm erstickt worden seien, bis man die gräßlichsten Wunden an denselben wahrnimmt. Beiden sind die Schlafe eingeschlagen, der Hals durchschnitten, und außerdem zeigen die Leichen mehrere Stiche in der Brust. Daß ein Raub mord vorliegt, beweist der Umstand, daß 21 Thlr. auS dem Schreibsecretair fehlen. Jedenfalls mag der Mörder aber mehr Geld vermuthet haben; es war nämlich in der Stadt das Gerücht ver breitet gewesen, daß die Frau Birnstein 700 Thlr. vereinnahmt habe. Unter den Betten der unglück lichen Eheleute fand man je einen zusammenge schmolzenen Leuchter, die der Mörder offenbar mit einem brennenden Licht darunter gesetzt hatte, um die Opfer seiner entsetzlichen That zu vernichten. Die Betten und zum Theil auch die Leichen wa ren bereits angebrannt. Ein drittes Licht batte der Verruchte in den Kleiderschrank gestellt. Noch ist man ihm nicht auf der Spur, denn der erst gegen einen Gesellen Birnstein's entstandene Verdacht hat sich vollständig erledigt. Da übrigens das Haus sowohl bei der Heimkehr der Birnstein'schen Eheleute, als auch nachts 3 Uhr bei Wahrneh mung des Feuers verschlossen war, so ist anzu- nchmcn, daß sich der Mörder vor Schluß des Hauses in dasselbe eingcschlichen und nachmals die Verwirrung bei Endeckung des Feuers zum Entkommen benutzt hat. Die Gerückte, daß der Schwiegersohn der Er mordeten die furchtbare That verübt, sind gänz lich aus der Luft gegriffen. Der oder die Mör der haben die Leichen noch vollständig geplündert: Trauringe und Ohrglocken fehlen; außerdem ist die silberne vergoldete Taschenuhr verschwunden. Von der Staatsanwaltschaft Meißen sind 300 Thlr. auf die Entdeckung der Raubmörder gesetzt wor den, — Wir machen unsere Leser noch besonders auf