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106 Minister und Abgeordnete schroff gegenüber. Die Debatten im Abgeordnetenhause de- ReichSrathS find in der letzten Zeit sehr belebt und nicht ohne Interesse gewesen. Schmerling hat sich und seine Politik ziemlich nachdrücklich, und wie eS scheint, nicht ganz erfolglos, gegen seine Gegner vertheidigt, indem er einerseits der Linken vorwarf, sie unter grabe die Achtung vor der Monarchie durch die trostlosen Schilderungen, die sie von der Lage des Reichs mache, andererseits aber mit noch größerer Schärfe seinen „Todfeinden", den Altconservativen Ungarns, und ver mit ihnen verbundenen österrei chischen Feudalpartei entgegentrat. Auf seine Bemer kung, daß seine liberalen Gegner im Hause keine geschlos sene Partei bildeten, welche, wenn er adiräle, zur Ergreifung der Zügel fähig und bereit sei, entgeg nete Giskra, der beredte Führer der Linken, er und seine Freunde würden ganz gern regieren, wenn man ihnen die Lenkung.des Steuers überlassen wolle, und sollten sie schlecht regieren, so würden sie doch nicht schlechter regieren als das jetzige Mini sterium, denn dieses leiste in schlechter Regierung bereits das Menschenmögliche. — Die Haltung Oesterreichs in der schleswig-holsteinschen Frage ist Jedermann ein Räkbsel. Der Minister legt großen Werth aus das Bündniß mit Preußen und will gleichwohl dem Bunde gerecht werden. Wie Oester reich das anfangen wird, bleibt dahingestellt. — Aus Paris sind 13 polnische Emissaire mit falschen Pässen und falschen Namen in War schau angekommen, die Regierung war aber ganz genau von ihnen unterrichtet und ließ sie scharf beobachten. Sie sollten eine neue Revolte vor- bereiten und es war besonders auf die Ermordung der Ehess der russischen Regierung abgesehen. Plötzlich wurden die wichtigsten Emissaire verhaftet. Sie hatten Gist bei sich und nahmen es, aber man wirkte durch ein Gegengift entgegen. — Mehr als 100 arme Polen, die aus ihrer Heimatb vertrieben sind, hallen sich in Bayern auf und entbehren aller Subsistenzmittel. Sie wün schen, nach America auszuwandern. Der König hat für sie eine Sammlung im ganzen Lande ge stattet, um ihnen die Mittel zur Auswanderung zu verschaffen. — Arbeitseinstellungen scheinen jetzt förmlich Mode zu werden. Die Eisenarbeiter im Norden Eng lands machten den Anfang, um von den Besitzern der Werke einen höher» Lohn zu erzwingen, bis jetzt ohne Erfolg. Man hat berechnet, daß dem Lande allein dadurch wöchentlich 350000 Thlr. ver loren gehen. Dann kamen die Tuchmacher von Burg, die aber alle wieder in die Fabrik zurück gegangen find. Jetzt haben von 800 Setzern in Leipzig fast 600 die Arbeit eingestellt und verlangen den vierten Theil ihres bisherigen Verdienstes mehr. Die Buchdrucker find dadurch in eine schlimme Lage gekommen. Sie haben meist größere Werke bi» zu einem bestimmten Termine, aber auch zu einem bestimmten Preise zu liefern; ste mögen daher die Forderungen ablehnen oder bewilligen, auf je den Fall haben sie Schaden. 'Einige größere. Dru ¬ ckereien: Wigand, Wiede, Roßberg, Colditz haben den von den Gehilfen vorgelegten Tarif vorläufig genehmigt, Andere, wie Tauchnitz, eine Vereinba rung in Aussicht gestellt. Zur Abhilfe des dringend sten Mangels an Arbeitskräften läßt die Teubnersche Druckerei Gehilfen und Lehrlinge au» ihrer Filiale in Dresden kommen und noch einige Andere nehmen zu Mädchen, welche sich früher zu Setzerinnen heran bildeten, ihre Zuflucht. Man sollte denken bei dem billigen Preise der Lebensmittel könnte ein Mann mit wöchentlich 5 bis 8 Thalern (so viel verdient ein fleißiger und geschickter Setzer) wohl auskommen. Andere müssen sich viel kümmerlicher behelfen. Der Zeitpunkt ist recht schlau gewählt; bis zur Oster- messe hat mancher Drucker noch Bedeutende» zu liefern; will er seinen Verpflichtungen nachkommen, so muß er die Forderungen der Setzer bewilligen. — Es giebt wohl kaum einen Schulknaben, dem die Bleistifte von Faber au» Nürnberg unbekannt wären. Sie find die besten, die man haben kann und die Engländer beziehen ihre Stifte sogar von ihm. Faber ist jetzt vom König von Baiern in den Freiherrnstand erhoben worden. — Wie weit e» Einer mit Stiften bringen kann. - Dresden. Der CircuS Renz erfreut sich immer lebhafteren Zuspruchs. Abgesehen von dem Genuß, der sich hier durch das Anschauen der edelsten, schönsten Pferde bietet, hat man auch Ge legenheit die neuesten, ausgesuchtesten gymnastischen Kunststücke zu beobachten, welche wegen ihrer Ver wegenheit allerdings nicht gerade einen angenehmen Eindruck zu machen im Stande find. Wir erwäh nen z. B. die sog. „Luft-Brücke", welche in der größten Höbe unmittelbar unter dem Dache des Circus schwebt und aus verschiedenen Trapezen zu sammengesetzt ist. Da oben nehmen nun Lust künstler (zwei Brüder) ihre turnerischen Uebungen der schwierigsten Art vor. So lassen ste fich von einem höher befestigten Trapez nach einem weiter unten befindlichen frei durch die Luft berabfallen, schwingen fich dann durch eine beinahe unbegreifliche Kraft ihrer Arme nach dem obern zurück, und end lich stürzt fich der eine der Brüter hinab in die Tiefe, wird indessen in seinem Fluge von den Hän den seine» an den Fußspitzen hängenden Bruder ersaßt und sestgehalten'. — Locales. Bei der vom Königl. Gerichtsamte Wilsdruff geleiteten Wahl von Wahlmännern zur Er gänzung der in diesem Jahre ausscheidenden Hälfte der Mitglieder der Dresdner Gewerbekammer wurden gewählt: g. für die Stadt Wilsdruff die Herren Leimfabrikant Krippenstapel, Lohgerbermeister C. G. Partzsch, Seilermeister A. Samuel Major, Fleischermeister und Schankwirth Grahl, Kupferschmiebemeister H. Funke,