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261 Unter den Berliner Taschendieben, welche während des Sängerfestes in Dresden unschädlich gemacht worden sind, befand sich auch ein Humorist, welcher durch einen Berliner und einen sächsischen Polizeibeamten nach Röderau gebracht wurde. Dort anzckommcn, fragte derselbe den sächsischen Beamten, wie viel Zeit es sei und als der Letztere dach seiner Uhr sehen wollte, fand er zu seiner nicht geringm Ucberraschung, daß dieselbe verschwunden war; das Räthsel löste sich aber bald: Meister Langsmgcr hatte sich den Spaß acmacbt, dem Be amten unterweis nicht allein s ine Uhr, sondern auch sein Portemonnaie zu entwenden, welche Ge genstände er dcmsclbcn jetzt mit dem triumphircn- ^en Lächeln eines kunstfertigen Taschenspielers zu- rückgab. — Ein unverheiratheter Gutsbesitzer aus dem Han- ddvrr'schen, der beim deutschen Schutzenlest in Bre men anwesend war, trug auf seinem Hute ein Pla- , lat mit der Ausschrift: „Dieser S-bütz wünscht auf diesem noch nicht aau« gewöhnlichen Wege noch vor Ablauf des Schützcnfeües eine junge lie- benSwüidge Lcbensgesäbrtin. Auf Tugend und Schönheit wird mehr gesehen, wie auf R-ichtbum." z Der kühne Schutze soll sehr viele Adressen erhalten - haben. — In der Provinz Preußen sind gegen LOO Lehrerstellen unbesetzt Bei dem kärglichen Ge halt hat Niemand Lust, Lehrer zu werden. — g An Litthaue» hat man ein neues Sckul- sshrerseminar mit zweijährigem Cursus errichtet, e Cs ist für 60 Zöglinge bestimmt und die jungen Leute erhalten außer freier Wohnung noch ein Re- Aicrungsstipendlum von 80 Silberrubel jeder. — 8 An Breslau ist ein Haus ein gestürzt. , Die Schlesische Zeitung berichtet darüber aus Bres- „ lau vom 10. Ang.: „Heute Morgen um 6 Uhr 'rurde von der Telegraphenstation Nr. 6 aus die f vauptfeuerwalbe alarmirt Nicht eine Feuersbrunst , Kar diesmal die Veranlassung, sondern der Ein- sturz eines dem Bauunternehmer Mähr gehörigen, fünf Stockwerke hohen Hauses auf der Großen Scheitniger Straße, das, noch im Rohbau begrif- ssn, bereits bis zum Dachgcsperrc fertig geworden war, als plötzlich die östliche Giebelwand, sei es durch das anhaltende Regenwetter der letzten Tage 'rweicht, sei es aus andern Ursachen, in sich ,u- fammenstürzte, den größten Theil des Gebäudes mit sich einriß und leider die beim Ban beschäftig ten Arbeiter, deren Zahl uns aus 8—10 angege ben wird, unter ihren Trümmern begrub. Da die Katastrophe ganz unerwartet, ohne jedes drohende Anzeichen, eingetreten war, so hatten sich nur einige von ihnen retten können. Bis jetzt ist es den Bemühungen der Feucrwehrmannschaften gelungen, sechs der Verunglückten auszugrabeu, von denen ! einer bereits ohne Leben, die übrigen mehr oder weniger gefährlich beschädigt waren. Das Gebäude sollte gerade heute unter Dach gebracht werden. — Eines TageS, cs war kurz nach Publicirung deS deutsch-österreichischen Postvereins, erhält ein Forstpraktikant von seinem Vater einen Brief mit 22 Fl. Monatsgeld. Die aufgeklcbten Brief marken waren um einen Groschen zu niedrig ge griffen, und das Postamt, um den gesetzlichen Zu schlag zu motiviren, setzt auf den Brief die Worte: „Langt nicht!" Tags darauf läuft beim Postamt folgendes Schreiben ein: „Königliches Postamt! Muß ich ein für allemal bitten, sich nicht in meine Privatiachcn mischen zu wollen. Denn was geht es dasselbe an, daß bei mir 22 Fl. nicht langen? Das Postamt zahlt mir meine Schulden ja doch nicht, und deshalb muß ich mir jede unnöthige Be merkung ve»bitten! Forstprakiikant S>*"." — Dec Hausbesitzer und Weinbändler Anton CH. in Luttenberg (Oesterreich) begab sich am 18 Mai in seinen Keller, um den Wein aus einem großen, 100 Eimer haltenden Fasse in kleinere Gebinde ab zulassen; damit seine zahlreichen Freunde nicht wie gewöhnlich ein Trinkgelage auf seine Kosten veran stalten könnten, sperrte er die Kellertbüre hinter sich ab. Als er nun das Faß anzapfen wollte, prenate der herausströmende Wein ein großes Stück des Fußbodens aus und in kurzer Zeit war der ganze Keller mit Wein angefüllt, so daß der Ei- gcnthümer, welcher den Ausweg nicht finden konnte, weil das Licht soaleich erlöscht war, buchstäblich im Wein ertrinken mußte. Erst am 18. Mai früh vermißte ihn seine Wirthschakterin, und nachdem man den Keller anfaesprcngt batte, fand man die Leiche des llnalücklichen im Weine schwimmen. — Der Geheimerat Biersack in Frankfurt, welcher bei dem Abschlusse des ersten Zollvertraqs zwischen Vreußen und Hessen-Darmstadt im Jahre 1828 tätig war und dessen Verdienste um den Zoll verein überhaupt kaum genug gewürdigt werden kön nen, pflegte in vertrauten Kreisen Folgendes zu er zählen : „In den 20ger Jahren bin ick einmal aufeiner Dienstreise mit einem armen Schubmacher aus Biedenkopf im sogenannten Hinterlanke eine Strecke Weges zusammen gewandert. Ich unterhielt mich mit dem Manne, wie ich das überhaupt zu tbun pflege. Durch solche gelegentliche Mitteilungen aus dem Munde des Volkes lä''t sich gar Vieles lernen, was in Büchern und Akten nickt zu finden ist. Da bat mir nun der Sckuster seine Noth ge klagt, wie er seine ganze Kundschaft jenseits der Preußischen Grenze durch die neuerrichtete Mauth linie eingebüßt habe, und wie er deshalb seine Fa milie jetzt nur noch kümmerlich zu ernähren vermöge. Der Mann war auch sonst ganz verständig. Er äußerte u. a.: „Wenn unser Großberzoq und der König von Preußen und die andern Fürsten die Zolleinkünste nickt entbehren können, und wenn die Zölle überhaupt nötig sind, dann sollten die Für sten die Zölle wenigstens an die Grenzen von Deutschland legen und das Geld, welches dorten einkommt, unter sich teilen." Ich habe den ehr lichen Schuster und seine klugen Reden niemals vergessen. Diesen Scbuste raus Biedenkopf halte ich für den eigentlichen Erfinder des Zollvereins."