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186 des Himmels öffneten sich, der Regen stürzte in Strömen herab, und was alle in banger Erwar tung befürchteten, trat nun in grausenerregender Weise ein: Schloßen in der Größe von Hasel nüssen prasselten in dichten Massen, alles zer trümmernd und verwüstend, hernieder. Der kleine Dorfbach verwandelte sich in wenigen Minuten in eine reißende Fluth; ein Haus nach dem andern, in den Fundamenten erweicht und erschüttert, stürzte zusammen, Brücken, Stege und Zaune verschwanden pfeilschnell in den Wellen, der Jammer und das Wehklagen der sich Rettenden und Fliehenden mischte sich in das Tosen und Brausen der erregten Ge wässer und wurde durch das Blöken der ertrinken den Thiere nur noch grauenhafter. Den auf Bäume und erhöhte Punkte sich Geflüchteten konnte leider nicht bald Hülfe gewahrt werden, weil sich die Menge der Schloßen so angehäuft hatte, daß sich hierdurch die Wassermassen nicht nur zu einer un gewöhnlichen Höhe stauten, sondern auch jeder Zu tritt sowohl zu Pferde als auch zu Wagen zu den am meisten bedrohten Punkten absolut unmöglich machte. Es war in der That herzzerreißend, zu sehen, wie ein Gebäude nach dem andern, ohne daß Hilfe möglich gewesen wäre, zusammenstürzte und unter den Trümmern die geringe Habe der Unglücklichen, die nicht etwa vom Wasser fortge führt worden war, begrub. Das Elend ist um so größer, zumal die Betroffenen durchgehends de» bedürftigsten Klasse der Bewohner angehören. Man wird sich übrigens einen annähernden Begriff von den Verheerungen machen können, wenn man er fährt, daß 23 Kleinstellen thcils total vernichtet, theils so beschädigt sind, daß sie nicht mehr be wohnbar sind, weil ihrem Einstürze jeden Augen blick entgegcngesehen werden kann. Die Feldfrüchte sind zum grüßten Theil vernichtet, Wiesen-, Sae- und Obstgärten verschlämmt, die Obstbäume ihres Laubes und ihrer Früchte beraubt, und die herab gefallenen Schloßen liegen stellenweise noch jetzt in einer Höhe von 4 Fuß und in einer Peripherie von Hunderten von Schritten umher." In einem eonstitntionellen Staate, wo der Fürst unverantwortlich ist, wird dieser auch gut thun, wenn er sich allen Schrillen enthält, die den Ministern zukommen. Der König von Preußen hat kürzlich eine Rede in Pommern gehalten, die bei den Ab geordneten und wohl auch im Lande viel böses Blut machen wird. Er sprach mit einem Landwehrmajor über die neue Heereseinrichtung, wodurch die älte ren Landwehrlcute entbehrlich würden und in ihrem Berufe bleiben könnten. So lange man aber solche Leute in die Kammer schicke, da könne die Regie rung sich noch so sehr abmühen, das helfe nichts. Sodann wies der König darauf hin, daß er eben nach Stralsund zu dem Vereinigungsfeste gehe, um den Dank der Provinz entgegenzunehmen, den seine beiden Vorgänger in der Regierung sich erworben. Im Lande, wisse er, müsse es doch nicht so schlimm sein, wie man es mache, im Rheinlande habe man ihm unendlichen Jubel und die herzlichsten Dankes- worte entgegengebracht, und so überall, wohin er auf seiner Reise gekommen. Sodann fragte er, wie hier zuletzt gewählt worden sei, und als berichtet wurde, daß die Wahl liberal ausgefallen sei und auf weitere Frage die Namen der Gewählten ge nannt wurden, wies der König in ungnädigem Tone darauf hin, daß das nächste mal besser gewählt werden müsse. Man solle dies sich ja recht dringend einprägen und nicht wieder dieselben Abgeordneten schicken. — Aus Chemnitz vom 24. Mai berichtet der Chemnitzer Anzeiger: „In den Werkstätten Hrn. Richard Hartmann's wurde in diesen Tagen eine Diminutivlocomotive vollendet. Dieselbe hat nur Tischhöhe und etwas über zwei Ellen Länge, ist aber sonst in allen Theilen einer großen Loco- motive gleich gebaut, und arbeitet auch eben wie eine solche. Das kleine Maschinchen, das mit Spi ritus geheizt wird, ist für den Großherzog von Mecklenburg bestimmt, welcher in einem Park kleine Schienenglcise legen läßt, aus denen nun sein Prinz per Dampf spazieren fahren wird. Eine zweite gleiche Locomotive läßt Hr. Hartmann jetzt für sich selbst bauen, und soll dieselbe als Modell bienen, und wie wir vernehmen, aus unserer nächsten Aus stellung paradiren." Ein ehemaliger Geschäftsmann, Eduard B., welcher gegenwärtig in Wien als Privatier lebt, hatte sich vor ungefähr zehn Jahren von einer be rüchtigten Wahrsagerin prophezeien lassen, daß er am 2S. Mai 186b, um 5 Nachmittags, sterben müsse. Der verhängnißvolle Tag rückte endlich heran und der abergläubische Mann gerieth in eine solche Angst, daß er, um sich zu zerstreuen, zahl reiche Freunde zu sich lud. Weinend erzählte er diesen sein unausbleibliches Schicksal und wurde endlich so unwohl, daß man anfing, ernstliche Be fürchtungen zu hegen. Die fünfte Stunde ging jedoch vorüber, ohne ihn dem Tode zu überliefern; aber die ausgestankene Angst zog ihm ein heftige- Fieber zu, von welchem er erst später genas. Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben, es hat aber stark den Anschein, als sei Kai ser Franz Joseph mit aufrichtigen Friedensge- danken nach Pesth gereist und als kämen ihm die Ungarn sehr versöhnlich entgegen. Aussöhnung mit Ungarn ist die größte Stärkung für Oesterreich. Hat Herr v. Bismarck sie in seine Berechnung mit ausgenommen? die Wiener Zeitungen stimmen jetzt schon einen höher» Ton an und mittelstaatliche Stimmen auch, wenn wir uns nicht täuschen. Der Mitbesitz in Schleswig-Holstein kann eine harte Nuß für Bismarck werden, wenn nicht das versöhnte Volk sie ihm knacken hilft. — Sucht Oesterreich Stärkung in Ungarn gegen Frankreich? In Paris flüstert man sich zu, Napo leon werde Mexico fallen lassen und die Scharte durch Wegnahme Belgiens auszuwetzen suchen; ein neuer Zusammenstoß mit Oesterreich in Italien werde die Folge sein. Prinz Napoleon habe in Korsika zu früh davon geplaudert und deshalb habe ihn der Kaiser so hart angelaffen. — Gras Gondrecourt, der Kommandeur der