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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Rossen, Siebenlehr» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königl. Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Donnerstag, den L5. Onni l865. 24. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Von dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine'Nummer. Der Preis für den Vicrteljahrgang beträgt IO Ngr. und ist jedesmal vorauszubezahlen. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redaclion), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honortrt. Rcdaction. u m s ch a u. Preußen soll nun vollständig mit dem Herzoge von Augustenburg gebrochen und bereits mit dem Oldenburger einen Vertrag abgeschlossen haben, der diesem die Herzogtümer Schleswig-Holstein über- giebt, natürlich gegen gute Entschädigung. Es fragt sich nur, ob nicht noch andere Leute in dieser Sache mitzureden haben als Herr von Bismarck. Wird der Bundestag wieder ruhig zusehen? Die Kreuzzcitung warnt vor dem Besuche des Sängerfestcs in Dresden. Sie will nämlich wissen, daß die Dresdner sich weigern, den Preußen Quar tier zu geben und daß sich das Comit« dadurch aus der Verlegenheit ziehen will, daß es die unange nehmen Gäste auf den umliegenden Dörfern unter bringt. Soviel ist wohl sicher, daß die Sachsen ihre Nachbarn nicht übermäßig lieben; doch ver wechselt man häufig die aufgeblasenen, großspreche rischen Berliner mit derGesammtheit der Preußen.— Hr. Virchow hat das Duell mit Hrn. v. Bis marck abgelehnt, aber auch nicht widerrufen. Die freisinnige Partei erkennt den Präsidenten des Hau ses als einzigen Richter über alles im Hause Ge sprochene an. In den Abgcordnetenkreisen wurde gestern fol gendes interessantes Gesckichtchen erzählt: „Zu Hrn. v. Hennig, der bekanntlich von Hrn. Virchow bei der Duellgeschichte zugezogen war, kamen zwei Stu- dirende der berliner Universität und erklärten sich und eine Reihe ihrer Commilitonen, die sie nam haft machten, bereit, für Hrn. Virchow im Duell einzutreten. Sie hätten zufällig von Offizieren ge hört, sagten sie, daß diese es schade gefunden hät ten, wenn Hr. v. Bismarck, der Staatsmann ihrer Partei, sein Leben in einem Duell in Gefahr bringen sollte. Die Offiziere halten gemeint, daß andere für eine so wichtige Persönlichkeit eintreten sollten. Nun sei es ihnen ja klar, welchen unersetzlichen Verlust die Wissenschaft und die Nation durch einen unzeitigen Tod Virchow'S erleiden würde. Der Gedanke sei ihnen entsetzlich, daß er in einem Spiel, das fie selbst wahrscheinlich besser verständen als ihr berühmter Lehrer, der Welt entrissen werden könnte! Die jungen Leute waren, wieHr. v. Hen nig versichert, in vollem guten Glauben. Sie hat ten ohne Zweifel eine Vorstellung von einer Art kro-Mris-Skandal, in welchem sie ja in der That besser am Platze gewesen fein würden als der be rühmte Gelehrte und Abgeordnete, um den eS sich handelte. Aus dem Bahnhofe in Merseburg, wo die Ausstellung war, standen neulich die Leute dicht gedrängt; plötzlich fühlte ein vierschrötiger Ausstel ler die Hand eines Polizeimannes schwer auf seiner Schulter und hörte eine barsche Stimme: „Platz da, sie versperren die Aussicht Sr. königl. Hoheit!" — Ei was, antwortete der Angeredete ärgerlich und sich nur halb umwendend: der Herr ist groß genug und kann über mich hinwegsehen! — Jetzt erst drehte er sich ganz um, erkannte den hinter ihm stehenden und lächelnden Kronprinzen, trat rasch zur Seite und verbeugte sich tief. Andern Tags erhielt er eine Einladung zur kronprinzlichen Tafel. Ueber ein furchtbares Unglück, welches das Dorf Osterwitz im Kreise Leobschütz getroffen, wird der Breslauer Zeitung von dort unterm 30. Mai geschrieben: „Gestern Nachmittag erlebten wir hier Stunden des Schreckens und der Trauer. Zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags verdunkelte sich plötzlich der westliche Horizont, Blitz auf Blitz folgte in rascher Aufeinanderfolge, die Schleusen