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Im Weißeritzmühlgrabcn ist am 29. April ein Sjähriger Knabe, der dort gespielt hatte und hineingefallen war, ertrunken. Die Leiche des Kleinen ist bereits aufgefunden. — Am 30. April fiel ein etwa Zjähriger Knabe beim Spielen in die Elbe. Der Fleischermeister Krüger konnte denselben glücklerweise noch retten. — An der Ost- easerne ist am 1. Mai ein gefüllter Kalkkasten durch das Zerreitzen einer Kette aus dem 3. Gestöck herabgestürzt und hat einem bei dem Aufwinden beschäft gewesenen Arbeiter das linke Bein und den rechten Arm zerschlagen. Das erste mutzte ihm in der Diaconissenanstalt, wohin man ihn gebracht, abgelöst werden. — Am I. Mai kam der Wagennachseher Augst, aus Hohenstein gebürtig, dadurch um das Leben, daß er in dem Augenblicke, als er zwischen 2 wenig aus- 'inanderstehende Wagen hindurch wollte, gepuffert wurde. Die Ver- etzungen, welche er beim Zusammentreffen der Wagen erlitt, waren oerarlig, daß der Tod bald darauf eintrat. In Mennewitz bei Roda ist am 28. April die zweijährige Tochter des Oekonomen Schultze, welche sich spielend im elterlichen Gehöfte die Zeit vertrieb, dem Jauchenloche zu nahe gekommen, in dasselbe gefallen und ertrunken. Mittweida, I. Mai. Bei dem gestern über Königshain hin gehenden Gewitter sind die Tochter des Gutsbesitzers Römer daselbst md eine ans Besuch anwesende Freundin derselben vom Blitz ge troffen und sofort getödtet worden. Die Reichs-Eisenbahn-Vorlage hat im preußischen Abgeordnetenhaus 216 Stimmen für und 160 Stimmen wider erhalten. Den lebhaften Verkehr zwischen Rüdesheim und dem gegen überliegenden Bingen vermittelt das Dampfboot Louise. Am 30. April Aachmittags platzte der Kessel und richtete großes Unglück an. 30 Personen sollen verunglückt sein, 4 Leichen sind Abends im Rhein aufgesischt worden. Der bekannte Socialdemocrat Otto Walster ist jetzt in New-Jork angekommen. Von den verschiedensten deutschen Gerichten hatte er nicht weniger als 30 Mandate zur Verbüßung von Freiheitsstrafen svegen Preßvergehen erhallen. Sollten diese nicht Veranlassung für ihn gewesen sein, sich in die neue Welt zurückzuziehen? Man schreibt von der serbisch-bosnischen Grenze über die Lage in Bosnien, 26. April: Die Niederbrennung und Verwüstung der Weiler und Dörfer durch die Insurgenten hat solche Dimensionen angenommen, daß den Einsichtigeren unter ihnen vor den Conse quenzen dieser Kriegführung selbst bange zu werden anfängt. Der politische Leiter der Jnsurrection, Vassa Pelagits, sah sich veranlaßt, an alle Abtheilungschefs der Insurgenten Anordnungen zu erlassen, deren pünktliche Befolgung verlangt wird. Es heißt in dieser In struction, daß jedes türkische Dorf erst nach einer dreimaligen frucht losen Sommalion zur Unterwerfung mit Waffengewalt dazu, ge zwungen werden soll; dabei sollen aber Menschenleben wie Eigen- thum von Privatpersonen geschont werden. Es sei strenge darauf zu achten, daß die keinen Widerstand leistenden Mohammedaner nicht molestirt und Weiber wie Kinder niemals bedroht werden. Nur jene Moscheen sind anzugreifen, in welche das türkische Militär zu An griffs- oder Vertheidigungszwecken eindringt. Die Hodza's und Müllas sind üllerall zu schonen. Pelagits ließ diese Instructionen auch in allen Orten bekannt werden, wo die Mohammedaner in der Mehr zahl sich befinden, und forderte dieselben auf, ihrerseits gleichfalls Menschlichkeit und Milde zu üben. Die Königin Victoria von England hat amtlich den Titel einer Kaiserin von Indien angenommen. Man sagt, die Königin habe dem Kaiser Wilhelm in Coburg die Mittheilung gemacht, daß sie nächstens abdanken werde. Im Laufe dieses Jahres steht eine großartige Festlichkeit der Vereinigten Staaten Nordamerikas bevor. Am 4. Juli 1876 feiert das Land den Gedenktag der vor 100 Jahren Statt gehabten Befreiung ans der Herrschaft Englands. Da wird denn wieder zur Feier des Tages ein wichtiges Werk unter dem Donner einer gewal tigen Explosion vollzogen werden, das an Großartigkeit einzig in der Welt dastehen soll. Es werden an dem Festtage eine Reihe von gewaltigen Felsen, welche in der Nähe von New-Jork im Meere liegen, und von der östlichen Seite die Schifffahrt hemmen, gesprengt werden. Seit dem Jahre 1869 arbeitet man nun an den Bohrungen unter Wasser, welche mit Sprengmaterial gefüllt werden müssen, um diese Massen mit einer Explosion zu vertilgen und den östlichen Eingang m den Hafen von New-Jork herzustellcn. Die Kosten der bisherigen Bohrungen betragen bis jetzt etwa Mill. Dollars. Nunmehr stehen 28 Schachte da, von welchen der größte eine Länge von 200 Fuß hat. Von diesen Schachten aus laufen nach allen Richtungen hin an 30,000 kleinere Bohrungen, die in ihrer Gesammtlänge fast eine halbe deutsche Meile betragen. Die Umsicht, mit welcher diese unter Wasser bis auf den Meeresgrund in einer Tiefe von mehr als einigen 30 Fuß ausgeführten Bohrungen geleitet wurden, wird wohl hinläng lich durch den Umstand characterisirt, daß dabei auch nicht ein ein ziger Unfall von Bedeutung vorgekommen ist. Die Schachte, Kammern und die Bohrlöcher bilden die Minen, welche, mit Sprengpulver ge füllt und im gleichen Moment mit einem Male entzündet, das kolossale Werk vollenden sollen. Nicht weniger wie 40000 Pfund Nitro-Glycrin bilden in den Kammern die Hauptladung; über das in den Bohr löchern anzuwendende Sprengpulver — Dynamit oder ein anderes Präparat „Kredock" genannt und als noch wirkungsvoller geschildert — wird erst durch Experimente entschieden werden. Es steht jedoch fest, daß bisher niemals in der Welt auch nur der 50. Theil von solcher Masse Explosionsstoffen mit einem Male entzündet worden ist! Selbstverständlich wird diese Entzündung nur auf electrischem Wege bewerkstelligt werden. Es sind bereits die Leitungen dazu angebracht, welche mehre Meilen betragen, und die magnet-electrischen Apparate dazu werden den gewaltigsten Maßstab annchmen, den man bisher kennt. Von dem gewaltigen Stoß, den diese Sprengung verursachen wird, hat man freilich gar keine Vorstellung. Auch über die Wirkung einer svlch plötzlichen Entzündung und die Gewalt, mit welcher die heißen Gase in die Atmospäre eindringen werden, ist man bisher ohne alle Erfahrung. Die Kand. Historische Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Zwei Höfe." „Schein und Sein." (Fortsetzung.) Es war ein stattliches Gebäude, wenn auch, wie alle übrigen, einstöckig und zwar mit Fachwerk aufgeführt, aber dennoch weil größer und geräumiger, als die Nachbarhäuser. Der Schmied mußte sehr wohlhabend sein, denn nicht nur besaß er dies Haus mit daranstoßenden Garten, sondern noch andere Län dereien vor der Stadt, und bas wollte doch bei seinen Mitbürgern schon etwas bedeuten. Seine Frau kam ihm wie immer freundlich entgegen und hatte schon mit dem Mittagbrod auf ihn gewartet. Jedenfalls war dies ein glücklich Gegenstück zu des Gerbers Ehe, der sich wohl solch herzlichen Empfanges nie zu erfreuen hatte. Des Schmiedes Weib war eine schlanke, noch jugendliche Gestalt, mit dem Stempel echter Weiblichkeit in ihrem ganzen Wesen; eine echte Wirthin des Hauses, die, wo ihre Hand waltet, Glück und Behagen auszubreiten weiß. Ihr Mann stellte nach der ersten Begrüßung den Korb auf den Tisch und sagte: „Sieh, was ich Dir mitgebracht." Sie blickte hin. Das Kind schlug, wieder munter gemacht, die großen blauen Augen auf und lächelte sie so freuntlich an, daß es ihr wohlthuend durch die Seele zuckte. Zu einem Mutterherzen findet jedes verlassene Kind rasch den Weg. Er erzählte sein Abenteuer und den Entschluß, das Kind als Ersatz des verstorbenen Otto anzunehmen. Das junge Weib willigte mit Freuden ein. Mit weiblicher Neugier wurde noch einmal an dem Kleinen hcrumgeforscht, ein Zeichen seiner Abkunft zu endecken, aber sie fand weiter nichts, als eben den Namen „Ludwig" im feinen Hemdchen eingestickt, doch nocb etwes Anders — jenes schon von der Alten ent deckte, nur von den Männern übersehene Maal — die scharf ausge prägte Hand. „Vielleicht führt dies einmal zu der Entdeckung seiner Eltern," bemerkte die Frau. „Das wird schwer halten!" entgegnete der Schmied und fügte abweisend hinzu: „Also Ludwig heißt der Junge, wir wollen dcn Namen beibehalten, wenn sich auch das Räthsel nie lösen sollte." Das jnnge Weib lehnte sich an seine Schulter und blickte for schend auf dcn Kleinen, als könne ihrem Scharfsinn die Entdeckung nicht entgehen. Plötzlich schien ihr ein erleuchtender, sonderbarer Gedanke zu kommen, wie ihn Frauen im allzufein zugespitzten For- schergciste oft erhalten, und den Kopf schelmisch zu ihm aufhebend, sagte sie mit eigenthümlichem Lächeln: „Ich hab's! das Kind sicht Dir ähnlich, Herrmann!" „Wie kommst Du darauf?" frug ihr Mann befremdet. „Nun siehst Du nicht? dieselbe Stirn, dieselbe Nase!" „O ganz und gar nicht, die meine ist ja kurz und stumpf und die des Kleinen ist spitz und lang." „Aber die Augen? dasselbe Blau, meinst Du nicht?" frug wieder hartnäckig die Frau. „Aber ich merke, Schelm, wo Du hinaus willst, Du willst mich wohl gar zum Vater des Jungen machen?" „Und wenn ich's wagte?" „Dann wärst Du halt auf recht falscher Fährte," entgegnete ruhig der Schmied, der unwillkürlich an den Gerber denken mußte, der am Ende noch nicht so dumm war, als er das Aussehen hatte. Bei dem Prophetenwort des Dicken kam ihre letztere muntere Unter haltung ihm in Erinnerung, und er lächelte gcmüthlich vor sich hin. Dies Lächeln konnte das einmal argwöhnisch gewordene Gemüth der jungen Frau zur Unterstützung ihrer Vermuthungen sehr gut ver- werthen, und mußte ihr auch wirklich später noch oft zu diesem Zwecke dienen. Des Schmiedes harmlos offene Seele ging über dies Ereigniß rasch genug hinweg. Es lag nicht in seiner Art, große Erörterungen zu liefern wo Thatsachen für ihn sprechen tonnten. Er vertraute, daß die glückliche Natur seiner Frau sich von solch argwöhnischen, ihr fremden Gedanken bald befreien würde. Und wohl hatte er Recht, der ehrliche Schmied, sie war in der That eine glücklich-gutmüthige Seele, aber nur bis auf einen Punkt: die Eifersucht — trat diese ins Spiel dann war ihr Blick befangen, ihr ganzes Wesen der Arg wohn selbst. Der Gedanke, daß ihr Mann treulos sein könne und jetzt die Frucht eines verbrecherischen Verhältnisses geschickt in sein Haus einführen wolle, nagte weit tiefer an ihrer Brust, als cs dec sie hierin falsch beurtheilende Schmied ahnen konnte.