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Tagesgeschichte. Aus verschiedenen Theilen Deutschlands und Oesterreichs liefen Nachrichten von bedeutenden Überschwemmungen ein, am belrübcnd- sten lauten dieselben aus Wien, woselbst die Donau, aller Voraus sicht spottend, die Dämme des künstlich regulirtcn Bettes durchbrochen und mehre Stadtthcile unter Wasser gesetzt hat, ebenso sind in Prag viele Straßen durch das Wasser der Moldau überschwemmt. — Auch das sächsische Elbthal ist theilweise schwer heimgcsucht worden; in Riesa hat das Hochwasser die Elbbrücke der Leipzig- Dresdner Eisenbahngesellschaft weggeriffen. Weitere Nnglücksböt- schaften, auch oberhalb Dresdens, stehen zu erwarten. Der Reichskanzler Fürst Bismarck hat der „Wes.-Ztg." zufolge die Zustimmung des Bundesrathes zur Vertheilung der Summe von 24 Mill. Mark aus dein Reste des Antheils des Norddeutschen Bundes an der französischen Kriegskostenentschädigung beantragt. Die Aufnahme der Andrassy'schen (österr.) Reform Vorschläge bei den Aufständischen in Bosnien und der Herzegowina ist keine günstige. Den Aufständischen ergeht es, wie vielen andern Leuten, sie glauben weder, daß der Sultan die ihm abgedrungenen Zuge ständnisse durchführen kann, noch sie durchführen will. Nach einem Telegramm aus Ragusa beschlossen die Anführer der Volksversamm lung in der Sutorina, die Reformen zu verwerfen. Ohne ein „Bis chen Herzegowina" für Montenegro, den Schützling Rußlands, wird es wohl nicht abgehen. Der einflußreiche russifche „Golos" stellt be kanntlich die Erfüllung dieses Begehrens wiederholt als die erste Be dingung einer friedlichen Beilegung auf. In Oesterreich will man allerlei Anstalten zu Rüstungen bemerkt haben. Hören wir einmal Herrn von Unruh in Berlin, einen Mann der großen Industrie, der alle Verhältnisse genau kennt und scharf rind klar beurtheilt, über die Gründe des Daniederliegens des Handels und der Industrie. In seiner Flugschrift: „Die wirthschaftliche Re- action" macht er den Gründungsschwindel der vorletzten Jahre für die jetzigen Zustände vor allem verantwontlich und schlägt die Ver luste, welche die große Masse des Volkes erlitten hat, auf 1^2 Mil liarden Mark an. Er behauptet, daß viel mehr als die Socialdemo- cratie und die deutsche HandUspolotik der Gründungsschwindel an der jetzigen Lage Schuld sei. „Die scheinbaren Agiogewinnste der Gründungsjahre verwandelten sich im Krachjahre in große Verluste, alle Papiere, namentlich die Industriellen, auch die soliden, fielen stark im Course, der Verbrauch nahm schnell ab. Die vielen Mill. Gründungsactien sind weit unter die Hälfte, ja bis zu einen Viertel des Nennwerthes gefallen. Der Courszettel zeigt Eisenbahn-Stamm- Prioritäts-Aktien größtenthcils zu 30 Proc. und darunter, wenige über 50 Proc., nur 2 al xari. Es gingen also viele Mill. Thaler verloren. Aber auch bei alten soliden Bahnen sind kolossale Verluste eingetreten. Berlin - Potsdam-Magdeburger standen sonst zwischen 230—250 und gaben 14—16 Proc. Dividende: jetziger Cours 67 Proc., Dividende 1 ?/, Proc., ähnlich bei der Bergisch-Märkischen Bahn und bei andern. Dazu kommen die Verluste an den eigentl. Speculationspapieren: Lombarden, Franzosen rc.; auch an die Ru- mänier, Discontocommandite rc. muß gedacht werden. Wer hat nun diese fast unglaublichen Verluste erlitten? Die großen Bankiers? Keineswegs, nur theilweise sind diese betroffen. Die kleinen Börsenspekulanten? Auch nur theilweise, und von diesen werden ein paar Dutzend von einer einzigen Million ausgewogen." Die Ungeheuern Verluste hat das große Publikum bis tief hinunter in die unteren Schichten erlitten: Gevatter Schneider und Handschuhmacher, Hausknechte, Wilthschaftsinspectoren, Handlungsge- hülfen, Klein- und Großbürger, Beamte, Offiziere, Lehrer, Kaufleute, Wittwen, Pensionäre kurz die meisten derjenigen Personen, welche einen Sparpfennig oder Nothgroschen besaßen, und alle Diejenigen, welche ohne Arbeit reich werden oder doch bequemer und auskömm licher leben wollten. Und welche Mittel wurden angcwendet, um den Appetit des Publikums anzuregen? Vorspiegelungen jeder Art, Pro spekte mit erlogenen Zahlen, Unterschriften hochgestellter Männer. „Mit den kolossalen Verlusten trat di« Nöthwendigkeit ein, sich einzuschrenken, sparfam zu leben. Der Verbrauch in den meisten Dingen verminderte sich auffallend. Noch halten viele Privatleute faule Papiere in der Hoffnung auf Besserung der Course fest. Sie hungern fich die nicht eingehenden Zinsen am Leibe ab, sie vermeiden alles irgend Entbehrliche, allen Luxus. Man frage doch nur in den verschiedensten Geschäften nach, wie der Umsatz abgenommen hat. Es sind sehr viele Leute, die gar nicht speculiren, in die Verluste hineingezogen. Dabei sind die Löhne noch immer sehr hoch, die Lebensmittel und Wohnungen noch immer sehr theuer. Von billiger Production (Herstellung der Waare) ist noch gar nicht die Rede, also anch noch wenig von Ausfuhr. Die Handelsbilanz ist für Deutsch land noch immer ungünstig. — So lange die unerhörten Verluste nicht durch Arbeit und Sparsamkeit wieder ersetzt sind und die Bildung neuer Capitalien noch nicht wieder begonnen hat, so lange ist an Wiederbelebung der Industrie nicht zu denken." Auch die Magdeb. Zeitung macht die Ausschreitungen der Gründer verantwortlich. Die Zahl derselben, sagt sie, ist nicht so groß, als meist aus dem Umstande geschlossen wird, daß der angerichtete Schaden so bedeutend ist. Es war verhältnißmäßig eine kleine Zahl von Leuten, die wie ein Rattenkönig fest mit einander verwachsen waren, ihre Hände überall im Spiele hatten und auch in der Volksver tretung saßen. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so spielt sich in diesem Augen blicke im Norden Spaniens das Ende eines Bürgerkrieges ab, der viel Leid und Elend über das unglückliche Land gebracht hat. Mit einer Selbstvcrblendung ohne Gleichen unternahm es vor nunmehr 4 Jahren der Prätendent Don Carlos, mit seinen An hängern die nördlichen Provinzen zu insurgiren, um die damals herr schende republikanische Staatsform zu stürzen und sich auf den Thron zu setzen. Seitdem hat Spanien selbst mannichfache Wandlungen durchgemacht, die Republik wurde nicht von Don Carlos, sondern von den Anhängern der früher vertriebenen Königsfamtlie beseitigt und der jugendliche Sohn Isabellens übernahm die Regierung. Alle Kräfte des finanziell fast ruinirten Landes wurden nun angespannt, um dem Carlistenkriege ein Ende zu setzen. Man nahm zwei große Aushebungen vor, das Heer derart zu verstärken, daß es zur förm lichen Erdrückung der Carlistenmacht hinreiche, und diese Bemühungen scheinen nun endlich zu einem Ziele führen zu wollen, denn nach einer Depesche des spannischcn Consulats in Bayonne beabsichtigt die car- listische Junta eine Versammlung nach Villafranca (in Guipuzcoa?) einzuberufen, um Vorschläge über Friedensbedingungen zu machen. Es ist nicht recht klar, aus welchen Personen diese „Versammlung" gebildet werden und wem sie „Vorschläge machen soll. Die spanische Regierung dürfte im gegenwärtigen Augenblicke auf Vorschläge schwer lich noch eingehen, abgesehen davon, daß eine fern von den Carlisten tagende Versammlung schwerlich hinlänglichen Einfluß hat, diese zum Niederlegcn der Waffen zu bewegen, so lange Don Carlos sich in deren Mitte befindet. Wie die Wiener „Presse" aber weiter aus „guter Quelle" vernimmt, „hat der spanische Thronprätendent im Widerspruch mit seinen öffentlichen Proclamationen, in welchen er seinen baldigen Einzug in das Königsschloß zu Madrid ankündigt, feinen Familienangehörigen im Ausland die Lage, in welcher er sich gegenwärtig befindet, als eine verzweifelte geschildert. Und wie man versichert, ist er jetzt geneigt, dem Ralhe seiner um ihn besorgten Angehörigen folgend, Spanien wenn irgend möglich, noch vor der Schlußkatastrophe zu verlassen." Ob ihm dies auch wirklich gelingen wird, ist wohl noch fraglich, da das alfonsiftische Heer die Schaarcn des Prätendenten jetzt ziemlich eng eingeschlossen hat. Wie nämlich der „Agcnce Havas" aus San Sebastian gemeldet wird, haben die Generäle Loma und Moriones am 17. Februar ihre Vereinigung be werkstelligt und die Carlisten auf Tolosa zurückgedrängt. Letzteren verbleibt demnach von Guipozcoa nur noch der Abschnitt östlich und südlich der Eisenbahnstrecken Zumarraga, Tolosa, Andoain. Üebcr das Gefecht vom 12. d., welches mit dem schleunigen Rückzüge der Carlisten endete, wird as Madrid berichtet, daß der Kampf von 11 Uhr bis zum Eintritt der Dunkelheit dauerte. Don Carlos floh nach Zumarraga und Quesada konnte bereits die Nacht in Vergara zubringen. Von carlistischer Seite wird der Sachverhalt so dargestellt, daß die königlichen Truppen bei Campanzas, zwischen Elarrio und Mondragon, die in der Fronte mit Erfolg vertheidigten carlistischen Stellungen umgingen und den Gegner auf diese Weise zum schleunigen Rückzug nöthigten. In Jrun ist die Brigade Bavascues in Stärke von 4000 Mann eingelrvffcn, um mit Martinez Campos zu cooperiren und den hermetischen Abschluß der Grenze zu übernehmen. Vor Estella scheint die Action nunmehr gleichfalls in Fluß zu kommen. Die Artillerie des Corps Primo de Reveira erreicht bereits die Vorstadt mit ihren Geschossen und die carlistische Junta trifft Vor bereitungen, um sich mit den Archiven in die hohen Amescuazbcrge zu flüchten, wo, wie bereits gemeldet,^ eine zweite Vertheidiguugs- stellung vorbereitet ist. Der Specialcorrespondent der „Kölnischen Zeitung" aus San Sebastian vom 18. Februar Nachmittag: Die Höhen don Mendizorotz und und Arratsain und die letzten Sebastian bedrohenden Batterien der Carlistcn sind soeben von den RegierungStruppcn genommen worden. Die Stadt feiert das Ereigniß mit Glockengeläute und Musik. Die Genossenschaft „Schutzgemeinschaft für Handel u. Gewerbe, eingetragene Genossenschaft in Wilsdruff," hatte am 23. v. M., wie durch statutengemäße Einladung in diesem Blatte s. Z. zu ersehen war, ihre erste ordentliche Generalversammlung. Die in dem gewiß kurzen Zeiträume von circa einem Jahre gemachten Erfolge hinsicht lich des steten Wachsthums der Genossenschaft sowohl, als auch die im Jncaffogeschäft erzielten Resultate, liefern am sichersten den Beweis, daß der gute Zweck dieses Unternehmens nicht nur die verdiente An erkennung findet, sondern voraussichtlich täglich mehr an Ausdehnung zu gewinnen scheint. — Wohl mag hierzu die geschehene gerichtliche Eintragung in das Handelsregister viel mit beitragen, denn eines- theils rst die hiesige Genossenschaft zwar die jüngste der zum großen Verbände über ganz Deutschland gehörenden Vereine, aber trotz alle dem auch die lebensfähigste, denn anderntheils scheinen sich die Ver eine der größten Städte ein Beispiel an der hiesigen Genossenschaft nehmen zu wollen, wenigstens haben solche wegen Eintragung in das Handelsregister mit Vergnügen gewisse Auskunft von hier aus ent- gegengmommen. Es dürfte mithin jedem Geschäftsmanne anzurathew sein, sich dabei zu betheiligen. Wochenmarkt zu Wilsdruff am 18. Februar. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 20 Pf. bis 2 Mark 40 Pf. Ferkel wurden eingebracht 25 Stück und verkauft ü Paar 24 Mark bis 39 Mark.