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2 einem Jahre Gefänguiß. Kux hatte nachgewiesenermaßen der Frau des Maschinenwärter Helbig aus Obcrplanitz zur Vertreibung von Würmern eine Abkochung aus Vi Pfund schwarzen Tabaks verordnet. Die Helbig., welche solche gebraucht hatte, war eine V2 Stunde da rauf gestorben, und zwar wie die Section zeigte an Nicotin-Ver giftung. Der Staatsanwalt wies bei der Verhandlung darauf hin, daß der verhandelte Straffall ein lehrreiches und warnendes Beispiel dafür liefere, wie unklug es sei, statt bei einem wissenschaftlich ge bildeten Arzte, bei einem unwissenden Quacksalber Hilfe zu suchen. Riesa, 1. März. In Merzdorf ist am 26. Februar der bei nahe 3 Jahre alte Knabe des Handarbeiters Keßner in eine im Hofe befindliche Düngergrube gestürzt und in der darin befindlichen Jauche ertrunken. Der General-Postdirector Stephan hat, wie verlautet, die Ab sicht, auf der Wiener Weltausstellung ein Gesammtbild der deutschen Tages-Literatur zu geben, und zu diesem Zwecke die bedeutenderen deutschen Zeitungen und Journale, politischen und nicht politischen Inhalts, und ohne Unterschied, in welchen Zeiträumen dieselben er scheinen, zu einer Sammlung zu vereinigen. Im Interesse der Ueber einstimmung sind hierzu überall die am 22. März d. I. datirten Zeitungsnummern bestimmt worden; von denjenigen Blättern, welche an dem bezüglichen Tage nicht erscheinen, wird die letzte Nummer genommen werden, welche vor dem 22. März ausgegeben wird. Bekanntlich ist Berlin ein Hauptort der Möbelfabrikation. In Folge der wiederholten Strikes aber lassen die großen Möbellieferan- ten schon vielfach ihre Möbel nicht mehr von dortigen Tischlern an fertigen, weil ihnen die geforderten Preise zu hoch sind; sie beziehen ihre Möbel zumeist jetzt aus Braunschweig. Ebenso geht es mit der Bautischlerei. Vollständige Thüren und Fenster werden schon seit längerer Zeit in großen Massen nach Berlin geliefert, und zwar aus Norwegen. Es bestehen besondere Commissionslager dafür in Berlin, die gute Geschäfte machen. Es ist ein Glück, daß die Erlaßen von Berlin jetzt hübsch trocken sind und man nicht mit Nässe und Schmutz zu kämpfen hat, denn wer jetzt in Berlin mit der Bahn ankommt, der muß zu Fuß in die Stadt gehen, denn Droschken sind nicht zu haben. Die Droschkenbe sitzer sowohl als auch die Droschkenkutscher haben gestriket und wollen nicht nach dein neuen Tarif fahren, der ihnen von der Polizei vom 1. März an vorgeschricbcn ist. Es finden Unterhandlungen statt. Es war am Sonnabend, am zweiten Jahreslage der Ratifikation des Präliminarfriedens durch die französische Nationalver sammlung zu Bordeaux, schreibt die heutige „N. A. Z.", als der Justizminister Herr Dufaure die Parteien beschwor, den Antrag ihrer Gegensätze bis nach der Befreiung des Landes von der fremden Occupativn zu vertagen und die Waffenruhe noch während der nächsten Monate aufrecht zu erhallen. Der Minister sprach die Befürchtung aus, „daß die Räumung des Landes das Singnal zu unausbleiblichen Unordnungen und Ruhestörungen geben werde." Diese Worte gehören der Geschichte an. Es verlohnt wohl der Mühe, von dieser Aner kennung des Werthes Akt zu nehmen, welchen die französische Negier ung dem Verbleiben des deutschen Heeres auf französischem Boden beimißt, Akt zu nehmen weniger für die Gegenwart, als für eine künftige Geschichtsschreibung. Es waren deutsche Waffen, zu deren Füßen die blutigen Kämpfe im Frühling 1871 um und in Paris aus- tobten, deutsche Waffen sind es, welche fortdauernd die Parteien ver hindern, sich nicht von Neuem in gegenseitiger Wuth zu zerfleischen. Unter der Obhut deutscher Waffen, die es vom Selbstmorde zurück halten, konnte Frankreich sich somit bisher seiner inneren Wiedergeburt, ja selbst der Vorbereitung für die von mancher Seite ersehnten Kämpfe der Zukunft widmen. Diejenigen, welche den Beweis der Lebens fähigkeit der Republik als erbracht erachten, mögen daher nicht ver gessen, daß dieselbe bisher in dem monarchischen Deutschland ihre starke Stütze fand. Dem Sieger ward es beschieden, des Besiegten großer Wvhlthäter zu werden und — wenn auch ohne jede Absicht — durch seine ruhig abwartende Haltung Frankreich zwei Jahre hindurch vor dem „Zufall" zu bewahren. Es wäre eine tragische Fügung der Geschichte, wenn die dereinst zur Heimkehr sich entfaltenden Fahnen der letzten deutschen Regimenter die Ruhe und das Wohlergehen Frankreichs in ihren Falten davonlragen sollten! Die Entschädigung für die Kriegsleistungen und Kriegsschäden, welche Elsaß-Lothringen vom deutschen Reiche geleistet wird, beträgt nach der vorläufigen Veranschlagung im Ganzen 36 Millionen 700,000 Thlr. oder 137,620,000 Franken. Der Photograph Berndt in Dessau, der wegen Untreue seiner Frau den Hofopernsänger Weiß schwer verwundete, daß er seinen Wunden unterlag, ist unter Annahme mildernder Umstände zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt worden. In Spanien geht es schrecklich zu. Man hat es auf die Grund besitzer abgesehen, die man beraubt und mordet. Es haben bereits 8 Grundstücksbesitzer das Leben eingebüßt. Es herrscht allenthalben Angst und Schrecken und die Parteien wüthen gegen einander wie Kannibalen. In manchen Districten hat man die vorhandenen Güter an die Gemeindeglieder vertheilt und die Bürgermeister haben dem Präsidenten der Republik, Martos, die Anzeige gemacht, daß die Vertheilung in vollkommener Ruhe und Ordnung vor sich gegan gen sei. Vereinigte Staaten. Am 4. Mürz d. I. wird die Inau guration des wiedergewählten Präsidenten Grant mit solchen Fest- xichkeiten gefeiert, wie sie in Washington noch nie statthatten. 35 Triumphbogen, eine Festhalle, deren temporäre Errichtung für den Gebrauch eines Tages allein 20,000 Dollars kostete, Illumination aller Straßen und Gebäude, die Anwesenheit der uniformirten Mi lizen aus verschiedenen Staaten, deren Parade rc. werden eine Men schenmasse aus allen Theilen der Union nach Washington ziehen. Um Scheidewege. Novelle von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Rudolph mahnte wiederholt zum Aufbruch und endlich ließ sich auch Hermann dazu bewegen; er taumelte ein Wenig, als er ausstand und der Oberförster rief ganz erfreut: „Du bist ja betrunken!" „Bitte, nicht kitzeln!" entgegnete der Leibjäger mit weinschwerer Zunge, „ich bin noch sehr nüchtern." Er trat ans Fenster, ließ sich den kühlen Abendwind um die Stirn fächeln nnd starrte auf den Wald, der sich an dieser Seite bis dicht an das Försterhaus heran drängte. Hermann sah den Wald in einen leichten Nebel gehüllt, allerhand Gestalten tauchten vor ihm auf. Er sah den Grasen um die Hütte schleichen, ein junges Mädchen schlüpfte durch das Gebüsch. — Der Leibjäger fuhr sich mit der derben Hand über die Augen, er ahnte nun selbst, daß er zu viel getrunken habe und griff in seine Tasche, um sich den Schweiß abzutrocknen, da fiel ihm der vor der Hütte gefundene Handschuh zu Füßen. Er hob ihn rasch auf und schlug sich vor die Stirn: „Das hätte ich bald vergessen", murmelte er vor sich hin. Er schien plötzlich nüchtern geworden zu sein und schickte sich jetzt mit aller Sicherheit an, von dem Oberförster Abschied zu nehmen. Meinhardt war den Bewegungen des Leibjägers mit den Augen aufmerksam gefolgt; auf seinem Gesicht prägte sich deutlich die Ver achtung aus, die er gegen Hermann hegen mochte, und dennoch schüttelte er ihm jetzt die Hand und sagte beinahe freundlich: „Gute Nacht, Schwager." Wanda hatte mit Rudolph ruhig lehhaft weiter geplaudert; als sich Hermann zu ihr wandte, zog wieder eine Unmuthswolke über ihre Stirn. „Hast Du vielleicht diesen Handschuh verloren?" fragte dieser rasch und hielt seiner Verlobten den Handschuh hin. Seine Augen ruhten dabei scharf nnd forschend ans dem Antlitz des jungen Mädchens. Trotz der Dämmerung würde er ihr leisestes Erröthen be merkt haben. Wanda warf nur einen flüchtigen Blick auf den Handschuh, sie zuckte nicht mit den Wimpern und entgegnete ruhig: „Du weißt, Herrmann, daß ich nie etwas verliere." „Aber ich habe ja erst vor Kurzem solche stahlgrüne Handschuhe bei Dir gesehen, war dessen rasche Antwort, den der genossene Wei» in eine inuthige Stimmung besetzt haben mochte. Seine Augen nahmen einen noch forschenderen Ausdruck an. Wanda's Antlitz verrieth auch jetzt nicht die leiseste Bewegung, sie schüttelte nur das Haupt und wandte sich ab, als sei sie müde, weitere Aufschlüsse zu geben. Zu jeder anderen Zeit würde Hermann durch ihr stolzes Schweigen eingeschüchtert worden sein, heul' wagte er das Aeußerste und fuhr hartnäckig fort: „Du mußt mir darüber die Wahrheit bekennen, ich fordere es von Dir, mein Lebensglück hängt davon ab." Ju größter Spannung ruhte jetzt sein Blick auf den Lippen Wanda's. Ihre Augen schienen förmlich größer zu werden und schauten in stolzer Verwunderung auf den Verlobten, um ihre Lippen spielte eilt finsteres Lächeln. „Hermann", rief sie entrüstet, was erdreistest Du Dich?" Er wollte etwas entgegnen, aber der Oberförster rief jetzt lachend: „Nimm mirS nicht übel, mein Junge, Du bist ein Narr, daß Du wegen einer solch albernen Kleinigkeit solchen Spektakel machst. Sieh in ihr Handschuhkästchen, da wirst Du jedes Paar vollzählig finden." Meinhardt sprang auf, holte das Handschuhkästchen herbei und warf die einzelnen Paare auf den Tisch. Der Leibjäger hatte rasch die Handschuhe überblickt, es fehlte kein einziger, nnd das eine Paar hatte dieselbe grüne Farbe wie der gefundene Handschuh. „Bist Du nun beruhigt?" fragte der Ober förster spöttisch. „Aber was treibt Dich denn, wegen eines albernen Handschuhes Lärm zu schlagen? Merke es Dir nur, Wanda ist zu stolz, um sich vor Dir zu rechtfertigen, sobald Du drohst." „Kannst Du mir verzeihen, Wanda?" bat Hermann, dessen Arg wohn rasch verschwunden war, und der nun mit allen Mitteln den Uumuth seiner Braut beschwichtigen wollte. Ihre Hände ergreifend und sie an seine Lippen pressend, fuhr er lebhaft fort: „Sich' ich hab Dich ja so lieb, nun bin ich wieder ruhig und glücklich. Ich sand den Handschuh bei der Mooshütte und ich dachte — ich glaubte —" er stockte und blickte verlegen vor sich hin; so entging ihm die flüch tige Röthe, die Wanda's Wangen bedeckte. „Und nicht wahr, damit ich sehe, daß Du ganz versöhnt bist, giebst Du mir zum Abschied einen Kuß?" Ein leiser fast unhörbarer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Sie legte die Hand aufs Herz, als wolle sie ein änfwallendes Gefühl Niederkämpfen und nun ließ sie es ruhig geschehen, daß Hermann einen Kuß auf ihre Lippen preßte; aber eine Todtenblässe bedeckte ihr Antlitz, alles Leben schien aus ihr entflohen zu sein. „Lebe wohl, meine süße liebe Braut" sagte Hermann und seine Augen rnhten mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit auf der aumulhigen Mädchengestalt.