Volltext Seite (XML)
Woche-MM für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, SLebenlehn und die Umgegenden. Amtsö^att für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erschei.it wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittags 12 llhr. Nr. 94. Dieilstag, den 28. November 18761 Tagesgeschichte. Die Commission für den NeichShaushaltsetat hat beschlossen, beim Reichstage den Antrag zu stellen, daß die einmaligen Ausgaben zum Neubau des Casernements für die von Pirna nach Dresden zu ver legenden zwei Escadrons des Gardereitcrregiments (erste Nate) 250,000 M. bewilligt werden in der Voraussetzung, „daß gegen Rückgabe der früher» Militärgrundstücke an den königlich sächsischen Staatsfiscus die neuen Militäretabliffcments ausschließlich aus sächsischen Staats mitteln den bestehenden Voranschlägen entsprechend zur Ausführung gelangen." Freiberg, 22. November. Aus der letzten außerordentlichen Generalversammlung des hiesigen in letzter Zeit so vielgenannten Darlehnsvereins, die gestern stattgefunden hat, sind vor Allein die Zahlen bemerkenswerth, welche die nun fcstgestellte Bilanz ergeben hat. Diese ergibt an Abschreibungen die enorme Summe von 1,146,183 Mark, als 596,143 M. auf die Muldenthal-Papierfabrik, 237,460 Mk. auf die beiden insolventen Direktoren dieser Fabrik, 40,448 Mk. auf den ebenfalls insolventen Director des Darlehns- vcreius, Robert Mehnert, entfallend. Weiter waren von den Effecten 1 >4,655 Aik. Coursverlust seit I. Januar d. I. abzuschrcibcn. Das Gewinn- und Verlust-Conto weist ein Deficit von 573,384 Mk. auf, mithin pro Kopf ca. 340 Mk. Die bisherigen intrimistischen Direc toren wurden intrimistisch auch weiter mit der Führung dieser Ge schäfte betraut und außerdem ein neuer Verwaltungsrath gewählt. Lommatzsch. In der hiesigen ersten Bürgerschule ereignete sich folgender Vorfall, der zur Vorsicht mahnen mag. Vor vierzehn Tagen wollte der Schüler Richter mit der Stahlfeder in dem Tintenfaß des Schülers Schümichcn, welcher auf einer andern Bank seinen Platz hat, eintauchen, was ihm aber nicht gestattet wurde, indem Schümichcn die Hand aufs Tintenfaß hielt. Richter aber wollte es erzwingen und stach Schümichcn mit dcr Feder tief in den rechten Zeigefinger. Dieser Vorfall blieb unbeachtet, bis am Sonnabend Vormittag, also acht Tage später, nicht nur der rechte Zeigefinger, sondern auch bald dcr rechte Ärm anschwoll, so daß Schümichen aus der Schule nach Hause geschickt werden mußte. Trotz sofortiger ärztlicher Hülfe hatte die Geschwulst sich auf die rechte Brust und Seile erstreckt, so daß am Montage das Leben des Schümichen in Gefahr stand. Am Dienstag hat sich jedoch der Zustand gebessert und nach dem heutigen Befinden kann man annehmen, daß Schümichen vollständig genesen wird. Mit dem Leipziger Carneval scheint cs Matthäi am Letzten zu sein. Die Thatsachc, daß die Bchürde einen öffentlichen Carncvals- zug nicht gestatten wird, zieht der Carnevalsgcsellschaft die Füße unterm Boden weg und hilft vollenden, was das Gebahren am 2. Narrcnabcndc des vorigen Carncvals angebahnt hat. Ohne Carne- valszug gibt es keinen Fremdcnzug, ohne diesen keinen bedeutenden Geldumsatz und wieder ohne diesen keinen spcculativen Opfcrmuth, folglich — wird man in Leipzig mit dem Jahre 1877 ein 10jähriges Narrenthum wohl zu Grabe tragen. Von der Nationalbank des Großherzogthums Luxemburg sind neuerdings Banknoten ausgcgeben, die auf Reichswährung lauten und zwar in Stücken von 5, 10 und 20 Mark. Die Verwendung solcher Banknoten zu Zahlungen ist im Deutschen Reiche mit Geldstrafe von 50—5000 Mk. verboten. Die Petersburger Zeitung berichtet: Deutschland hat uns nicht nur unbedingte Neutralität im Falle eines Krieges zwischen der Tür kei und Rußland, sondern auch sogar versprochen seine Armee an die österreichische Grenze rücken zu lassen, wenn Oesterreich es für nöthig crackten sollte, den Widerstand dcr Türken mit Waffengewalt zu unterstützen. Mit diesen Nachrichten fallen die in Petersburg ver breiteten Gerüchte zusammen, daß eine Mobilisirung der Truppen im Petersburger Militärbezirk nicht Zu erwarten sei. Der Geschäftskrisis in Rußland ist in Folge des Bankerotts der Moskauer Bank und der Kriegsgefahr ungeheuer. 43 Personen in Moskau haben mit 26Vs Millionen, 20 andere mit unbekannten Summen, 12 Personen in andern Städten mit 7Vs Mill, und 200 Leute mit unbestimmten Summen Bankerott gemacht. Es herrscht Panique d. h. allgemeiner Schrecken. Eine Petersburger Correspondeuz des „Pester Llohd" sagt: Der Krieg sei bis zu dem Zeitpunkte anfgeschoben, bis alle Ostseehäfen zugefroren sein werden, was in circa 14 Tagen geschehen dürfte. Dann werde ein Eingreifen Englands nicht mehr gefürchtet. Was die Häfen des Schwarzen Meeres betrifft, so sind alle mit Torpedos versehen. Bezüglich weiterer Details zur Kriegsrüstung in Süd-Rußland schreibt man aus Odessa, 12. November: Es wird nun auch zur Mobilisirung eines Theiles der Ural'schen Kosaken geschritten. Die selben sollen theils der Süd-Armee, theils der Caücasus-Armee zu- gethcilt werden. Die Civilverwaltung in Bessarabien wird vom 1. December an demfObercommando untergeordnet, ohne daß der Belager ungszustand verkündet werden soll. Es langen mit den Bahnzügen Massen kurzer Pelze hier ein, welche für die Armee bestimmt sind und unverzüglich nach Kischeneff weiter befördert werden. Die Hälfte der Schiffe dcr „Gesellschaft für Handel auf dem schwarzen Meere" werden für Kriegszwecke adaptirt. Sic sind ursprünglich darauf eingerichtet, um auch als Kriegsschiffe im Hafendienste verwendet werden zu können. Jedes dcr hierzu bestimmten Fahrzeuge wird mit je 6 Kanonen aus gerüstet. Die Avantgarde der Südarmce, aus 3 Divisionen Infan terie, 12 Sotnicn Kosaken, 4 Escadronen Uhlanen und 8 Batterien bestehend, soll am 25. November die Besetzung der Pruth-Linie ein leiten, die Studirenden des 5. Jahrganges dcr Petersburger medicinisch- chirurgischcn Acadcmie, wie auch jene der Universitäten von Charkow und Kiew sollen als Assistenzärzte den Spitälern zur Dienstleistung zugewiescn werden. Aus der nunmehr veröffentlichten Unterredung des Kaisers Alexander mit Lord Loftus entlehnen wir folgende Stellen, die von besonderer Wichtigkeit sind. Das Ultimatum, sagte der Kaiser, sei veranlaßt worden durch die Nachricht von dcr vollständigen Nie derlage des serbischen Heeres und durch seine Befürchtung, es könnten darauf ähnliche Greuelthaten folgen wie die in der Bulgare!. Der Kaiser wiederholte den Wunsch, daß die Conferenz Zusammenkommen und auf dcr Basis der englischen Vorschläge in Bcrathung treten möge. Dcr Kaiser berief sich darauf, daß seines Vaters Heer 1829 nur noch wenig Tagcmärsche von Constantinopel gestanden und cr doch Frieden geschloffen habe, — ein Beweis, daß Rußland nicht nach dem Besitze dieser Hauptstadt strebe. Eine russische Eroberung Indiens sei eine Unmöglichkeit. Die Proclamirung Milan's als König — eine That des Heeres — habe er, der Kaiser, sofort miß billigt. Die Errichtung eines Königreichs Serbien oder Rumänien wäre cine „Narrheit." Betreffs der russischen Freiwilligen bemerkte dcr Kaiser: cr habe russischen Offizieren gestattet, nach Serbien zu gehen, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie den russischen Dienst verließen; dadurch habe er geglaubt der großen Aufregung in Ruß land selbst eine Ableitung zu geben. Das „Wiener Frcmdcnbl." erhält von einem Oesterreicher, der die an Griechenland grenzenden Provinzen der Türkei bereist hat und von dort eben zurückgekehrt ist, Mittheilungen über die dortigen Zu stände. Darnach erwartet man dortsclbst unbedingt einen Zusammen stoß zwischen dcr Türkei und Griechenland. Seit Mitte October sind Massen von Waffen mich Epirus und Thessalien geschmuggelt worden. Die türkischen Behörden wissen das, aber sie vermögen nichts dagegen zu thun. In Prevcsa, Arta und anderen Slädtcn sind Waffenmagazine ctablirt, ebenso in Janina. Brandschriftcu circuliren unter der griechischen nicht minder als unlcr dcr türkischen Bevölkerung, und die Muselmänner, die allgemein der Uebcrzcugung sind, dah das Ende ihrer Herrschaft nahe sei, sagen ganz laut, man müssp den Christen dortselbst das Prävenire spielen und sie behandeln, »'pie man ,die Pul garen behandelt habe, Besonders fn Janina derartige Droh-