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rowitza ist aber von den Serben noch nicht erreicht worden. Bei Zwornik im Westen sind die Serben auf die Defensive angewiesen, und Alimpits, der schon seit geraumer Zeit im Nordwest vor Bjelina operirte, Hal wohl Slreifcorps weit nach Bosnien hereingescndet, hat jedoch ebenfalls noch keine großen Fortschritte mit seinem eigentlichen Truppencvips gemacht. Ein Belgrader Telegramm vom 15. Juli besagt hierüber: „Alimpits hat ein Freiwilligencorps von 11,500 Mann sormirt, welches, in Streifcolonncn getheilt, die Jnsurgirung Bosniens bis Travnik unternahm. Wie Alimpits meldet, ist Klcin- zwornik in serbischer Hand. Das Bombardement Großzworniks soll Montag beginnen." Auch im Osten bei Saitschar ist der serbische Coinmandant Leschjanin auf die Defensive beschränkt, nachdem sein letzter Angriff auf die türkischen Verschanzungen bei Veliki Jsvor ab- gewiescn. Das wichtigste Ereigniß aus der Türkei ist die Mobilmachung Rumäniens. Die rumänische Regierung hat am 12. d. in Con- stantinopel eine Note überreichen lassen, in welcher sie als Entschä digung für die Opfer, welche der Krieg Rumänien an der Grenze anserlege, Folgendes verlange: Erstens das Recht, mit dem Aus lande selbstständig Verträge abzuschlicßen, zweitens das Aushören der Tributzahlung und drittens mit Rücksicht auf die commerciellen In teressen Rumäniens die Abtretung der Sulina - Mündungen. Die Rumänen scheinen also die günstige Gelegenheit benutzen zu wollen, ebenfalls die türkische Vasallenschaft abzuschütteln, und man wird demnächst auch die Rumänen auf dem Kriegsschauplätze erscheinen sehen. Der Krieg soll jetzt schon mit unerhörter Grausamkeit geführt werden. Die verschiedenen Völkerschaften wüthen schrecklich gegen einander. Ein Augenzeuge schreibt vom Kriegsschauplätze: „Das ist nicht mehr der Krieg, das ist die Verwüstung und Ausrottung, wie sie zur Zeit der Völkerwanderungen geübt wurden. Die Gluth des Racenhasses ist emporgeflammt zur Hellen Lohe und versengt Alles was in ihren Bereich fällt. Nicht mehr die Armeen kämpfen gegen einander, sondern Alles was Mensch heißt und leider ost nicht Mensch ist, mordet und vertilgt sich gegenseitig und vernichtet alle Güter und Werthe des Lebens in grenzenloser, unerhörter Barbarei. Der Fana tismus hat die Sinne der Menschen verwirrt, sie in Schacale und Hyänen verwandelt und namenloses Weh und unsagbaren Jammer über diese unglücklichen Gegenden und ihre armen Bewohner ge bracht. . . ." Wie auch aus Wien gemeldet wird, schildern sämmtliche Kriegs berichte die unerhörte Gräßlichkeit des jetzigen Krieges. Beiderseits ist der Fanatismus im höchsten Grade entfesselt. Man hält deshalb die Einmischung der Mächte für unausbleiblich. Der serbische Oberst Jsmatloff hat Wien verlassen, um ein Handschreiben Milan's an den Czaren zu überbringen. Angeblich wird eine gemeinsame Kundgebung der Großmächte vorbereitet, um die Türkei zu einer humaneren Kricgssührung zu veranlassen. In Wien hat am 17. d. M. Nachmittags IV- Uhr ein Erd beben stattgefunden. Zahlreiche Schornsteine sind durch die Er schütterung eingestürzt und viele Gebäude erhielten Risse und Sprünge. Nirgends ist indeß ein besonderer Unfall zu beklagen. Jie Kand. Historische Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Zwei Höse." „Schein und Sein." (Fortsetzung.) Die Nähe ihres Sohnes that Wunder. Der Geist der armen Frau wurde immer lichter und freier, und am Hochzeitstage des Hungen Paares schlich schon das erste, so innige Lächeln über dies bleiche Antlitz und verkündete völlige Genesung. Ludwig hatte nach der Hochzeit darauf gedrungen, die Heimreise nach Vrieg über Sprottau anzutreten, um die Spielplätze seiner Kindheit aufzusuchen und den alten Schmiedeleuten sein ungewöhn liches Glück zu verkünden. Waren Sie auch in einer befangenen Stunde rauh und unfreund lich gegen ihn gewesen, er hatte ihnen ja doch so unendlich Vieles zu verdanken, und auch Margareths weichem Herzen that es wohl, die guten Menschen kennen zu lernen, die ihre» Sohn ausgenommen und liebevoll gepflegt, um vielleicht in Etwas ihre große Schuld, die nur ein liebend Mutterherz würdigen konnte, abzutragcn. Die Gesellschaft langte in der glücklichsten Stimmung vor dem Schmiedchause an, in dessen Thür schon der von dem Geräusch her beigelockte Schmied stand und vor dem hohen, seltenen Besuch ehr erbietig das Käppchen zog, um seine Besehle zu erwarten. Gewiß gab's eine kleine Arbeit. Der kleine Zug hielt und Ludwig rief lachend aus: „Kennst Du mich nicht; jo müssen die wenigen Jahre Euren Ludwig sehr verändert haben." Der Schmied blickte jetzt schärfer hin, aber er wollte kaum seinen alten Augen trauen, das waren wohl die Züge Ludwigs, — jedoch das kostbare Kleid — die Ritter im Gefolge, — daraus sollte ein Anderer klug werden, und er lies, ohne ein Wort zu antworten, Völlig außer Fassung gebracht, in die Wohnstube, um seiner Frau und Tochter die Ankunft solch' wunderlicher Gäste mitzutheilen. Diese stürzten mit weiblicher Neugierde heraus und blieben in eben dem maß- und sprachlosen Erstaunen als der Schmied. „Nun Leute, seid Ihr toll?" jubelte der Reiter, vom Pferde 1 springend und sie Alle umarmend. „Kennt Ihr den Ludwig, der Herzog geworden ist, nicht nur Graf?" „Herzog?" riefen die Drei wie aus einem Munde, „das ist nicht möglich." „Und hier bringe ich meine junge Frau, die Tochter des Herzogs Heinrich von Glogau," fuhr der Glückliche erläuternd fort. Die verwunderten Blicke wendeten sich jetzt auf die Bezeichnete, von deren Schönheit das ganze Land erzählt, und die Wahrheit der Wundermähr begann in den vor Erstaunen starren Herzen Eingang zu finden. Boleslaus mit Margareth und dem Herzog Heinrich waren jetzt ongekommcn und stiegen ebenfalls vom Pferde, und damit begannen die Schmiedeleute die fremde ungewöhnliche Scene ganz zu fassen. Es war kein Trug — volle, blühend üppige Wirklichkeit, wie sie das des Ausführlichsten aus dem Munde des überglücklichen Ludwig er fahren sollten. Das war ein Leben, eine volle, herzerquickende Seligkeit, was man da alles zu sagen, zu erzählen und mitzutheilen hatte. Das Vergangene war vergessen, und als der Schmied daran erinnerte nnd gestand, wie sehr er es bereut, seinem armen Ludwig wehe gethan zu haben, wie er dann später die Schlechtigkeit Georgs eingesehen und darum auch geahnt, daß nur dieser der Verläumder und Betrüger, entgegnete Ludwig freundlich: „Laß das; wäre denn Alles so gekommen, wenn nicht Georg mich aus Eurcm stillen Hause getrieben? Ich schulde ihm sonach mein Glück, wie wenig redlich er's auch gemeint, und dann, der arme Mensch Hal es büßen müssen; wir flnd versöhnt!" Die Schmiedcleule fragten erstaunt nach den ferneren Schicksalen Georgs und als sie von dessen Tode hörten, schien ihnen eine rechte Last vom Herzen gefallen zu sein. Jetzt erst sah Ludwig sich seine alten Freunde näher an. Welche Veränderungen hatte das Auftreten dieses einzigen Menschen hervorgebracht! Ulrike war nicht mehr das spielende Kind, ein strenger, herber Zug spielte jetzt nm die früher nur lächelnde» Lippen. Es mußten harte Kämpfe gewesen sein, sie mußte viel gelitten und geduldet haben, ehe sich solch' ein ticser, unfreundlicher Ausdruck in ihr Gesicht cingcprägt. Und war das Wiedersehen Ludwigs nicht auch ein bitterer Tropfen mehr in ihr vergälltes, vergiftetes Leben? Sie sah ihn, de» sie zu schlecht befunden und zurückgesetzt, hoch über sie hinwegragen, sich im vollsten, reichsten Strahl des Glückes sonnen, während über ihr Leben nur eine ewige Nacht ausgebreitet schien, die immer dichter und dichter sich zusammenzog. Wenn sie ihm damals ihre Hand gereicht, dann war sie jetzt eines Herzogs Weib; so thöricht, possenhaft der Gedanke, so quälend war er doch, denn er kam ja aus einem eitle» Weiberherzen. Auch der Schmied hatte in den drei Kummerjahren mehr gealtert, als in zehn glücklichen vorher. Des Bürgers glänzendes Ziel und Streben ist die Erreichung eines gewissen Wohlstandes. Darnach wird gerungen und gedarbt. Geht diese Aussicht durch einen tückischen Schlag des Schicksals ver loren, dann sinkt der früher so Streb- und Arbeitsame muthlos zu sammen und überläßt sich dem Treiben seines dunkeln Geschicks. So war es dem Schmied ergangen Georg halte sich des Ackerbaues befleißigen wollen und zu diesem Zweck vom Schwiegervater die sämmtlichen Ackerstücke geschenkt er halten. Das war freilich sehr übereilt — denn kaum war der Erstere im Besitz derselben, als er eines nach dem andern zu verkaufen be gann. Anfangs hatte er bei den Ermahnungen des Schmiedes noch Vorwände, da wollte er besser gelegene Ländereien erwerben, aber als der Schmied sah, daß die schöne» Ackerstücke seine nie rastende Gurgel verschlang, da gab es heiße Kümpfe. Georg lenkte dann gewöhnlich ein, versprach Besserung, bis er mit dem Kaufschilling deS letzten Ackerstückes selbst verschwand. Dem Schmied wurde mit seinem Wohlstand auch Frieden, Ge sundheit und gute Laune untergraben, sein Stolz und mit ihm seine Lebensfreude war gebrochen, er hatte der Rathsherrnstelle entsagt, weil ihm der seines Druckens nach nöthigc Ncichthum fehlte, und still und in sich gekehrt, mied er seine Mitbürger, um nicht, was ihn am tiefsten verwundete, beklagt zu werden. Die Lust zum Arbeiten, mit ihr der Verdienst, siel weg, und er war der Verarmung nahe. — — Nur die gute Schmiedefrau hielt in Noth und Unglück aus. Sie war nicht nur dieselbe geblieben, sondern noch emsiger, geschäftiger geworden, und mit ihrem liebesorgcnden Herzen suchte sie ihre Um gebung aufzuhcitern und glücklich zu stimmen, so viel sie es vermochte. Sie murrte nicht, wenn manch ackmütterlichcr, werthvoller Hausrath hinauswandern und geringerem Platz machen mußte. In neuester Zeit war cs durch den Beistand eines wackeren Ge hilfen, der ganz in der Stille um die verlassene Ulrike warb, wieder etwas besser gegangen, das hatte diese eingesehen und deshalb den Gedanken einer Verbindung mit ihm nur ungern von der Hand ge wiesen. Die Nachricht von dem Tode ihres Mannes konnte daher keine Wunde schlagen, mußte ihr vielmehr neue Lebenshoffnung geben, denn damit war jedes Hemmniß beseitigt und sie konnte dem treuen Ge sellen Herz und Hand bieten. Boleslaus bot nun dem Schmied ein ansehnliches Geschenk, das dieser., obwohl zögernd, annahm.