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Zurück, die Herren könnest beruhigt sein." Das Ausiehen des Kaisers entsprach seinen Wortes — Als beide Kaiser bei Tatet saßen, traf auch Kaiser Wilhelm ein mit einer telegraphischen Begrüßung. — Würzburg ist die dritte Station der orientalischen Frage, soweit sie Deutschland angeht. Es will schon etwas heißen, wenn Kaiser Wil helm seine streng geordnete Reise nach Baden und Gastein plötzlich unterbricht, einen Abstecher nach Würzburg macht und dahin seinen Kanzler aus der Badekur abrust, um von ihm zu erfahren, was in Reichstadt beschlossen worden, und mit ihm zu berathen, welche Politik für Deutschland an der Reihe ist. Seinem Kaiser gegenüber ivird der Kanzler endlich seinen Visir öffnen und das Schweigen über ^eine Ansichten und Pläne brechen, das alle Großmächte nervös und unruhig macht. Kaiser und Kanzler haben Montag Nachmittag im Gasthof zum Kronprinzen Absteigequartier genommen, man sagt, nöthigenfalls für zwei Tage. König Ludwig hatte dem Kaiser sein Schloß und seine Tafel, seine Pferde und Wagen und seinen Oberst hofmarschall Grafen Holnstein angeboten, der Kaiser hat aber alles dankend abgelehnt, da er im strengsten Jncognito in Würzburg bleiben will. Der A. A. Z. telegraphirt man aus Wien, 8. Juli: Aus bester Quelle verlautet mit aller Bestimmtheit, daß England und Rußland sich mit Frankreich und Oesterreich dahin verständigt haben, den Krieg zwischen Serbien und der Türkei zu lokalisiren und, im Fall ersteres Sieger bleibt, dessen Unabhängigkeit von der Pforte zu erwirken. Die Constantinopler „Correspondance Orientale" erzählt von einer geheimen Vehme, welche in der türkischen Hauptstadt existier» soll und welche dem Sultan Murad deu Tod geschworen habe. Die genannte Correspondenz schreibt: „Die Verschwörung, die man schon bei der ersten Nachricht von dem Attentate Hassan's als war- scheinlich annahm, cxistirt, sie ist seit den zahlreichen Verhaftungen, die dem Ministermorde folgten, zur Gewißheit erhoben. Mehr als 300 Personen von dem früheren Palastpersonale sind verhaftet worden. Von ihren Aussagen, von ihrem Verhöre erfährt man nichts, aber jeden Tag wird man im kaiserlichen Palaste ängstlicher, jeden Tag vermehrt man die Vorsichtsmaßregeln in der Umgebung der kaiser lichen Wohnung und der Souverän zeigt sich nicht mehr dem Publikum. Man bestätigt, daß die Moschee, in welcher die Ceremonie der Schwertumgürtung stattfinden sollte, unterminirt worden sei. Jeden falls existirt das Complot." Die Kand. Historische Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Zwei Höse." „schein und Sein." ^Fortsetzung.) So viel der Schloßhos Leute fassen konnte, soviel standen neu gierig umher, um auf das ungewohnte Schauspiel zu sehen. Alles war jetzt vorbereitet zur schmachvollen That; die Herzogin gab ein Zeichen — von zwei Henkersknechten begleitet, schwankte Georg auf den Richtplatz, und wenn man nicht in seiner Hand das blanke, fun kelnde Schwert gewahrt, man würde versucht gewesen sein, ihn für das Opfer und den so ruhig dastehenden Vollstrecker des Unheils zu halten. Ein lautloses, tiefes Schweigen trat ein, Aller Augen ruheten erwartungsvoll auf den in der Mitte Stehenden. Hedwig trat noch einmal an den Geliebten heran und sah ihm fest und ruhig ins Gesicht, ins Auge. Kei» Zucken ihres Mundes ver- rieth den wilden Schmerzensaufjchrci ihres Herzens und sie sagte wit weicher, klangvoller Stimmme, Lie nicht das mindeste Zittern ver- rieth: .„Leb' wohl, Ludwig! Verzeih', daß ich Dich nicht retten, — nicht glücklich machen konnte, trotz meiner heißen, unendlichen Liebe!" ,Ieb' wohl, Hedwig! wie ist der Tod so süß, wo's keine, keine Hoff nung gab!" erwiderte Ludwig. Mit eisigem Lächeln blickte die Kroatin auf die Scene, während von manch gebräunter Wange eine Thräne der Rührung hernieder floß; denn gerade solch festes ruhiges Ausharren im Unglück, das packt und erschüttert die starren Herzen. „Jetzt an Dein Werk, Herr Ritter!" herrsche die Unbeugsame Georg zu, der in Verzweiflungsqual vergeblich nach Haltung und Fassung zu ringen versuchte. Ludwig kniete auf den Holzblock nieder, den Todesstreich zu em pfangen, nachdem er seinem Henker vorher die Hand geschüttelt und lächelnd gesagt: „So thust Du mir doch noch einen Freundschafts dienst, redlicher, lange verkannter Mann, nun säume nicht!" Tie Kroatin lächelte über den Jrrthum des Verurtheilten dämonisch und hätte ihm so gern auch diesen süßen Wahn benommen, wenn sie gedurft, doch die Zeit drängte und sie herrschte jetzt dem Ritter zu „Rasch, rasch, wir haben nicht Lust zu warten!" Georg hob gedankenlos das Schwert, blickte noch einmal auf, wie ein Ertrinkender, der nach einem Strohhalm ausfpäht, und ließ den Arm wieder sinken. „Bist Du toll?" wüthete die Herzogin, „soll ich Dich mit Ruthen peitschen lassen?" Es mußte geschehen — er faßte entschlossen, kräftiger das Schwert' — da plötzlich erblickte er Boleslaus aus dem Thore des Schlosses tretend und sogleich schoß ihm blitzschnell ein Gedanke, der sie Alle retten mußte, durch den Kopf. Der Herzog hatte von einem Fenster seines Schlosses aus dem Schauspiel zugefehan und kam jetzt in der Absicht, dem aufs Höchste getriebenen Spiel eM Ende zu machen.— Für einen Fluchtversuch war der Lod doch allzu graufam, uno schon diese ernste Drohung Strafe genug. Dem Willen seiner Frau war Genüge gethan, und er wollte jetzt dem Gefangenen unter dem Beding, in feine Dienste zu treten, Leben und Freiheit schenken. Noch ehe die Kroatin de» Herzog gewahrt, rief Georg, dem der drängende Augenblick ungewöhnlichen Muth verlieh, mit lautschallender Stimme: „Boleslaus rette Deinen Sohn, der Verurthcilte ist Ludwig, den Du so lange gesucht." Die letzten Worte schon crstarben auf seinen Lippen, denn der Dolch der wüthend auf ihn zugesprungenen Kroatin saß ihm tief in den Nippen: „Hier Deinen Lohn, Du elender Wurm!" schäumte sie, ihrer Sinne kaum mächtig. Das war so blitzschnell, so unerklärlich an den Zuschauern vor über gegangen, daß diese kaum den Vorgang wahrgenommen. Der Herzog trat jetzt auf die Scene; zum erstenmal überkam ihn ein tiefer Abscheu vor dieser blutgierigen Megäre. „Was ist hier vorgefallcn?" fragte er finster und streng. Der auf den Boden gesunkene Georg versuchte zu spechei: und stammelte: „Nette Deinen Sohn!" Die Kroatin versuchte vegeblich ihn zu überschreien. Der Herzog, aufmerksam geworden, gebot ihr rasch und ent schlossen Schweigen und beutge sich über den Sterbenden, um sein Geflüster zu verstehen. Dieser zeigte auf den befremdet dareinschauendcn Ludwig und wiederholte: „Ls ist Dein Sohn, Dein verlorener Lud wig — ich sollte ihn tödten, die Kroatin wollt's, o hätte ich sie nie gesehen!" Dann drückte er krampfhaft die Hand auf die Brust, wie um den hervorquellenden Bluistrom zu stillcu. „Georg, fasele nicht solch dummes Zeug — rede vernünftig — das wäre mein Sohn?" entgegnete der Herzog halb zweifelnd, halb hoffend. „Nus' ihn nur her und ziehe sein Hemd von der Brust," keuchte Georg mühsam hervor; „das Maal!" „Ha, wär' es möglich? das Maal! Mit diesem Ausruf stürzte Boleslaus aus Ludwig zu und jubelte gleich darauf, als er das Maal erblickte, mit tief aus dem Herzen kommender Slimm': „Gefunden! mein Sohn, mein Sohn!" Er umarmte ihn unter Thränen freudiger Rührung, kniete dann nochmals vor Georg nieder und fragte wieder holt: „Ist er auch wirklich mein Sohu?" „Zweifelst Du noch? ich hab's genau erforscht und schwöre Dir bei Allem, was heilig." „Ja, es ist wahr, mit einer Lüge auf den Lippen geht man nicht aus der Well!" erwiderte Boleslaus, und fügte, zu Ludwig gewendet hinzu: „Dank es dem armen Burschen, daß ich Dich gesunden, Du längst verlorener, Sohn!" „Nein, mir nicht — jetzt büße ich meine Schuld, o verzeihe, Lud wig, sie war größer als Du geahnt." Nach diese» Worten sank Georg zurück, ein Blutstrom quoll aus seinem Munde, ein heftiges Aufzuckcn, und er halte die schuldbeladene Seele ausgehaucht. Plötzlich hörte man heftiges Sturmläuten, — der bestürzt da stehende» Kroatin war es Musik — das mußte den Herzog ausrütteln, zu anderen Gedanken bringen und das Geschehene vergessen machen. Sie trat auf ihn zu und sagte hastig: „Der Feind dringt in die Stadt, laß hier die Thorheit — handle — kämpfe! jeder Augenblick bringt Dir Verderben." Er hörte sie nicht; der alle, seit langem von weichere», zarteren Empfindungen bewegte Mann hielt den Sohn innig umschlangen und vergaß darüber die Welt. „Nun, so will ich wenigstens mich nicht wehrlos niederhauen lassen, feiger Tropf, mir nach!" rief die Kroatin rind stürmte dann mit ihren Leuten fort, sich Vergessenheit im Kampsgcwüh! zu holen. Der Herzog blieb mit Ludwig und Hedwig fast allein zurück. „O, wenn Margareth noch lebte, welche Seligkeit wäre das für sie!" seufzte Boleslaus. „Sie lebt!" mit diesen Worten trat Hedwig, die bisher schweigend den seltsamen Auftritten zugesehen, auf den Herzog zu, der, sich selbst und Alles vergessend, nur auf die Erzählung seines Sohnes hsrte, um jedes Wort zu merken, das ihm sein Glück, den Sohn vor fich zu haben, vergewissern mußte. „Sie lebt?" rief Boleslaus glücklich überrascht aus, „mein Gott, ein solches Glück wird ja ihr schwaches Herz nicht fassen, und ist sie wieder gesund?" Hedwig schüttelte traurig das Haupt. Aber Boleslaus entgegnete mit Zuversicht: „Dann wird sie es werden, ich hoffe es!" „Und Du hast meinen 'Sohn retten wollen," wandte er sich wieder an Hedwig. „O, das ist groß, das ist schön! Ludwig, das darfst Du ihr nie vergessen, und nun ist Alles gut, wir sind im Hafen!" Ludwig machte ihn jetzt darauf aufmerksam, daß vielleicht der Feind wieder stürme und es Zeit zum Kämpfen sei. „Wozu, Ludwig?" entgegnete der Herzog, „schade um jeden Tropfen unnütz vergossenen Blutes. Ihr Beiden sichert mir den Frieden. Ich will Hinaus und dem Kampfe ein Ende machen." Er wollte fort, aber schon stürzte die Kroatin bleich und blutend auf ihn zu und rief: „Wir sind verloren!" um dann erschöpft zu sammen zu sinken. Ihr folgte aus dem Fuße eine Schaar Gewappneter, Herzog Heinrich und Wenzel an der Spitze. Der Letztere hatte nach seiner Flucht sogleich dem Herzog Heinrich von dem Unglücke berichtet, der Anfangs darüber erbittert, Wenzel der Ermordung seines Kindes an klagte, dann aber wohl einsah, daß er nicht anders gekonnt und nur ritterlich gehandelt.