Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenleh» und die Umgegenden. Wmtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 54. Freitag, den 14. Juli 1876. nn m.'' — > " , > > > I Bekanntmachung. Das Tragen der Sensen auf hiesigen Straßen und Gassen ohne Schuh oder einem anderen Schutzmittel ver sehen, sowie das Treiben von Pferden, Rindvieh, rc. und Fahren mit Handwagen auf dem hiesigen Stadtgraben wird mit 8 Mark Geldstrafe oder 1 Tag Haftstrafe belegt. Wilsdruff, am 13. Juli 1876. Der Madtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Das 10. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1876 enthält: No. 50. Bekanntmachung, eine Anleihe der Seifersdorfer Papierfabrik betreffend; vom 16. Juni 1876. No. 51. Dccrct wegen der Conccssionirung der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahngeselischaft zum Betriebe der Bahnstrecke von der Sächsisch-Preußischen Landesgrenze bei Schkeuditz bis Leipzig; vom 24. Juni 1876. No. 52. Bekanntmachung, die Üebernahme der Sächsisch-Thüringischen Eisenbahn durch den Königlichen Sächsischen Staat betreffend; vom 27. Juni 1876. No. ss. Bekanutmachuug, die Üebernahme der Verwaltung der Leipzig - Dresdner Eisenbahn durch die Staatseiscnbahnverwaltung betreffend; voin 28. Juni 1876. No. 54. Landtagsabschied für die Ständeversammlung der Jahre 1875 und 1876; vom 1. Juli 1876. Gedachtes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt in hiesiger Raths-Expedition zur Einsicht aus. Wilsdruff, am 12. Juli 1876. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Die Amtsniederlegung des Premierministers v. Friesen steht, gutem Vernehmen nach, frühestens Ende September zu erwarten. Das von demselben innegehabte Nessorl des Ministeriums des Aeußcrn geht auf den Staatsminister v. Nostitz-Wallwitz, der Vorsitz im Gesammtministerium aus den Kriegsminister v. Fabrice über. Um das 12. Armeccorps dem 4. Armeecorps zu den großen im August und September stattfindenden Corpskaisermanövern ebenbürtig gegenüberstellen zu können, ist die Stärkung der Compagnien rc. des ersteren an Mannschaften nothwendig, und werden deshalb die dazu benöthigten Urlauber und Reservisten vom 26. Juli, dem Tage des Eintreffens, auf 7 Wochen in Dienst genommen. In Dresden wurden am 10. Juli zwischen 6 und 8 Uhr aus einer Wohnung unter Anwendung von Nachschlüsseln und durch Er brechung eines Schreibpultes 12(900 Mark in Staatspapieren und Banknoten entwendet. lieber Niederschöna bei Freiberg zog am 8. Juli ein schweres Gewitter. Von mehreren heftigen Blitzschlägen fuhr der erstere gegen den Kirchthurm, zertheilte sich und zerschmetterte 3 Säulen im Thurm- gebälk, drang durch die Decke in die werthvolle Silbermann'sche Orgel, beschädigte den ganzen Prospekt des Gehäuses von oben bis unten und zerstörte im Innern viele zinnerne Pfeifen, selbst etliche der größten des Prinzipals dergestalt, daß sie für jetzt unbrauchbar ist. In Reichenberg bei Moritzburg schlug am 8. Juli der Blitz in das Haus des Böttchers Roitzsch. Im Nu stand dasselbe in Flammen, ergriff ein zweites und dann »och ein drittes (Bauerngut). Sämmtliche drei Besitzungen waren in 20 Minuten in Asche gelegt. Ein weiteres Umsichgreifen des Feuers verhinderten die herbeigeeilten Spritzen der Nachbargemeinden. In den Ortschaften Langenrinne und Berthelsdorf richtete am 8. Juli ein Hagelschlag großen Schaden an den Feldern an. In Wendischbohra probte am 8. Juli um die Kirchschulstelle ein Lehrer aus Oberschaar bei Freiberg. Während des Orgelspiels ertönen plötzlich schreckliche Mißklänge; man eilt auf's Chor — und findet den Spieler vom Schlage gerührt vor. Trotz schleunigst her beigeholter ärztlicher Hülfe verschied derselbe, fern von Weib und Kindern, noch am selben Abend. Ueber eine eigenthümliche Beerdigung (bei Zwickau wird dem „CH. T." Folgendes berichtet: Für den Soldat Philipp, welcher sich selbst entleibt hatte, war auf dem Friedhöfe zu Crossen, an einem abgelegenen Orte desselben, ein Grab gegraben worden. Als im Dorfe bekannt wurde, daß Philipp, der als rechtschaffener Mensch gelebt und als solcher sich viele Freunde erworben halte, in jenem abgelegenen Grabe beerdigt werden sollte, schütteten acht junge Leute jenes Grab wieder zu, gruben dafür in Reihe und Glied wieder ein anderes, in welches Philipp von seinen Freunden und etwa vierzig Kameraden seiner Compagnie ohne Anwesenheit eines Geistlichen oder Becrdigungsbcamten begraben wurde. Der Compagnicseldwcbel hielt dem Tvdten eine Grabrede und das Grab schloß sich über der Leiche Philips.p Die erste Station der brennenden orientalischen Frage ist der Kriegsschauplatz, sie ist aber schwerlich die Hauptstation. Die Entscheidung liegt anderswo. Einem gewissenhaften Zeitungs schreiber wird es blutsauer zu berichten, was dort vorgeht und wie die Dinge thatsächlich stehen; denn Serben nud Türken berichten und telegraphiren nur, was für sie günstig ist, mit Sehnsucht gedenkt mau der knappen, aber streng wahrheitsgemäßen Kriegsdepeschen im Jahr 1870. Es hat allen Anschein, daß die Serben auf den meisten Punkten aus dem Angriff in Vertheidigung zurückgedrängt worden sind. Sie sind ihrer Zeit nicht mit concentrirter Macht gegen die türkische Hauptstellung vorgerückt, um durch Uebermacht zu siegen, sondern haben ihre etwa 80,000—100,000 starke Armee auf einer sehr langen Grenzlinie divisions- und brigadeweise verzettelt. Sie haben die Grenze nicht an zwei oder drei benachbarten Punkten, sondern an neun Punkten in neun Colonnen überschritten, an Orten, welche 5—20 Meilen auseinandcrliegen, um bei etwaigem Gelingen dieser Operation fächerartig gegen Widdin, Sophia, Novi-Bazar, Serajewo und Banjalunka auseinanderzumarschiren. Jetzt scheinen sie fast überall wieder über die Gränzcn zurückgedrängt zu sein. Eine Hauptschlacht hat noch nicht stattgesunden. — Die zweite Station der orientalischen Frage war am 8. Juli Schloß Reichstadt in Böhmen. Die Zeitungen können in der Hauptsache nur von der äußern Dekoration erzählen. Die Kaiser Alexander und Franz Joseph (mit dem Kronprinzen) umarmten und küßten sich wiederholt und tafelten und verhandelten miteinander, das letztere eine volle Stunde lang. Ob sie sich geeinigt? Man kann das allerdings aus einer Aeußerung des Kaisers Franz Joseph schließen. Als der Kaiser auf der Rückreise von Reichstadt auf der Bahnstation Aussig die Abge- geordneten Ruß und Wolfrum anredete und diese ihre Wünsche für Erhaltung des Friedens aussprachen, antwortete er heiter: „Ich kehre freudig und sehr zufrieden von meiner Unterredung mit Kaiser Alexander