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wurzeln; Diejenigen, welche religiöse Traditionen verthndigen, sind die Widersacher der Civilisatiou n. s. w. In dem betreffenden Pro- gramm heißt es weiter, daß in Deutschland Alles für die zukünftige Revolution vorbereitet sei, daß in Deutschland, dem Centrum Europa's, die Socialdcmokratie in kurzer Zeit zuerst zum Angriff werde Vor gehen können und daß ein Sieg der socialen Revolution in diesem Mittelpunkte Europa's das Signal für die allgemeine Bewegung in der ganzen civilisirten Welt fein werde. Das heißt doch wenigstens offen gesprochen! An Ueberraschungen muß man sich in unserer Zeit gewöhnen. Die neueste Ueberraschung kommt aus Salzburg und von der Be gegnung des Kaisers Wilhelm mit dem Kaiser Franz Joseph. Ser bien hat die Vermittelung Deutschlands (Ä. A. Z) nachgesucht, um Waffenstillstand und Frieden zu erlangen und mit dieser Wendung bringt man die Unterredung des Kaisers mit Bismarck in Würzburg in noch näheren Zusammenhang als mit der Reichstädter Conferenz. Der gleichzeitige überraschende Besuch des englischen Botschafters Lord Russell bei Bismarck in Kissingen und bei Kaiser Wilhelm in Würzburg soll einer Annäherung Englands an Deutschland gegolten haben. Wenn Deutschland vermittelt, so wild es nur im friedlichen Sinne vermitteln. In Rumänien lenkt man bereitsein. Der Kriegs minister selber hat Lie drohende Einberufung Ler Kriegsreserve zu zurückgenommen und erklärt, man werde streng neutral bleiben. Viel leicht sind auch da friedliche Winke aus Deutschland von Einfluß ge wesen. Es ist Thatsache, daß der Kaiser Wilhelm unmittelbar vor seiner Abreise aus Baden nach Salzburg dem Fürsten Anton von Hohenzollern einen freundlichen Besuch auf dessen stillem Schlosse Krauchenwies gemacht hat, und Fürst Anton ist der Vater des Fürsten Carl von Rumänien. Die 3 Dinge, welche man zu einem Kriege durchaus nicht entbehren kann: Geld, Geld und nochmals Geld, sind der Türket gründlich abhanden gekommen. An Kanonenfutter fehlt es ihr nicht, aber die Lassen sind leer, der Credit erschöpft, und die vielen den Feldarbeiten entzogenen Arme helfen nur redlich die Vorrathskammern vollends ausräumen, anstatt sie mit nützlicher Geschäftigkeit zu füllen. Ein bedeutender Ausfall in den Jahrcscinnahmen steht be vor. Da auch die Großmuth und Freundschaft Großbritanniens nicht so weit reicht, der türkischen Finanznoth, wenn auch nur vorschußweise, aus eigener Tasche abzuhelfen, so hat man die Bevölkerung des Reiches' aufgesorvert, derRegierung zur Führung des Kriegs mit „frei willigen Geldbeiträgen" beizustehen. Diese scheinbare Berufung an den Patriotismus ist eine neue Daumenschraube sür die besitzenden Classen. Zur Erleichterung des Geschäftsganges für beide Theile -wird in den vom Kriegsschauplätze entfernten Bezirken gleich eine bestimmte Summe ausgeschrieben, an deren Verweigerung aus be wegenden Gründen nicht zu denken ist. Ein noch kürzeres Verfahren kommt in den innerhalb des Kriegsschauplatzes liegenden Bezirken zur Anwendung. Man besetzt die Ortschaften, nimmt die wohlhabenden Einwohner gefangen und zieht ihr Vermögen ein unter dem Vor wande, daß sie es mit dem Feinde hielten. Sie müssen noch froh sein, wenn sie mit dem Leben davon kommen. Eine planmäßig ge ordnete Kriegsführung, der cs darum zu thun ist, mit kräftigen Haupt schlägen eine baldige Entscheidung herbeizusühren, bedarf jedoch nach haltigerer Hilfsmittel als eines Ptündcrungs-und Raubshstems, gleich viel ob Freunde oder Feinde dadurch zu Grunde gehen. So kann sich der Krieg mit seinen blutigen Gräueln und Verwüstungen noch in unabsehbare Länge ziehen, und wenn die Großmächte wirklich der Sache ihren ungehinderten Lauf nehmen lassen, wird der Berliner Börsenmann schließlich mit seiner Vvrhersagung noch Recht behalten, daß ein wahrer Gorilla-Krieg daraus entstehen wird. Vom Kriegsschauplatz kommen mehre Depeschen über Schar mützel, in denen bald die Serben, bald die Montenegriner, bald die .Türken gesiegt haben wollen. Sie mögen manchem Soldaten Kopf und Kragen gekostet haben, ändern aber nicht das Geringste an der Lage, die großen Schläge sind noch zu erwarten. Der große Re gisseur, der nur halb verborgen zwischen den Coulissen steht, scheint zu erwarten, daß die Schläge vernichtend auf die Serben fallen; denn er sucht den letzteren immer neue Bundesgenossen zu gewinnen und den Türken immer neue Feinde in den Weg zu Wersen. Und das ist das Gefährlichste für den Frieden; denn wie kann, wenn der Krieg immer weiter um sich greift, von der Europa versprochenen „Locali- sirung" des Kampfes die Rede sein? Schlag auf Schlag sind der serbischen Kriegserklärung gefolgt: die Erhebung Montenegros, die Verhinderung der Benutzung der türkischen Donauflvltille, die Sperr ung des Hafens von Kiek für die Türken, die Vorbereitung zur Mobilmachung in Rumänien und Drohung mit derselben in Griechen land. Thatsachen sind die beiden letzteren noch nicht. Der rothe Bratiano in Bukarest will zwar Krieg, aber in Berlin, scheints, räth man dem verwandten Fürsten nachdrücklich ab und man spricht vor läufig nur von einer stärkeren Besetzung der Grenzen. Der griechische König, dessen Frau eine Russin,, ist zwar von seinen Ministern heim- berufen, weilt aber noch in London wo man ihm schwerlich zum Kriege Zureden wird. Der Wolken aber sammeln sich immermehr — -und man kanus dem Kaiser Wilhelm nicht verdenken, daß er auf seiner Durchreise in Salzburg einem hohen Herrn antwortete: „Ich befinde mich so wohl, als die ernsten Verhältnisse es gestatten". Der kranke man ist keine Redensart mehr, der Sultan Murad -ist sogar sehr krank, und zwar krank am Geist, am Säuferwahnsinn. Deshalb hat er noch keinen Gesandten empfangen und sich das Schwert bes Propheten nicht umgürten lassen können. ES ist ein Unglück, wenn Jemand lügt, man weiß dann gar nicht mehr, wie man mit ihn: d'ran ist und ob man ihm glauben oder mißtrauen darf. Am schlimmsten aber ist, wenn sogar die Zei tungen sich vom Lügen anstecken lassen, denn wem soll man dann trauen? Der russische Kanzler Gortschakoff z. B. hat schon lange und oft belheuert, er halte das rusische Volk und Heer nur mit Mühe von einem gewaltsamen Losbruch gegen die Türken zurück. Weil aber die zünftige und unzünftige Diplomatie oft Dinge behauptet, die der Bestätigung bcdürsen, so wußte man nie recht, drängt die Negierung in Rußland das Volk oder das Volk die Negierung gegen die Türkei. Man muß sich von neuem fragen: Lüge oder Wahrheit? wenn man z. B. in der russichen Zeitung „Der Invalide" die leb haften Schilderungen liest, wie im russischen Heere der Türkenhaß in Hellen Flammen ausbricht. In Kiew war am 2. Juli die Garni son zur Feldpredigt ausgerückt, die Feldprediger schilderten die Grau samkeit der Türken so grell, daß die Soldaten riefen: Wir wollen in den Krieg ziehen! und nur mit Mühe in die Caserne zurückgeführt werden konnten. Abends beim Zapfenstreich gings erst recht los. Die Kosacken des Terckschcn Regiments hieben auf die Musik ein, weil diese spielte, obgleich Nachrichten von Niederlagen der Christen einge troffen waren. Ais sie eiugespert wurden, sprengten andere Soldaten die Thore mit Aexten und Stangen unter dem Ruf: es lebe der Krieg! Der Lärm wurde immer größer. Der Gouverneur ließ die Aufrührerischen von 4 Regimentern einschließcn, aber als er sprechen wollte, riesen seine eigenen Regimenter: Es lebe der Krieg! Bis Morgens 2 Uhr dauerte der Aufruhr und der Gouverneur dämpfte ihn nur durch List, indem er den Soldaten sagte, er habe nur ihren guten Geist prüfen wollen, auch er wolle den Krieg! Mit dem Rufe „Krieg und Tod den Türken!" rückten sie in die Festung endlich ein. (Wenn das alles wahr ist, so istS ein schlimmes Zeichen für den Frieden.) Die Serben melden eine siegreiche Schlacht zwischen Lim und Uvatz. Der Kampf soll 7 Stunden gedauert und mit der regellosen Flucht der Türken geendigt haben. Die leine Veste Klein - Zwornik wollen sie bis zur Uneinnehmbarkeit verstärkt haben. Wir verschonen die Leser mit vielen Ortsnamen, die auf keiner Karte zu finden und obendrein unaussprechlich sind. Man muß da das Buchstabiren wieder anfangen. Ucber die Zustände in Bosnien schreibt man aus Scrajewo, 15. Juli: Mit der allgemeinen Bewaffnung in der Hauptstadt hat es trotz der Begeisterung der Mohammedaner sür den Krieg, seine Schwierigkeiten. Hier greisen die Leute sehr unwillig zu den Waffen. Mit knapper Roth wurden von hrer 500 Reiter nach Bcljua geschickt. Und doch giebt es hier 3500 berittene Türken. Die Mohammedaner in den kleinen Orten zeigen sich viel williger. Aus den Marktflecken Visoko und Kreschewo sind 800 Mann an die Drina abgezogen. Seit dem 4. Juli sind überhaupt aus dem Süden bei 10,000 Mann, theils Nizams (2200), theils Irreguläre nach dem Norden abgegangen. An Artillerie wurden eine Batterie Vierpfünder und zwei Gebirgs batterien dahin abgeschickt. Hier selbst wird eine große Thätigkeit entwickelt. Man verschanzt die Stadt in einem weiten Umkreise und befestigt den nahen Berg, der die Stadt wie die große Ebene rings herum beherrscht. Waffen und Munition giebt es genug, aber an Proviant dürste sich in der kürzesten Zeit ein Mangel fühlbar machen. Die hiesigen Einwohner haben keine Vorräthe und der Vali hat kein Geld, um solche von anderwärts zu beschaffen. Sehr merkwürdig ist, daß, um Nahrungsmittel für eine eventuelle Belagerung zu ver schaffen, der General-Gouverneur die reichen Kaufleute um Vorschüsse angegangen hat. Er verlangte von der Hauptstadt 10,000 Livres, eine Summe, die in Baarem jetzt in ganz Bosnien nicht vorhanden ist. Es heißt, daß aus Constantinopel Vorräthe gebracht werden sollen. Das ist ein schlechter Trost. Mukhtar Pascha, der hier mit der Organisirung der Ncdifs beschäftigt war, geht morgen nach Mo star ab, um die Vcrlheidignng dieses Platzes zu übernehmen. In Mostar werden ihm im Ganzen bei 9000 Mann, darunter 3000 Redifs und 2500 arnautische Baschi-Bozuks zur Verfügung stehen. Hier hat man wenig Hoffnung, Mostar zu retten, da dessen Befesti gungen ganz unbedeutender Natur sind. Aus Ragusa, 20. Juli meldet man: Zahlreiche aus Mostar hier eingetroffene Flüchtlinge berichten über eine Niederlage der Türken bei Nevesinjc. Vassa Pascha ist nur mit Noth der montene grinischen Gefangenschaft entgangen. Derselbe ist hier eingctroffcn, angeblich um mit den österreichischen Generälen zu conferiren. Aus Paris vom 18. d. M. wird der „K. Z." telegraphirt: Mukhtar Pascha ist gestern mit Verstärkungen wieder in Mostar ein gerückt. Das Hauptcorps des Montenegriner steht keineswegs in der Nähe von Mostar; cs sind dies nur einige vereinzelte Söhne der Schwarzen Berge, die sich mit den Aufständischen vermengt haben. Die Kand. Historische Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Zwei Höfe." „Schein und Sein." (Schluß.) Auch der Herzog von Glogau wollte nicht zurückstehen und be willigte dem Schmied für sich und seine Nachkommen sreics Holz im Sprottauer Walde, so viel seine Schmiede bedürfe. Das war ein Jubel ohne Ende! Dem alten Schmied liefen die Hellen Thränen an den Wangen hinunter, zu viel des Glückes kam über seine hoffnungserstorbene Brust und er rief jubelnd zu seiner