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269 ihm ein Zeichen, er möge nur kommen, wie er wäre. Las zweite Gericht bestand aus zwei Käl- berkeulcn und sechs Hühnern. Se. Majestät nahm das größte davon mit höchsteigenen Fingern aus der Schüssel, rieb es sich prüfend unter der Nase, und, nachdem er mir durch einen Wink zu ver stehen gegeben hatte, daß er es köstlich finde, war rr so gnädig, es mir auf meinen Teller zu legen. Die Schüttel' ward von einem Ende des Tisches zum andern geschoben, ohne daß ein Unglück passirt wäre, was auch nicht gut möglich war, da die Fettrinde auf dem Tischtuche die Reise sehr erleich terte. Der Nachtisch bestand aus einem Teller mit Zucker aus Spaa. Damit endigte'die Tafel, Der Czaar ging an ein Fenster; hier lagen ein paar Lichtscheuen, die ganz und gar verrostet und über und über mit Talg beschmiert waren. Der Be herrscher aller Reußen geruhte, sich zuerst die Nagel damit zu putzen und dann die Zahne zu stochern. — Glücklicherweise — erzählt der Canonicus — war die Zeit da, das Brevier zu lesen und so machte ich, daß ich fortkam." Vermischtes. Das deutsche Turnfest in Berlin ist wirk lich zu einem großen deutschen Volksfeste geworden. Nahe an 4000 Turner aus allen deutschen Landen waren versammelt; von Wien 30 prächtige Leute mit schwarz - roth - goldenem Banner, die Mannen aus Schleswig-Holstein mit umflorter Fahne, 5 Genossen aus Amerika mit dem Sternenbanner, und Holland und die Schweiz waren auch vertreten. Der alte Jahn hätte seine Freude- gehabt zu sehen, wie'die Eichel, die er in den deutschen Boden gesenkt, zum mächtigen Eichbaum erwachsen ist, unter dem sich alle Söhne des Vaterlandes sammeln. In allen Grüßen und Reden schlug die Zusammengehörigkeit, die Einig keit des gemeinsamen Vaterlandes durch — und kein Mißton kam auf. Am zweiten Festtage brachten die Bahnzüge 50,000 Fremde, Berlin fing an warm zu werden, cs kam bald heran mit Kind und Kegel. Die Berliner Zeitungen sind noch nie so frisch, warm, ja enthusiastisch gewesen wie in der Beschreibung dieses Festes. Einstimmig erklären sie, Berlin hat nie ein solches Volksfest erlebt, vielleicht ganz Deutschland noch nicht, wir haben kaum für möglich gehalten, was wir erlebt haben. — In der nationalen Bedeu tung lag der Schwerpunkt des Festes. Das fühlten Alle und die Worte dec Redner zündeten. Mag man, improvisirtc Einer, den Süden und Norden mit dem Blinden und Lahmen vergleichen; das hindert nicht, einen Weg zu ziehen und jedenfalls gieblS doch vier Fäuste!— Nicht nur leibliche, auch geistige Frischt und Gesundheit giebt das Turnen, sagte ein Anderer, cS ist etwas anderes als wenn einer einen Löffel Medizin nimmt. Die Turncrci ist ein Wall um's Vaterland! Das Schauturnen am zweiten Tage leitete Oberturnwart Kluge aus Berlin. Er stand auf einem kleinen Thurm wie ein Feldherr. Zuerst erfolgten Freiübungen am Ort im Wechsel der Rotten, dann Turnen am Gcräth. 200 Turngerälhc waren aus gestellt, je 2 für jede Riege. Alle 200 Riegen turnten zugleich. Diese Uebunzen boten einen herrlichen Ge nuß. Der bejahrte Mann — eS waren genug graue Häupter, Schüler Jahn's darunter — schien von der Kratt und Frische der Jugend nichts verloren zu haben, und die Jugend wetteiferte mit dem vollkräf- tigen Manne. Das Schwerste schien Jedem leicht und fabelhafte Leistungen wurden wie spielend durch- geführt. Der Beifallruf der zahllosen Menge beglei tete daS Turnen vom Anfang bis zum Ende. Die Nacht war hereingesunten, als das Schlußlied er klang und Alle heimgclcitete. — Uebcr de» Unfall, welcher dem Kronprinzen von Hannover bei dem Baden in Norderney be gegnete, schreibt man der K. Ztg.: Während der Wärter des Königs bei hochgchendcn Wellen nicder- geworfen und durch den deS Prinzen unterstützt wurde, hatte der Letztere sich zu weit in die See gewagt, hörte den Warnungsruf seines Wärters nicht, wurde von der rasch steigenden Fluch überwältigt und ver lor Len Boden unter den Füßen. Nur mit genauer Noth , konnte der Wärter schwimmend den Prinzen ergreife» und so weit aufwärts tragen, daß andere Diener ihm die rettende Hand zu reichen vermochten. Alle wurden vom Könige reichlich belohnt und der eigentliche Retter erhielt auf der Stelle die Verdienst- Medaille für Rettung aus Gefahr und die silberne Verdienst-Medaille dazu. Gestern früh sollte auf der Insel ein Dankgottesdienst abgehalten werden. Die ministerielle Zeitung erkennt in der Abwendung der großen Gefahr das sichtbare Walten der Vorsehung. Es ist gewiß, ein Unglück, das dem einzigen Sohne LeS Königs zugestoße» wäre, würde von unermeß. liehen Folgen für das Land gewesen lein. — Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß der Neubau der Brücke über die Triebisch in der Stadt Meißen, auf der Chaussee von Meißen nach Wilsdruff, soweit beendet ist, daß dieselbe von nächstem Sonntage, den 26. August dieses Jahres an, für jede Verkehrsart wieder benutzbar sein wird. Königliche Amtshauptmannschaft Meißen, am 21. August 1861, In einstweiliger Verwaltung: von I ivl»teo«a. Petzold,