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130 Und tönt eS nicht wie Klang versunk'ner Glocke»? Rauscht nicht der Meergebieterin Panier? Jetzt sei der Schilskranz aus Vinela's Locken Der neuen Flagge hoffnungsgrüne Zier! Nicht mehr Len Dreizack kann der Däne wahren, Dies Meer gehört dem Reich und Preußens Aarcn! Hoch Oesterreich, das sieg- und ehrenreiche! Hoch Preußen, das dec Zukunft Banner schwingt! Des Ostens Buchten und des Westens Deiche, Und Nord und Süd, die jetzt Ein Band umschlingt, Das ganze Land jauchzt dankend den Befreiern, Geschmückt Len Auferstehungstag zu feiern. Wir klagten lang. — Jetzt enden uns're Klagen, Der deutsche Geist ist frei von schwerer Haft. Jetzt kann die Eiche wieder Wurzeln schlagen Im hcimathlichcn Boden ihrer Kraft; Und alle Blüthcn, die zum Lichte dringen, Sie mögen sich in euern Lorbeer schlingen! — Der Großfürst-Thronsolger von Rußland, der schon längere Zeit leidend war und Heilung in Nizza suchte, ist daselbst an einer Gehirn- und Rückenmarksentzündung verschieden. Er ist 22 Jahr alt. An seinem Sterbebette weilten der Kaiser, sein Vater, und die Prinzessin Dagmar von Dänemark, die Braut. Auch der zweite Sohn des Kaisers soll sich keiner besondern Gesundheit erfreuen.— In Amerika find die erwarteten Folgen des Falles von Richmond zum Theil schon kingetreten. General Lee hat mit der Hauptarmee des Süden- capitulirt. Der zweiten Armee unter John stone wird nichts Anderes übrig bleiben, als die sem Beispiel zu folgen, und auch die Seestadt Mobile, welche noch bis zuletzt dem Angriff der Unionisten tapfer widerstanden Hal, wird aus die Nachricht von den Ereignissen in Virginien wohl die Parlamentärflagge aufzicheu. — Es geht da- Gerücht, daß Karser Napoleon der englischen Regierung ein Schutz- und Trutzbündniß gegen ei nen etwaigen amerikanischen Angriff angeboten habe. Die englische Presse aber will von einer solchen Allianz Nichts hören. — Nach einer telegraphischen Depesche des Dr. Iourn. ist am 15.April der Präsident Lincoln, sowie der Minister des Auswärtigen, Seward, meuchlerisch überfallen und ersterer durch mehrere Schüsse getödtet, letzterer so schwer verwundet wor den, daß man an seinem Aufkommen zweifelt. Wenn der Schurkenstreich, wie zu vermulhen, von den Südlichen ausgeht, so haben sie ihre Lage sehr ver schlimmert, denn die Erbitterung .gegen sie wird furchtbar sein. — An der Küste von Brasilien ist kürzlich der französische Postdampser Bearn zu Grunde gegangen. Der Bericht eines Augenzeugen in einer französ. Zeitung lautet: „Gestern Abend verloren wir die Erde aus Sicht; der Wind wehte ziemlich stark und ein strö mender Regen machte die Nacht noch dunkler; man konnte kaum zwei Schritte weit sehen. Um 9 Uhr spürten wir einen heftigen Stoß und es erscholl der Schrei von allen Seiten: „Wir stoßen auf den Grund." Man denke sich die Verwirrung, die in demselben Augenblick entstand. Wir waren zusam men, Mannschaft und Passagiere, an 460 Perso nen. Dit Stimme des Kommandanten konnte kaum gehört werden inmitten des Angstgeschreies der Pas sagiere; es wurde sofort der Maschine eine rück- gängige Bewegung ertheilt, aber vergebens; die Anker wurden ausgeworsen, aber gleichfalls ver geben«; der Bearn sollte untergehen l Der Tumult und die Verzweiflung der Mehr zahl der Passagiere nahm zu, die furchtsamsten eilten in Masse zur Treppe, jeder mit seiner Rettungsboje versehen, bereit, sich aufs Gerathewohl ins Meer zu stürzen; ohne die Kaltblütigkeit des Komman danten wären diese Unglücklichen unfehlbar zu Grunde gegangen. Er ermahnte sie zur Ruhe und verbot ihnen den Zugang zur Treppe. Die Frauen und Kinder flüchteten sich darauf in den Salon, außer sich vor Schrecken. „Rühren Sie sich nicht", rief ihnen der Kapitän zu, „wohin wollen Sie bei dieser Dunkelheit gehen? Sie werden sämmtlich gerettet werden, ich stehe Ihnen dafür, aber wir müßen den Tag abwarten; ich werde zu Grunde gehen, wenn eS sein muß, aber ich gebe Ihnen mein Wort daraus, Sie werden sämmtlich gerettet werden." Dank dieser Festigkeit stellte sich die Ruhe nach und nach wieder her und jeder erwartete geduldig sein Schicksal. Gegen Mitternacht fing der Bearn an, auf dem Felsen hin- und herzurütteln; bei jedem dieser schrecklichen Stöße erscholl von neuem der Berzweis- lungSschrei. Indessen hatte sich der Regen ctwa- gelegt, aber der Wind war noch immer sehr stark und das Hinundherrütteln des Bearn nahm zu. Es tagte und wir saben, daß wir nur auf Kano nenschußweite vom Lande entfernt waren. Sofort schickte der Kommandant ein Boot ab, um den Strand zu besichtigen und den zur Ausschiffung geeignetsten Ort zu finden. Nach Verlauf einer halben Stunde kam das Boot zurück mit günstigem Bericht; aber das Meer war immer noch sehr be wegt und die Landung war nicht ohne Gefahr. Damit die Ausschiffung in die Boote regelmäßig vor sich ging, stellten sich die Offiziere an die Treppe, der Kommandant aber vor die Treppe, und nun wurde mit der Rettung der Frauen und Kinder begonnen." Dem Bericht des Patrie-Correspondenten zu folge waren um 9 Uhr alle ans Land gesetzt. Die gesammte Mannschaft mit dem Kapitän an der Spitze soll sehr viel Muth, Kaltblütigkeit und Auf opferung gezeigt haben. Der Kapitän war seinem Versprechen gemäß, der letzte, welcher das Schiff verließ, das kur« darauf in den Grund versank. Der Postagent hatte Zeit gehabt, alle seine Briefe und Gelder in Sicherheit zu bringen. Auch die Passagiere verloren, dank der Ehrlichkeit der Mann schaft, nicht ihre Gelder. Wie man erfährt, haben die Passagiere des Bearn, aus Erkenntlichkeit für den Muth und die Aufopferung der Mannschaft, durch eine Collecte die Summe von 1000 Francs für dieselbe zusammengebracht und in einem Blatt von Bahia öffentlich ihren Dank ausgesprochen.