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147 Die Seitens der Regierung beschlossene Be schränkung der Lieb hadert Heater ist be reits zum Theil in Kraft getreten. In Bautzen eristiren nicht weniger als sechs solcher Theatcrge- scllschaften, und als kürzlich eine derselben (der Schützcnverein) eine Vorstellung zu geben beab sichtigte, deren Einnahme zu einer neuen Fahne und einem kräftigen Trunk zur Weihe derselben be stimmt war, ward solche polizeilich inhibirt. — Allen Freunden der Natur, vorzüglich der Thier- Welt, empfehlen wir den Besuch des zooplasti- schen Cabinets, das der Besitzer Herr Leven, in Dresden auf der Brühl'schcn Terrasse im Dou- blettensaale mit großem Geschmack und eminenter Sachkenntniß ausgestellt hat. Höchst interessant ist die große Gruppe von Gemsen und ein Wildschwein von'Wölfen überfallen, an welche Prachtstücke sich verschiedene Jagdscenen anrcihcn, wo besonders die drei großen Hunde englischer und spanischer Race dem Leben außerordentlich treu Hochgebildet und in verschiedenen Stellungen bei Erfüllung ihrer Jagd pflicht belauscht sind. Man glaubt die Adler, Eulen, Kraniche, Gold- und Jagdfasanen, die Hauben taucher lebend vor sich zu sehen, während Füchse, Alpenhasen, Fischottern, junge Hasen u. s. w. sich dem Blick des Beschauers in geeigneter Weise ent falten. Hauptsache für viele bleiben aber die ver schieden zusammcngcstellten und mit Costüm ver sehenen Thiergruppen, wobei sich ein Humor kund giebt, als wenn Meister Tennier hier im Verein mit Hogarth Hand angelegt hätte. Gleich beim Eintritt erweckt Reinecke der Fuchs in seiner Häus lichkeit die Lachlust, welche nicht selten bei vielen Beschauern zu einem wahren Gekicher steigt, wenn sie zu Reineckes „Morgenvisite" gelangen. Dann die „Billardspieler'' -- die Fechter — der Banquier — der Krähwinkler — die Verlobung am Brunnen — der Gemüsefreund — die kleine Bürgcrwehr rc., dies Alles sind kleine Genrebilder und Humores ken, die dem tiefsten Hypochonder ein Lächeln ab- zwingcn. Widmen wir nun einige Worte der Politik, so haben wir eS mit demselben traurigen Bilde zu thun, welches das uneinige Deutschland, dieses große, schöne Land, schon seit Langem gewährt. Ob die an seinem Horizont aufgestiegenen Wolken zu einem Gewitter sich vereinigen, oder von selbst sich wieder verziehen werden,' darüber kann auch der Eingcweihteste augenblicklich noch keine sichere Antwort geben. Deutschland könnte allerdings ge trost in die Zukunft schauen und brauchte sich vor keinem Sturme, käme er auS Ost oder West, aus Norden oder Süden, zu fürchten, wenn cs ver stände, einig zu sein. Und eben diese Uneinigkeit ist der faule Fleck, der Krebsschaden, der an seinem Marke zehrt und nichts Großes und Ganzes zu Stande kommen laßt. Ja rin jammervolles Bild geben die deutschen Zustande in der gegenwärtigen Weltlage. Niemand weiß, ob der schweigsame ver schlossene Mann in Paris mit Hülse 'einer halben Million verfügbarer Bayonnete zuerst die Frage der „natürlichen Grenzen", d. h. die Rheinfrage, oder ob er die türkische Frage oder beide zugleich in An griff und Lösung zu nehmen gedenkt; aber das fühlt oder weiß Jeder, daß Deutschland nicht dazu angethan sein kann, mit Erfolg ihm die Spitze zu bieten, so lange das gegenwärtige traurige Zerwürf- niß in Deutschland einem offen liegenden und ent setzlich weiter fressenden Krebsschaden gleicht. Der deutsche Bund kann seine Glieder wohl schützen, wenn er ein compactes, gesundes und einiges Gan zes ist; wenn aber, wie gegenwärtig, das kriegs mächtigste, stärkste Glied desselben, wenn Preußen nicht zum Ganzen hält, was soll dann werden? Die österreichisch gesinnten Blatter schreien: „Preu ßen , Oesterreich und ganz Deutschland müssen zu sammengehen, Preußen darf nur straff zum Bunde und zu Oesterreich halten und stehen, dann ist Deutschland geborgen." Darauf entgegnen die preu ßenfreundlichen Zeitungen: „Was soll Oesterreich uns helfen können? Es war mit seiner ganzen Macht nicht im Stande, seine Lombardei sich zu erhalten und verlor diese und sein ganzes Gewicht in Italien. Kommt's wieder zum Kampfe, so wird cs Mühe haben, sich deS nun mächtigen italienischen -Reiches zu erwehren, zumal cs kein Geld und keinen Verlaß auf seine Völker hat." Darauf versichern die Freunde Oesterreichs: „Oesterreich ist schon zehn mal niedergeworfcn worden und hat sich jederzeit wieder aufgcrafft, es wird auch diesmal Kräfte finden, wenn's zum Entscheidungskampfe mit dem Erbfeind kommt." Diesen Versicherungen glauben aber die andern nicht, sondern behaupten, Preußen müsse die Führerschaft über das übrige Deutschland erdalten, dann sei es stark genug zum erfolgreichen Widerstande, England, Belgien, die Niederlande würden sich ihm dann anschließen rc. — So wenig tröstlich steht's in Deutschland. In den jüngst ver flossenen Tagen haben nun die Gegner Oesterreichs wieder Oberwasser aus ihre Mühle erhalten. Es steht nun fest, daß der tüchtige österreichische Finanz- Minister von Bruck sich selbst entleibt hat, weil er mehr oder weniger durch die Spitzbüberei, die Baron Eynatten und Genossen im vorjährigen Kriege getrieben, so in Verlegenheit und Schande zu kommen in Gefahr war, daß ihn der Kaiser entlassen mußtei Eben so sind kürzlich die Gegner Preußens noch heftiger gegen dieses erbittert worden durch die Verhandlungen in der zweiten Kammer über die kurhessische Verfassung. Da hat Herr von Carlowitz, der vor 13 Jahren sächsischer Minister war, den Bundestag in seiner gegenwärtigen Ver fassung und nach seiner 43jährigen Wirksamkeit so geschildert, daß so gut wie kein guter Biffen an ihm blieb. Die Freunde des Bundestages nennen diese Rede unter den gegenwärtigen Umständen un patriotisch, die Gegner dagegen meinen, gerade dann müsse man Feuer rufen, wenn cs brenne.- In der That, cs sieht sehr traurig aus im lieben Deutschland. — Die Stimmen mehren sich, welche ein energi sches Auftreten gegen Napoleon in der schweizer Frage für Preußen und Deutschland als die allein richtige Politik empfehlen. Aus Nord und Süd, 19*