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Polnische Dörfer. (Fortsetzung.) Thut der Edelmann alles Mögliche, den Bauer in seiner Dummheit zu erdalten und wird er hierin vom Geistlichen nach Kräften unterstützt, so ver säumt er auch Nichts, was das Reichwerden des Bauern verhindert. Der Grund und Boden gekört ikm und weil das Selbstwirthschaften ziemlich viel Mühe macht, die der polnische Edelmann scheut, wie den Tod, so giebt er einen Theil seinen Bauern aus, bedingt sied aber dabei, daß sie ihm sein übri ges Feld umsonst bestellen müssen. Die Wirth- schaften, in die der Edelmann Bauern einsetzt. be- steyen aus Folgendem: 12 dis 20 Morgen Boden (keine Wiese, kein Garten), eine Hütte zum Wohnen, eine Scheune und ein Stall, ein paar Zugochsen, eine Kuh, 4 Schafe, 2 Ferkel, 6 Hübner und ein Hahn, ein Wagen nach Landessitte ohne eine Spur von Eisen, ein Pflug okne Rader für das Ochsen joch eingerichtet, eine Flachsbreche, eine Graupen- stampfe, ein Kleien- und ein Wasserfaß, 2 Tränk eimer, 4 hölzerne Milchnäpfe, ein solcher zum Essen, und 6 hölzerne Eßlöffel, Das ist das Inventarium, welches der Herr dem Bauer zur Benutzung über- giebt. Dazu kommen noch als unbewegliche Guts- ihcile: ein Tisch, dessen Füße als Pfähle in dem Erdboden der Stube eingeschlagen sind, ein großes, aus plumpen Balken gezimmertes Bettgestell, das gleich in der Wand befestigt ist, ebenso wie eine Bank, die gleich bei Erbauung der Hütte mit an gelegt wurde. Zu alledem gekört noch eine auf dem Schilfdache liegende und bis zum Schornsteine reichende Leiter, welche auf einem dicken aus der Erde hervorragenden Stamme fußt. Eigenthum des Bauers ist ein Kopfkissen, ein Deckbett und ein großes Leintuch, welches statt des Tragkorbes, den man in ganz Polen nicht kennt, zum Transport von Gras, Obst, Ferkeln und kleinen Kindern benutzt wird. An dies Privatvermögen hält sich der Grundherr, wenn er den Bauer wegen rückständiger Frohnen, Hühner- oder Eierzinsen aus pfändet. Wer diese drei Gegenstände nicht besitzt, kann keine Wirthschafl bekommen, sie dienen ge wissermaßen als Caution. Bei solcher Einrichtung ist cs schwer möglich, zu Wohlhabenheit zu gelangen; fände der Bauer aber doch den Weg, so tritt ihn der Edelmann sogleich entgegen, indem er ihm das Erübrigte geradezu wegnimmt, und zwar mit der Behauptung, daß dem Bauer nicht mehr zukomme, als ihm übergeben sei, oder indem er ihm die Wirth- schaft schmälert. Bestellt der Bauer sein Feld mit Fleiß und macht er gute Ernten, so wird der Edel- Mann nicht lange zögern, ihm ein Stück des Feldes wegzunehmen. Hat der Bauer in seiner Viehzucht Glück, zieht er sich einige Ochsen auf oder vergrö ßert die Zahl seiner Schafe, so ist augenblicklich der Grundherr da und nimmt ihm das überzählige Vieh und erlaubt ihm nur dann ein Stück nachzuziehen, wenn eins von dem Inventarium in Abgang ge kommen ist. Will der Bauer also seine Viehzucht Nützen, so muß er wie ein Spitzbube verfahren, 131 die nachgezogenen Stücke auf alle mögliche Weise verbergen (wozu die Weide in den großen finstern Wäldern allerdings Gelegenheit bietet) und sie so pfiffig als möglich auf dem Wochenmarkte der näch sten Stadt verkaufen. Er muß der räuberischen Hand des Herrn mit spitzbübischer Schlauheit zuvor- kommcn. Bringt der Edelmann wie gewöhnlich den Winter in Warschau zu, so hat daS keine Schwierigkeit; fehlen ihm aber gerade die Moneten und er muß den langen traurigen Winter auf sei nem Gute verleben, so muß der arme Bauer keine ganze List aufwenden. Eifäkrt der Herr, daß der Bauer Vieh verkauft bat, so fordert er das Geld von ihm. Der Bauer verweigert das unter allerlei Vorwänden und rettet es dann wohl, darf sich aber eine Ladung Stock- oder Knutenbiebe nicht verdrie ßen lassen, deren Ertdeilung der Herr, ohnehin schlechter Laune, zur Versöhnung seines HerzenS nölhig bat. Ich war Augenzeuge, daß ein Bauer in einem solchen Falle sechzig Hiebe bekam. Die Exccunon fruchtete nicht, und auf Befehl deS Herrn wurde sie an verschiedenen Tagen fünfmal wiederbolt. Allein der Bauer war nicht zu bewegen, sein Geld herzugeben oder den Ort zu bezeichnen, an welchem er es aufbewahrte. Als er nun nach der sechsten Erecution noch männlich behauptete, er dürfe daS Geld nicht hergeben oder verrathen, weil ihm sein Patron, der heilige Antonius, im Traume geboten habe, lieber den Tod zu erleiden, als das zu thun, so war die Geduld des Herrn erschöpft. Wütkend reißt dieser die Knute aus der Hand seines Auf sehers, walkt den Bauer eigenhändig noch mit eini gen furchtbaren Hieben und schließt den Prozeß mit den Worten: „Jetzt behalte dein Geld, Hunds fott!" Wie von einem Gott ergriffen, springt der Bauer, dessen Schmerzgebrüll noch eben den Hof erfüllte, empor von der Strohschütte, umarmt und küßt die Füße des Herrn, stürzt wie toll unter ein nahes Kreuz und umarmt dies, unaufhörlich in höchster Freude schreiend: „Herr Gott, nun danke ich Dir, nun ist das Geld mein." (Forts, folgt.) Bestechung. Wie der Meineid der größte Feind aller mensch lichen Ordnung ist, die ohne eine Gewahr für die Wahrheit allen Halt verliert, so würde die Wohl- tnat des Rechtsschutzes in Nichts zerfallen, wknn die Gerichtsbeamten die Erfüllung ihrer Pflichten von dem größeren oder geringeren Ansehen oder Vermögen der Rechtsuchenden, von ihren freund schaftlichen oder andern Beziehungen zu denselben abhängig machen wollten. Dcsbalb ist Unbestechlichkeit, Unparteilichkeit die erste Pflicht eines Gerichtsbcamten, sie ist der schönste Schmuck der sächsischen Beamten, den sich diese, wie der Soldat seine Fahne, niemals rauben lassen werden. Obwohl diese Tbatsache eine bekannte, unsre Justizpflege auch im Auslande gerühmt und hoch geachtet ist, so erneuern sich doch immer wieder