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130 Präsidenten. Er ist sowohl bei Kaiser Alexander al» auch beiNgpoleon gern gesehen und man traut ihm den Plaff zu, Preußen auf Kosten der kleinen deutschen Staaten zu vergrößern, Napoleon für seine Zustimmung da» linke Rheinuser und Ruß land ein Stück Polen abzutreten. Jetzt muß eS sich zeigen, ob Preußens Ver fassung mehr ist, als ein Stück Papier. — In Italien sieht eS noch immer traurig auS: die reine Soldatenwirthschaft bat erst begon nen. Die Hälfte der ganzen Halbinsel seufzt unter dem Belagerungszustande und die Gefängnisse find überfüllt. Garldalbi, mit dessen Gesundheit es besser geht und an dem die Gefahr einer Amputation vorübergegangen ist, wird doch noch vor ein Ge richt gestellt werden. Tie Minister waren schon einig, ihn und seine Anhänger mit Ausnahme der Deserteure freizulassen, als die Generale Eialdini und Lamarmora energisch dagegen protestirten. Sie fürchten für die Diseiplin ihrer Soldaten, wenn Garibaldi ungestraft ausginge. Doch soll persön liche Abneigung der Hauptgrund fein; wenigstens steht fest, daß diese beiden die Aufnahme der Freischaaren- osftziere von 1860 in die reguläre Armee zu hinter treiben suchten und auch sehr lange verzögerten. Gari baldi hat von dem amerikanischen Gesandten in Wien «in Schreiben erhallen, worin ihm die Führung des Krieg» in Amerika angeboren wird — und hat zu gesagt —, da er schon längst amerikanischer Bürger ist, wenn er Gesundheit und Freiheit wieder erlangt haben würde. Einer städtischen Gesandtschaft Hal König Viktor Emanuel die Versicherung gegeben, daß die römische Frage noch im Jahre 186L werde gelöst werden und zwar zur großen Zufrie denheit Italien» und der ganzen katholischen Welt. Au derselben Zeit erklärte der vertriebene König Franz von Neapel seinen Getreuen in Rom in feierlicher Ansprache, er hoffe, ihnen seinen Dank sehr bald in Neapel selbst auödrücken zu können. Die Hoffnungen der beiden Könige verhalten sich wie di« beiden Eimer au einem Ziehbrunnen; steigt der eine, so sinkt der andere, das Drehen aber besorgt der große Meister in Paris. — Vom Kriegsschau plätze in Amerika kommen für die Unionisten höchst traurige Nachrichten. Sie müssen eine Stadt nach der andern räumen und werden überall zurück gedrängt. Jackwn, der siegreiche Rcbellen-General, soll den Grenzfluß Potomac mit 50,000 Mann überschritten Haden; in der Bundeshauptstadt Washington packen viele Leute die Koffer. Ge neral Pope ist abgesetzt, weil durch seine Fahr lässigkeit die große Schlacht bei Bull» Run ver loren ging. Zum ersten Male rühmen amerikani sche Blätter die Tapferkeit der Deutschen in dieser Schlacht. General Sigel, Oberst Schimmelpfennig und besonders General Schurz wandten die gänz liche Vernichtung der Unionsarmee, freilich mit großen Opfern von Menschenleben, ab. Der letzt genannte Hai eine eigenthümliche Karriere gemacht. Al» Student in Bonn befreite er seinen geliebten Lehrer, den Professor Kinkel, aus der Festung Spandau, wurde deshalb steckbrieflich verfolgt, wirkte als Advoeat in Amerika für die Wahl des jetzigen Präsidenten Lincoln, der ibn zum Danke dafür als Gesandten nach Spanien sandte. Jetzt kom- mandirt er eine Brigade Deutscher und hat sich die Liebe seiner Untergebenen und die Bewunderung Amerikas erworben. Im dicksten Kugelregen stieg er nicht vom Pferde und war überall, wo die Ge fahr am größten sich zeigte. - Bei der Aushebung, die in Amerika außerordentlich verhaßt ist, hat ein Schwindler ein gutes Geschäft gemacht. Ein ge wisser Fitsch machte in allen Zeitungen bekannt, gegen Einsendung eines Dollars wolle er Jeder mann rin untrügliches Mittel verrathcn, der Aus hebung zu entgehen. In 3 Tagen hatte er 1000 Anfragen und eben so viele Dollars und er hielt Won. Er rieth Jedem, sich freiwillig zum Heere zu stellen. — In Warschau erregte die Verhaftung eines der angesehensten Edelleute, des Grafen Zamoyski, großes Aussedeu. Veranlassung dazu gab eine Adresse, die eine Anzahl der cxaltirtesten Polen an den Kaiser gerichtet hatte, deren Verfasser der Graf sein soll. In dem Schreiben beschwören sie den Kaiser, auf dem betretenen Wege inne zu halten, besonders die Bauern nicht unabhängig von ihnen zu machen. Die Herren nennen die Plackerei und Unterdrückung des gemeinen Mannes ihr histo risches Recht und wollen auch dem Kaiser nicht erlauben, daran zu rütteln. Doch wird sich dieser an die Proteste nicht kehren, sondern ruhig fort- schreiten, in seinem Streben, allen seinen Unter- thanen Vater zu sein. Der Graf ist nach Peters burg geschickt worden, um sich vor dem Kaiser selbst zu verantworten. — — Der Thronerbe von England, Prinz von Wales, hat sich mit der Prinzessin Alexandra von Dänemark verlobt. Die Freunde Schleswig-Hol stein» sehen mit Bangen auf dieses Ereigniß, und fürchten, daß diese Verbindung Dänemarks mit dem mächtigen England das Joch, das auf den Herzogthümern liegt, noch mehr befestigen werde. Locales. Die Kleinkirmeß isogenannte Rasselbude) ver strich am Sonntage ziemlich ruhig, die eingetretene rauhe Witterung hatte so Manchen abgehalten, dem Feste beizuwohnen. Indessen fehlten doch die Stammgäste, nichtstudirte Oekonomie-Gebülfen mit ihren Jnspectorinnen der höher» Viehwirthschast, nicht. Nachdem anstatt des Weines einige diverse Halb bittre gcmciMchaftlich genossen und eine „Cigärrne" angemacht, wirb das Ringclreilen versucht und im Jubel über die genossenen Herrlichkeiten die Heimreise am Arme der geliebten Hannerose ««getreten. Zu Belebung des Festes trugen die zum Be such gekommenen Turner aus Meißen in Gemein schaft mit den hiesigen ungemein bei, die auSgeführ- ten freien Hebungen und die veranstalteten Spielt zeigten viel Körpergewandheit und die neulich zu sammengefallene Pyramide wurde diesmal haltbarer aufgebaut.