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123 Warschau die Eisen- und Waffenhandlungen Be fehl erhalten, alle Waffen, sogar große Messer, in die Citadelle abzuliefern. — Bei den blutigen Vor gängen wurden außer den zehn auf dem Platze Gebliebenen 108 Personen verwundet, von welchem bis jetzt 14 gestorben sind, sodaß sich die Zahl der Opfer auf 24 belauft. — Krieg oder Frieden? Die letzten Tage haben stärkere Zumuthungen an unseren Friedensglaubcn gemacht als je. Man könnte sagen: mit dem Eintritte des Frühlings, mit jedem schöneren Tage wird da und dort die Mei nung laut, es könne doch wokl nicht ohne Krieg abgehen; die Verwickelungen seien nicht anders zu lösen. Und in der That, es wäre Lhorbeit, die Schwere dieser an allen Orten und Enden bestehen den, ja fast täglich um neue vermehrten Verwicke lungen läugnen oder auch nur unterschätzen zu wollen. Sieht man dabei auf die äußeren Anzeichen, so sind auch diese unlaugbar drohend genug, mindestens Beweise allgemeiner Besorgniß. Alle europäischen Staaten fast stehen mehr oder weniger unter Waf fen, oder rüsten in ungewöhnlichem Maße, oder richten ihre Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die Vermehrung und Steigerung ihrer Wehrkraft. Bald könnte man Europa ein großes bewaffnetes Lager nennen, das nur wegen mangelnden Raumes und — Geldes eine Masse zeitweilig Beurlaubter neben sich hat. Auch ist die Ansicht nicht wenig verbreitet, daß ein rascher Krieg vortheilhafter sei, als eine langsam die Kräfte auszehrende Kriegsbereitschaft. Wir möchten doch stark bezweifeln, daß solche Stim men einen richtigen Begriff von Krieg haben; und geht man näher auf die ganze Situation ein, so wird sich wahrscheinlich herausstellen, daß gerade die Masse und die Art der Verwickelungen die Schwerter eher in der Scheide zu halten, als sie ihr zu entlocken scheint. Bedenkt man nur, daß die Zeit doch vorüber ist, wo man glaubte, ein Kanonenschuß an irgend einem Puncte der euro päischen Welt müsse einen allgemeinen Krieg ent zünde«. Wenige Jahre haben ungemeine Verän derungen gebracht, ohne das Schreckgespenst des allgemeinen Krieges zur Wirklichkeit zu machen. Principien haben sich geltend gemacht, zu deren Niederhaltung man vor ein paar Jahrzekntcn noch eine Million Bajonnette bereit glaubte. Fragt man heute scharf darnach: wer wünscht augenblicklich Krieg? so wird die Antwort ohne Leichtsinn nur zögernd und unentschieden ausfallen können. Eng land und Preußen wollen gewiß keinen Krieg; Rußland ebensowenig. Letzteres scheint tiefere Blicke in die Bedürfnisse der Zeit geworfen zu haben, als Manchen seiner sonstigen Freunde lieb sein dürfte, und, durch Aufrichtigkeit der Reform :n Versuch zur Beschwörung des Sturmes machen, zu wollen, der in Polen heran^ezogen ist. Kann Frankreich sich für den Augenblick den Krieg sich zum Zweckt machen? Wir bezweifeln es so lange, bis untrüg liche Thatsachen vorliegen. Daß Oesterreich keinen Krieg provociren wird, bedarf wohl nicht erst des Beweises. Alles, und gerade seine angestrengtesten Vorsichtsmaßregeln, spricht sür die lediglich defensive Haltung. Das neue Königreich Italien kann eine kriegerische Wendung nicht beschleunigen wollen, da cs ihr noch nicht gewachsen ist. Die letzten Aeußc- rungen Cavour's naben die Besonnenen befriedigt; freilich auch die Extremen noch mehr aufgeregt. Aber auch die etwaigen einzelnen Ercesse der Letz teren würden wohl nicht so überraschen, daß sie den vollen bittern Ernst eines Krieges unfehlbar nach sich ziehen müßten. Wollte man wirklich Krieg, so lägen die Vorwände zahlreich genug da, um nicht erst darnach suchen zu müssen. Uebrigcns erblicken wir von Seite Ungarns fast eine ernstlichere Gefahr für die Ruhe des Welttheils, als in der Spannung zwischen Oesterreich und Italien; und wie der Ausbruch eines offenen Conflictes dort auf Italien wirken würde, ist allerdings durchaus unbe rechenbar. Die Ereignisse können mächtiger sein, als alle Vorsicht und Wachsamkeit der Kriegsunlustigcn; wohl aber wird das Maß der Abneigung auf den Umfang der Friedensstörung bestimmend wirken. Auf mehr als Wahrscheinlichkeiten aber wird sich kein politischer Calcul Anlassen können. Literatur. H. Leupold's Wauderbllch durch Sachsen und die Nachbarlande. Eine Heimathskunde, sowie ein Rathgeber für frohe Wanderer. I. Band: Dres den, seine Umgebungen und die sächsische Schweiz. II. Band: Erzgebirge, sächsisches Niederland und die Lausitz. Dresden, Meinhold und Sühne. Dieses Büchlein, welches „frohen Wandrern" wie gerufen kommt, hat eben in 2., vielfach vermehrter und mit Karten versehener Ausgabe die Presse verlassen. Im schönsten Lenz, „wo alle Knospen springen", muß auch der Stubcn- mensch gehen, damit es mit ihm besser werde. Und wer gern wandert, den wird das nutzbare Wander buch in den Stand setzen, „nach Plan und Prä- paration zu reisen." Wohin uns auch das nun noch reicher gewordene Wanderbüchlcin, was bei alle dem nicht theurer geworden ist (ein Band mit Karten und Plänen je 15 Ngr.), führt, überall zeigt es uns Weg und Steg, Nähe und Ferne, Gegenwart und Vergangenheit, was grünt und blüht, lebt und schwebt, sodaß man die Äugen auf- thun und allerwärts auf Sehenswürdiges gehörig richten lernt, und auf Fragen möglichst Rede und Antwort erhält. Bestimmter, klarer Styl ist ein Vorzug, vieles Neue zu Tage zu fördern und Hei- mathsliebe zu pflegen, das sind andre Vorzüge des Buchs, welches zu einem fleißigeren Besuche vieler schönen Plätze unsres Sachsens anreizt, ohne Je-