Volltext Seite (XML)
122 tungen haben stattgefunden. Die Stimmung im Wolke ist noch eine höchst gereizte. Die beiden Theater werden wahrscheinlich längere Zeit geschloffen bleiben. Alle Schänken, Kaffee- und Bierhäuser muffen Punkt 8 Uhr Abends geschlossen werden. Uebrigens ist noch zu bemerken, daß die Angabe, es seien blos 10 Personen gelobtet worden, nicht genau sein kann, da noch viele Personen vom Wolke bis jetzt gänzlich vermißt werden. Das Militär, welches infolge der fortwährenden Demonstrationen seit 2 Wochen bei Tag und Nacht schlagfertig ge halten wurde und außerdem noch manche Neckerei von Seiten des Volks ertragen mußte, ist mit großer Erbitterung eingeschritten und hat nament lich den Kolben stark benutzt. — In Warschau und auf der Citadelle zählt man jetzt über 40,000 Mann Truppen. Aus Rußland treffen immer neue Regimenter in Polen ein. — Auch in den Pro vinzen hat die Aufregung einen bedenklichen Cha rakter angenommen. General Chruleff ist mit Trup- penabtheilungen nach Lublin abmarschirt. In Plock und Wloclaweck haben viele unruhige Scencn mit Fenstercinschlagen in Wohnungen von hohen Geist lichen und verhaßten Beamten stattgefunden, wobei den Glasern bei härtester Strafe untersagt wurde, die Fenster wieder einzusetzen, was auch Tage lang unterblieb. Dasselbe Schicksal wurde auch dem evan gelischen Superintendenten in Plock zu Theil, weil er sich weigerte, wegen der Warschauer Vorfälle einen Trauergottesdienst abzuhalten. — Neueren Nachrichten nach betrug die Zahl der in Warschau Gefallenen mindestens 30, die der Verwundeten einige Hundert. — Das Tragen der Trauerzeichen ist durch den Kricgsgouverneur verboten worden.— In Krakau wurde am 10. ein Lrauergot- tesdienst für die' in Warschau am 8. Gefallenen gefeiert. Alle Läden waren geschlossen und die ganze Stadt war auf den Beinen. Die Marienkirche war gedrängt voll und auf dem Ringplatzc lag die Menge während des Gottesdienstes auf den Knien.— Der Leipz. Zeitg, wird Folgendes aus Beilin geschrieben: „In Bezug auf die Warschauer Ereig nisse kommt man in hier wohlunterrichteten Kreisen immer mehr zu der Ansicht, daß ihnen längst ein tief angelegter Plan zu Grunde lag, welcher mit den Verhältnissen in Nordilalien, in Ungarn, an der Donau und überhaupt im Oriente in genauem Zusammenhänge stehe. Von welchen Mächten er ausgegangen sei, braucht kaum näher angedeutet zu werden. Jetzt scheint nun so viel festzustehen, daß die Bewegung, welche zu seiner Verwirklichung führen sollte, abermals, dem Willen ihrer eigent lichen Leiter zuwider, zu früh zum Ausbruch ge kommen ist. Daraus will man namentlich auch die Kälte erklären, womit der Kaiser der Franzosen bis jetzt die Sache aufgefaßt zu haben scheint. Er will sich jetzt offenbar darauf nicht weiter einlassen, und schon aus diesem Grunde hält man hier die Gefahren, welche der Ruhe Europa's von dieser Seite drohen, vorerst noch für überwunden, indem man zugleich die Hoffnung hegt, daß sich der Kaiser von Rußland über die wahre Lage der Dinge nicht ferner täuschen lassen und mit der bisher bewiesenen wohlgemeinten Milde auch die Energie zu verbinden wissen werde, welche nöthig ist, um ferneren Machi nationen und noch größerem Unheil von dieser Seite auf die Dauer vorzubeugen. — Das Verhältniß Italiens zu den europäischen Großmächten wird sich binnen Kurzem freundlicher gestalten. Bekannt ist es, daß England' das König reich Italien bereits anerkannt hat. Ebenso dürste diese Anerkennung von Seite Frankreichs binnen Kurzem erfolgen; was Rußland betrifft, so hört man in diplomatischen Kreisen vielfach versichern, daß cs, wenn es auch nicht das Königreich Italien förmlich anerkennt, so doch den diplomatischen Ver kehr mit dem Königreiche Sardinien wieder herzu stellen willens ist, und nur auf eine passende Ge legenheit wartet, um sich zur italienischen Regierung in ein besseres Verhältniß zu setzen. Die neuerdings aufgetauchten Gerüchte von Verhandlungen zwischen Oesterreich und Frankreich wegen Abtretung Vene tiens an das Königreich Italien verdienen keine Beachtung, und beweisen nur, daß man sich über die Intentionen in den entscheidenden Kreisen zu Wien sehr täuscht, wenn man glaubt, daß sich, was die venctiamschc Frage betrifft, die Ansichten in Wien geändert haben. Nach wie vor ist man entschlossen, Venetien zu behaupten und nur der Gewalt zu weichen. — In den Mittagsstunden des 6. April sind mit wenig Ausnahmen alle Landtage im ganzen Um fange der österreichischen Monarchie eröffnet worden und seit 12 Jahren tagen nun zum ersten Male wieder parlamentarische Versammlungen in Oesterreich. Lie neuesten österreichischen Zeitungen beschäftigen sich fast ausschließlich mit diesem wich tigen Ereignisse. Die amtliche „Wiener Zeitung" leitet ihren Bericht darüber mit folgenden Worten ein: „Den heutigen Tag füllt ein wichtiges Blatt in der Geschichte Oesterreichs — die feierliche Er öffnung der Landtage. Möge ihren Berathungen Heil und Gedeihen, Frieden und Verständigung entsprießen, und das segensreiche Ziel, das der kaiser liche Gedanke bei der Schöpfung des neuen Vcr- fassungswerkes anstrebte, in seinem ganzen Umfange erreicht werden!" — In der Umgebung Napoleons spricht man vom Kriege wie von einer ausgemachten Sache. Darf man diesen Herren glauben, so würde es zu erst „am Rhein losgehen", wo der alte Marschall Pelissier unter Oberbefehl des Kaisers selbst den Feldzug leiten soll. Daß die Franzosen kommen, sehen und siegen werden , versteht sich nach ihrer Meinung von selbst. Ein hoher Offizier aus der nächsten Umgebung Napoleons äußerte jüngst: „Wir werden diesen feigen Preußen, die nicht einmal Stand halten werden, eine tüchtige Prügclsuppe einkochen!" Die Geschäfte gehen so schlecht in Frank reich, daß von Wielen der Krieg als ein Geschäft angesehen wird, mit dem gute Geschäfte gemacht werden können. Manche spckuliren sogar, daß sie dabei ihren Kaiser los werden. — Den neuesten Nachrichten zufolge haben in