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140 Dinge in Polen vollständig zu machen, haben mehrere Gutsbesitzer, Mitglieder des kürzlich aufge lösten landwirthschaftlichen Vereins, um die Bauern für die sogenannten patriotischen Bewegungen zu gewinnen, denselben erklärt/ daß sie den Robot (Frchndienste) gegen eine mäßige Zahlung ablösen und diese Zahlung nach 40 Jahren amortisiren woll ten , so daß die Bauern dann ihre Grundstücke als freies Eigenthum besitzen würden. Auch haben sich verschiedene Geistliche für verpflichtet gehalten, diese Erklärung der Edelleute nach der Predigt in den Kirchen vorzulesen. Die Folge davon aber war, daß die Bauern in ihrem tiefgewurzellen Mißtrauen gegen die Edelleute sogleich den Erlaß aller Frohn- dienste und den Besitz ihrer Güter als freies Elgen- tbum forderten, und da ibncn dies nicht bewilligt wurde, den Frohndienst ferner zu leisten sich hart näckig weigern. Merkwürdig ist, daß die Bauern mit dieser Weigerung allenthalben die feierlichsten Versicherungen ihrer Anhänglichkeit, Liebe und Treue gegen den Kaiser und die Regierung verknüpfen. Umsonst hat sich bisher die Regierung bemüht, die renitenten Bauern durch Vorstellungen zu ihrer Pflicht zurückzufübren, weil die Bauern in diesen Bemühungen immer nur eine List ihrer Gutsherren erblicken. Da nun die Zahl der die Frohndienste verweigernden Bauern sich schon auf ungefähr60,000 belauft, so dürfte der Negierung nickt wohl etwas Anderes übrig bleiben — um Scenen, wie sie 1846 in Galizien stattfanden — zu verhindern, als Lie Regulirung dieser Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen und die Auseinandersetzung der Gutsherren und Bauern so rasch als möglich zu bewerkstelligen. Selbstverständlich ist dies keine leichte Aufgabe. — Der,,Neuen Preuß. Ztg.'^ schreibt man aus Paris: Um sich eine Vorstellung von den enormen Rüstungen für die französische Armee zu machen, genügt ein Blick in die Ateliers des bekannten Ärmeeliferanten Godilot. Dort wird, wie ich mich in dieser Woche aus eigener Anschauung überzeugen konnte, Tag und Nacht gearbeitet. Gewaltige Maschinen schneiden das Tuch zu je 25 Beinkleidern, und jeden Tag gehen 500 vollständige Anzüge aus diesem Etablissement hervor. Die Ateliers für Fußbekleidung, für Lederzeug, für Zelte, für Fcld- ausrüstungsgegenstande ruhen und rasten nicht einen Augenblick und doch sind sic, wie einer der Werkmeister mir sagte, kaum im Stande den An forderungen zu genügen. — Die Franzosen machen im Verkehr mit deutschen Reisenden kein Geheimniß daraus, daß sie dem Rhein demnächst einen Besuch mit Bajo netten und Kanonen abstatten werden. Sehr im Gegensätze zum Jahre 1859, wo der Krieg ur sprünglich unpopulär wax, ist ein Spaziergang an den Rhein in diesem Augenblicke ein populärer Ge danke in Frankreich, ein Gedanke, in den auch die Masse des Volks sich mit jedem Tage mehr hinein lebt, so daß es ein wahres Wunder wäre, wenn er sich nicht über Kurz oder Lang verwirklichen würde. — Man erzählt, daß die Warschauer Ereignisse am 8. die Folge einer irrigen Auffassung der kaiserlichen Depesche gewesen sein sollen. Als näm lich am Sonntage, den 7. April, der Statthaller telegraphisch den Kaiser um Verhaltungsrcgeln fragte, so erwiderte dieser lakonisch: „kastepox Kall osimer", d. h. verfahre wie ein Vater; was auch heißen kann „wie der Vater", da die russische Sprache keinen Artikel hat. Als der Fürst am 8. seinem Herrn und Kaiser den Ausgang meldete, so war dieser höchst erstaunt, und berief sich auf die gestrige Weisung, da er die ganz entgegenge setzte Handlungsweise erfuhr. Der Fürst verant- worteie sich: Ich verstand, ich sollte verfahren wie dein Vater, d. i. wie Nikolaus, und der hatte das gethan, was ich that. — In Amerika ist der Bürgerkrieg aus gebrochen. Nach Nachrichten vom 12. April aus Washington hatte der Commandant der Truppen des Südens, Beauregard, das von den Unions truppen noch besetzt gehaltene Fort Sumtcr zur Uebergabe aufgcfordert und, als diese verweigert wurde, das Feuer auf dasselbe eröffnet, welches die Besatzung des Forts erwiderte. Dasselbe hat sich nach 40stündigcm Kampfe ergeben. Commandant Anderson und die Besatzung wurden nach der Morris- Insel gebracht. Commandant Anderson soll über nicht mcbr als 76 Mann zu verfügen gehabt haben, während am Ufer 10,000 Bewaffnete standen und fünf sorgfältig gebaute Batterien von je 10—30 Geschützen ihr Feuer gegen ihn ausspieen. Der General des südlichen Bundes hatte keine Zeit zu verlieren. In den vorhergehenden 3 bis 4 Tagen waren 6 bis 7 Transportschiffe mit 2000 Mann unter dem Geleit von 3 Kriegsschiffen von New- Uork abgescgelt. Man erwartete sie am 12. April. Als die Beschießung begann, herrschte in Charleston eine fieberhafte Aufregung. Uebcrall, wo sich eine freie Aussicht bot, wimmelte es von Damen und Herren, die sich das ungewohnte Schauspiel durch ihre Ferngläser ansahen. 5000 Damen waren be reit, jedes von ihnen etwa verlangte Opfer darzu bringen. Von draußen strömte das Landvolk zu Pferde in die Stadt. Den ganzen Tag erdröhnte der Donner der Kanonen. Die Belagerer sollen im Ganzen 2000 Schüsse abgcfeuert haben. Die Regierung des Südens hat von jedem ihr ange hörigen Staate verlangt, daß er ein Kontingent von 3000 Mann stelle. Merkwürdiger Weise soll bei der Einnahme des Forts Sumter auf beiden Seiten Niemand getödtet worden sein. Präsident Lincoln bat eine Proklamation erlassen, worin er die Miliz, 75,000 Mann stark, einberuft, um die von den Rebellen genommene Festung und das Bundeseigenthum wieder zu erobern. Gleichzeitig ist der Congreß einberufen. Laut Depeschen aus Washington, dem Sitz der Regierung der Union, herrscht eine furchtbare Aufregung; alle Geschäfte sind zur Halste einge stellt. Man sieht einem Angriff auf die Stadt entgegen, die Miliz steht daher unter den Waffen. Der Präsident Lincoln soll ruhig und gefaßt sein,—