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gewöhnlich M. Und doch, welche ungeheure Ver- . schwendung wird alljährlich nur in Sachsen mit den nutzlosen, unproduktiven Ausgaben für Erlang ung der Jnnungswürden getrieben! Zuvörderst fällt hierbei die fabelhafte Ungleich heit auf, welche in Bezug auf dieKosten desMeister- werdens, sowie der Aufnahme und des Lossprechens in den verschiedenen Städten des Landes herrscht. Ein Klempner muß z. B. in Leipzig 130 Thlr., c, in Dresden 120 Thlr. für sein Meisterstück ausgeben, während dasselbe Recht in Plauen mit 40, in Bautzen mit 19, in Annaberg mit 13, in Scheibenberg gar mit nur 5^ Thlr. erworben wird; die Aufnahme eines Klempnerlehrlings kostet in dem kleinen Städtchen Buchholz 14L Thlr., in Jöhstadt 5 Thlr., in Dres den und Leipzig dagegen nur etwas über 2 Thlr. Die Kosten des Bürger- und Meisterwerdcns be tragen für Barbiere zwischen 99 Thlr. lLeipzig) und 15z Tblr. (Bautzen); für Bäcker 127 Thlr. in Leipzig, 14z Thlr. in Geißing; für Drechsler 127 Thlr. in Dresden, 14 Thlr. in Zöblitz; für Fleischer 163 Thlr. in Zwickau, 13 Thlr. in Liebstadt; für Glaser 170 Thlr. in Leipzig, 3z Thlr. in Schöneck; für Kürschner 218 Tblr. in Dresden, 33 Tblr. in Penig; für Maurer 275 Thlr. in Leipzig, 30 Thlr. in Bärenstein; für Schlosser 97 Thlr. in Großen hain, 13 Thlr. in Penig; für Schneider 116 Thlr. in Chemnitz, 13 Thlr. in Bärenstein; für Schuh macher 80 Tblr. in Meerane, 14 Thlr. in Adorf; für Seiler 375 Thlr. in Leipzig, .17 Thlr. in Regis; für Tischler 366 Thlr. in Chemnitz, 10 Thlr. in Neustadt; für Weber 158 Thlr. in Großschönau, 11 Thlr, in Zöblitz. Ein Drcchslerlehrling wird in -> Großenhain für je 1 Thlr. ausgenommen und los gesprochen; in Annaberg kostet dasselbe Manöver 13z Thlr. In Lichtenstein bezahlt ein Seifensieder- lehrliug 15^ Thlr. für die Aufnahme, in der größern Stadt Reichenbach nur 3 Thlr. u. s. w. Alle Be mühungen, diese großartigen Verschiedenheiten auf irgend vernünftige Weise zu erklären, sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben. Fragen wir nun, wie hoch sich in Sachsen alljährlich im Durchschnitt diese so gänzlich nutzlos verschwendeten Summen belaufen, so erfahren wir, daß für die Erlangung des Mcisterrechts etwa 200,000 Tblr., für das Ausdingen von Lehrlingen etwa 50,000 Thlr., für das Lossprechen etwa 30,000 Thlr. ausgegcben werden, in Summa also unge fähr 280,000 Thlr., d. h. die Zinsen eines Kapitals von 7 Millionen Thalern! Diese bedeutende Summe — maß könnte nicht Alles zum Besten der Gewerbe und des Handclsstandes damit angefangcn werden! — wird ohne Bedenken alljährlich aus dem Fenster geworfen. Wo Zahlen so deutlich sprechen, ist jeder weitere Zusatz überflüssig. Es giedt aber auch noch eine andere Abzugs quelle für das Vermögen der Innungen, und das sind — die Prozesse, welche gegen andere Innungen oder einzelne Gewerbtreibende wegen der von den selben begangenen „Uebergriffe" in das Arbeitsge biet der Kläger geführt werden. Diese Prozesse werden in der Regel angestrengt wegen des Mono- 09 pols für oft ganz unbedeutende Artikel, aber je ge ringfügiger der Gegenstand, desto größer die Hart näckigkeit. Die Innung muß doch ihr „Recht" wahren, sie darf doch nicht dulden, daß „Unbefugte" daß „Pfuscher" und dergleichen in der Stadt eine Waare verkaufen, die möglicherweise für die Innung erobert werden könnte! (Vor etwa 8 Jahren wurde eine neue Art Schlittschuhe eingeführt, welche statt der Riemen Schuhe haben. Darüber, wer diese Schlittschuhe verkaufen dürfe, stritten in Dresden 7 Innungen: Riemer, Schuhmacher, Wagner, Zcug- schmicde, Schlosser, Nadler und Kaufleute. Und noch heute werden fast alle diese Schuhe von keiner dieser sieben Zünfte gefertigt, sondern in Fabriken gemacht und von den Handwerkern aus diesen be, zogen und verkauft.) — Um welche Kleinigkeiten ist oft nicht ein Kampf entbrannt, welcher der gewin nenden Partei tbeuerer zu stehen kam, als vielleicht der zehnjährige Gewinn für die Herstellung der er oberten Waare! Man glaube ja nicht, daß in dieser Beziehung in unserer Zeit mehr Vernunft in die Kreise der Zünftler gedrungen sei als früher; es werden noch jetzt recht anständige Summen vcrstrit- ten. Das statistische Bureau hat Tabellen ange fertigt, welche lediglich auf den eigenen Angaben der betreffenden Innungen beruhen; viele Obermeister haben sich geradezu gescheut, die verprocessirten Sum men zu nennen, und statt dessen nur im Allgemei nen angegeben, daß die Prozeßkosten „viel" oder „sci r viel" betragen hätten. In den Jahren 1851— 1855 haben im Durchschnitt jährlich für Prozeßkosten ausgegeben: die Handelsinnunq zu Dresden 275 Tblr., die Bäcker zu Stolpen 500 Thlr., die Schuh macher zu Siebenlchn 141 Thlr., die Weber zu « Wildenfels 120 Thlr., die Seiler zu Meißen 40 Thlr., die Tuchmacher zu Leipzig 26 Thlr., die Schneider in Dresden 87 Thlr., die Schlosser da selbst 35 Tblr., die Buchbinder in Leipzig 17V, Tblr., hie Barbiere daselbst 23 Thlr., die Kürschner in Taucka 25 Thlr. u. s. w. Sind das nicht recht nette Summen, welche die Zünfte ihren Mitgliedern auflegen für — Nichts? Was könnte mit all' dem schönen Gelbe an- gefangeü werden zur Gründung und Erhaltung von Hankwerker-Fortbildungsschulen, für Unter stützung junger Handwerker, für Wittwen- und Krankenkassen u. s. w. Die Gesellenkrankenkassen, welche ohnehin nur bei etwa der Hälfte sammtlicher Innungen bestehen, sind zumeist überschuldet und ihr höchster Vermögensfond fast obne Ausnahme nur sehr gering. Das Vermögen der sämmtlichen 2500 Innungen Sachsens beläuft sich auf die lehr winzige Summe von 506,000 Thlr. und vabei wird noch so furchtbare Verschwendung getrieben! Das Zunftwesen ist kostspieliger, als man glaubt, die Gewerbcfreiheit ist das Wohlfeilste und Beste für hen gesammten Gewerbestand. 13*