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II Zu allen Zeiten hat cß Leute gegeben, welche einen Umsturz im Staate wünschen, weil sie Nichts zu verlieren baden und nur in der allgemeinen Un ordnung Etwas zu gewinnen hoffen; es hat auch stets Eille und Ebrgeizige gegeben, die es nicht er tragen können, daß der Staat nicht von ihnen und noch nicht nach ihrem Kopfe regiert wird. Diese Leute fangen gegenwärtig an, sich wieder sehr be merkbar zu machen. Die Letztem treten wieder als die Anführer auf; die Erstem geben sich wieder dazu her, als Werkzeuge für jene zu dienen und vergeßen ganz, daß sie schon einmal die Ange führten gewesen sind und daß sie Nichts dabei ge wonnen haben. Unser Land befindet sich zur Zeit auf dem Wege zu einer vernünftigen segensvollcn Freiheit. In allen Gebieten der Verwaltung werden unablässig neue Verbesserungen angestrebt und durchgeführt, und die Regierung selbst steht an der Spitze dieser Bewegung. Auf jedem Landtage sind zahlreiche und wichtige Reformen von ihr den Standen vor gelegt, und wenn sie von den Ständen genehmigt wurden, in der Zwischenzeit von einem Landtage zum andern mit aller Gewissenhaftigkeit und Lhat- kraft in's Leben gesetzt worden. Diese Bewegung war auch nicht eine einseitige; Kirche und Schule, Wissenschaft und Kunst, Handel, Industrie und Gewerbe, Landwirtbschaft und Bergbau, sie alle haben sich gleicher Fürsorge und Unterstützung zu erfreuen gehabt. Die Gesetzsammlung der letzten 10 Jahre und das Verzeichniß der zahlreichen wich tigen Vorlagen, die auch jetzt wieder dem Landtage gemacht worden sind, legen das beste Zeugniß ab, baß der Fortschritt die Parole unserer Regierung ist. Und mit diesem Fortschritt ist es ernst gemeint. Das sehen wir daraus, wie die Regierung die ge wissenhafte Durchführung ihrer Anordnungen Seiten aller Beamteten überwacht. Beauftragte der obersten Behörden durchreisen das Land, um sich von der ordnungsmäßigen Geschäftsführung in allen Zwei gen zu überzeugen. Ihnen leuchtet das erhabene Beispiel des Regenten voran, der in eigener Person die Zustände des Landes erforscht, mit seltner Kraft und Einsicht die Staatsgeschäfte leitet, jede Be schwerde selbst prüft, jeder Bitte zugängig ist. Im Lande ist dies auch eingeseben worden. Kein Verständiger zweifelte an der Redlichkeit der Regierung; gegenseitiges Vertrauen zwischen König, Regierung und Volk förderte das allgemeine Wohl. Da treten plötzlich wieder jene Unzufriedenen hervor, schreien über Reaction, wo keine ist, leug nen frech das Gute, was bisher geschah, und er heben mit böswilliger Uebertreibung kleine Mängel, die cs wohl hier und da bei uns wie in jedem, auch dem bestregierten Staate geben mag, zu großen Kapitalsünden der Regierung. Um jeden Preis soll Unzufriedenheit bervorge- bracht werden, obgleich es an triftigen Gründen dazu fehlt. Und weil das Land sich ruhig verhält, weil der Lärm einiger aufgeregter Zeitungsschreiber keinen Wiederhall findet, werden die Massen künst lich aufgewiegelt. Es dürfte zweckmäßig sein, auf die Mittel aufmerksam zu machen, die hierzu angewendet wer den. Zuerst wurde in Zeitungsartikeln aufgefordert, Petitionen wegen verschiedener Gegenstände an die Ständeversammlung zu bringen. Dies Mittel wollte nicht verfangen. Das Land schwieg und im gebil deten Theile des Volks zeigte sich weder Bedürfniß noch Neigung zu Petitionen. Nun wurde auf den minder gebildeten Theil des Volkes speculirt. Es wurde empfohlen, Volks versammlungen einzubcrufen, und diesen die bewuß ten Petitionen zur Unterzeichnung vorzulegen. Das heißt mit andern Worten: Einer, der allenfalls im Stande ist, die Petition aufzuschreiben oder eine Rede dafür zu halten, ruft eine Anzahl Leute zu sammen, denen es nicht eingefallen wäre, die auch nicht fähig wären, die Petition selbst zu machen, und beredet diese zur Unterschrift. Wer solche Ver sammlungen zu besuchen pflegt, wissen wir ja. Der bessere Theil der Bevölkerung bleibt in der Regel fern davon. Auch diese Aufforderung hatte bisher keinen Erfolg. Anstatt daraus zu erkennen, daß das Volk nicht unzufrieden ist, ergriffen die Anstifter der künst lichen Agitation rin anderes Mittel, um ihren Ge sinnungsverwandten die Herbeiziehung der großen Massen so bequem als möglich zu machen. Einer oder Einige fabriziren die Petition und schicken sie an ihre Freunde im Lande umher mit der Bitte, Unterschriften zu sammeln. So bringt man viel leicht etliche hundert, oder gar tausend Unterschriften zusammen. Aber welches Resultat würde sich er geben, wenn einmal untersucht würde, wer die Unterzeichner alle sind und wie viel sie von der Sache verstehen! So wird es jetzt gemacht, um eine Petition wegen Reform des Wahlgesetzes zu Stande zu bringen. Freiwillig ist aus dem Lande bis jetzt nicht eine Schrift in diesem Sinne an die Stände geschickt worden. Nun ist in Leipzig eine Petition fabrizirt und gedruckt worden. Diese wird von Leipzig aus zum Sammeln von Unterschriften ver sendet. Ein Advocat Max Rose in Leipzig, der früher auf ähnlichem Wege, aber mit schlechtem Erfolge, für den Nationalverein, dessen Ausschuß mitglied er ist, warb, hat Exemplare dieser Petition in Provinzialstädte versendet und wenn sich qut- müthige Unterzeichner finden, wird uns bald wieder mit großem Aufheben vorgehalten werden, im gan zen Lande habe sich einmütbig das Bedürfniß nach Reform des Wahlgesetzes ausgesprochen! Wir kennen diese Manövers noch von 1847 und 1848 her. Sollen wir auch die Erfahrungen von damals noch einmal erleben? Sollen wir die traurigen Folgen einer solchen künstlich gemachten Aufregung noch einmal mit der Erschütterung der Ordnung, des Wohlstands und des Friedens be zahlen ? Sind das die Freunde des Vaterlands, welche jetzt, wo wir alle Kräfte sammeln müssen, um nach Außen unsere Nation würdig zu vertreten, den inaern Hader schüren?