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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharand, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Am 1 8 klatt für das Königl. Verichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Einundzwanzigster Jahrgang. /reitag, den l8. Januar 186t. 3. -Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Albert Reinhold. Boa dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vierteljahrgang beträgt I« Nßr. Sämmtliche Königl. Postämter nehmen Bestellungen daraus an. Anzeigen, welche im nächsten Sluck erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl in der Redaction, als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bi» längstens Dönnerstäg Vormittag, in Tharaud und Nofsm aber bis längstens Mittwoch Nachmittag erbeten. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, sollen stets mit großem Danke angenommen werden. Die Redaction. Umschau. Wilsdruff, am 16. Januar. Es giebt Leute, welche glauben, die Erde gehe einem allmähligen Verbrennungsprocesse entgegen. Sie fußen dabei auf die überaus gelinden Winter der vergangenen zehn bis fünfzehn Jahre. Nun, diese Leute werden gegenwärtig von ihrem Wahne gründlich geheilt und der Gedanke an ein Ver brennen des Erdballs wird iknen vergangen sein. DaS Regiment des Winters ist in der That ein furchtbar strenges, wie seit Langem nicht. Das Thermometer zeigte heute früh 7 Uhr 21 Grad Kälte an, ja auf einem hochgelegenen hiesigen Gute hat es auf 23 Grad gestanden. Ein großes Glück ist's, daß die Fluren einer schützenden, gleichmäßig ge fallenen Schneedecke sich erfreuen. Hoffentlich wird nach dem Schmelzen derselben die junge Winter saat neuverjüngt im grünen Schmucke sich zeigen. Auf die Lhierwelt, namentlich die Vögel, üben Schnee und Kälte einen sehr nachtheiligen Einfluß aus. Der Hunger treibt die scheuesten Vögel in die Nähe der menschlichen Wohnungen, wo sie nach der unscheinbarsten Nahrung umherspähen. So trei ben sich auf dem hiesigen Marklplatze die Krähen zu Dutzenden herum. Diese sonst so scheuen Thiere lassen Vorübergehende bis auf wenige Schritte an sich herankommen, und wenn sic ja auffliegen, so geschieht es nur, um sich gleich darauf wieder nieder- zulaffen. Wiederholt sind schon vor Hunger und Kälte verendete Krähen aufgefunden worden. Höchst interessant soll ein Besuch der Fülterungsstellen des Hochwilds im Tharander Walde sein, wo oft auf einer einzigen Fütterung 50 bis 60 Stück beisam men stehen. Der gesunkene Barometerstand deutet auf neuen Schnee hin, der wiederum frische Kälte im Gefolge haben dürfte. Da die Armen unter dem Eindrücke der kalten Witterung sehr leiden, haben sich in verschiedenen Orten unseres Vater landes Holzkassenvereine gebildet, die ihnen Feuer ungsmaterial spenden. Möge man auch hier ihrer gedenken! — In der wohlmeinendsten Absicht sei noch des Bestreuens der Fußwege an den Häusern unserer Stadt mit Sand oder Asche gedacht, wel» ches nicht allenthalben, oder doch nicht mit der gehörigen Sorgfalt gehandhabt wird. Ein einziger unglücklicher Fall kann ja lebensgefährliche Folgen nach sich ziehen, wie dies leider im vorigen Jahre hier der Fall war. Das beste Streumaterial ist wohl Sand, da die Asche an den Fußsohlen an klebt und die Zimmer verunreinigt. Sägespane er weisen sich als unpraktisch, weil sie schnell anfrieren und dann wirkungslos sind. Die hiesige Schauspielcrgesellschaft fährt fort, durch gutes Repertoir und Zusammenspiel die Gunst des Publikums sich zu erhalten. „Die Tochter des Regiments" wurde am vergangenen Freitag bei übervollem Hause recht nett zur Darstellung gebracht und Fraulein Feist löste, vom übrigen Personal kräftig unterstützt, als „Marie" ihre Aufgabe ganz wacker. Das bedeutendste Stück, welches bisher zur Aufführung kam, ist unstreitig das Brachvo- gel'sche Schauspiel „Narciß", welches gestern vor leid«r nicht sehr vollem Hause in Scene ging. Herr Bähring führte die schwierige Titelrolle zur größ ten Befriedigung des wiederholt Beifall spendenden Publikums durch. Sein Spiel war ein durchdach tes und maßvolles und wurde durch die kräftige